OGH 4Ob25/50

OGH4Ob25/5015.5.1950

SZ 23/151

Normen

ABGB §276
ABGB §1412
ABGB §1424
ABGB §276
ABGB §1412
ABGB §1424

 

Spruch:

Der Zahlung an den Abwesenheitskurator kommt schuldbefreiende Wirkung zu, es sei denn, daß der Schuldner die Kuratorbestellung wider besseres Wissen veranlaßt, also erschlichen hat.

Entscheidung vom 15. Mai 1950, 4 Ob 25/50.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die beklagte Partei hatte das Dienstverhältnis mit der Klägerin gelöst; die Verständigung hierüber konnte der Klägerin nicht zugestellt werden, da sie an ihrem letzten, der beklagten Partei bekannten Wohnsitz nicht erreichbar war. Auf Grund eines Antrages der beklagten Partei wurde am 11. September 1947 der Rechtsanwalt Dr. K. gemäß § 276 ABGB. zum besonderen Sachwalter für die Klägerin bestellt; am 4. Dezember 1947 überwies die beklagte Partei ihm einen Betrag von 492.26 S, mit dem nach ihrer Berechnung die restlichen Ansprüche der Klägerin aus ihrem Dienstverhältnis berichtigt werden sollten. Dr. K. legte den ihm zugekommenen Betrag in ein neu eröffnetes Sparbuch ein. Am 15. Dezember 1947 berichtete der Kurator dem Pflegschaftsgericht, daß der Aufenthalt der Klägerin erhoben worden sei, und beantragte seine Enthebung sowie die Bestimmung seiner Gebühren. Das Pflegschaftsgericht gab nach Vernehmung der Klägerin am 25. Februar 1948 dem Antrage des Kurators statt und trug der Klägerin die Bezahlung seiner mit 90 S bestimmten Kosten auf. Dr. K. veranlaßte daraufhin, daß aus dem Sparbuch, dessen Einlage infolge des Währungsschutzgesetzes nur mehr 164.08 S betrug, ihm seine Kosten und der Klägerin der Rest von 74.26 S ausbezahlt wurden. Die Klägerin begehrte daraufhin die Verurteilung der beklagten Partei zur Bezahlung des Differenzbetrages von 418 S samt Nebengebühren.

Das Arbeitsgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht erkannte in der Hauptsache im Sinne des Klagebegehrens.

Der Oberste Gerichtshof stellte - mit einer geringfügigen Abweichung (bestehend in einem Zinsenzuspruch) - das erstgerichtliche Urteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Da für die Klägerin vom Pflegschaftsgericht ein Abwesenheitskurator bestellt worden war, konnte die beklagte Partei an diesen als den gesetzlichen Vertreter der Klägerin mit befreiender Wirkung ihre Schuld an die Klägerin abstatten, es sei denn, daß die Kuratorbestellung von der beklagten Partei wider besseres Wissen veranlaßt, das heißt erschlichen worden wäre. Dies ist aber weder von der Klägerin behauptet noch von den Vorinstanzen festgestellt worden. Es kommt daher nach der Ansicht des Revisionsgerichtes nicht darauf an, ob es der Beklagten, wie das Berufungsgericht angenommen hat, bei Anbringung einer größeren Sorgfalt möglich gewesen wäre, die Anschrift der Klägerin zu erheben, abgesehen davon, daß mit Rücksicht auf den Umfang der dienstrechtlichen Maßnahmen, die die beklagte Partei auf Grund der Bestimmungen des Nationalsozialistengesetzes zu treffen hatte, und auf die Kürze der ihr hiezu zur Verfügung gestandenen Zeit von ihr weitere Erhebungen zur Ausforschung eines ehemaligen Dienstnehmers, der an seiner letztbekannten Anschrift nicht mehr erreichbar gewesen ist, nicht verlangt werden können. Wenn sich sogar das Pflegschaftsgericht mit dem ihr von der beklagten Partei vorgelegten Postfehlbericht begnügt hatte und ihn der Kuratorbestellung zugrunde gelegt hatte, kann wohl auch die Antragstellung selbst nicht so fahrlässig gewesen sein, daß sie einen Schadenersatzanspruch rechtfertigte, u. zw. ohne Rücksicht, ob das von der beklagten Partei angerufene Pflegschaftsgericht örtlich zuständig war und ob im Fehlbericht - offenbar versehentlich - eine andere Türnummer wie in der Anschrift des zuzustellenden Schreibens angeführt wurde. Ob das Pflegschaftsgericht vor der Bestellung des Kurators noch selbst Erhebungen hätte vornehmen sollen und insbesondere ob der bestellte Kurator eine Schädigung der Klägerin hätte vermeiden können, steht mit dem gegen die beklagte Partei geltend gemachten Anspruch in keinem Zusammenhang und ist daher in diesem Verfahren nicht zu erörtern.

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