OGH 4Ob24/52

OGH4Ob24/5229.4.1952

SZ 25/109

Normen

ABGB §233
ABGB §233

 

Spruch:

Anstellungsverträge, die über den Rahmen eines normalen Dienstvertrages hinausgehen, bedürfen, wenn sie von einem Abwesenheitskurator geschlossen werden, der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung.

Entscheidung vom 29. April 1952, 4 Ob 24/52.

I. Instanz: Arbeitsgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Der Kläger hat am 20. September 1948 mit Friedrich Sch. als dem gerichtlich bestellten Abwesenheitskurator des kriegsvermißten Heinrich J., Inhaber eines Photoateliers in I., einen Vertrag geschlossen. Laut dieses Vertrages tritt der Kläger "als Kompagnon, Geschäftsleiter und erster Operateur" ab 1. November 1948 in das Photoatelier der beklagten Parteien in I. ein. Das "gegenseitige Arbeitsverhältnis ist auf die Dauer von drei Jahren bei halbjähriger Kündigung vor Ablauf des dritten Jahres" beschränkt. Falls das Arbeitsverhältnis nicht gekundigt wird, läuft es bei gleichbleibender halbjähriger Kündigungsfrist automatisch auf ein Jahr weiter. Nach Punkt 4 des Vertrages oblag dem Kläger die Aufnahme "bzw." Entlassung und Bezahlung von Arbeitskräften des Ateliers, er hatte die Wahl und den Einkauf des Materials und der Chemikalien, die Bezahlung des Mietzinses und der Mobiliar-Feuerversicherung, die Verbesserung der Einrichtung des Ateliers und Labors, das Arrangement der Auslagen und die Reklame aus den Einnahmen des Ateliers vorzunehmen. Im Punkt 4 ist weiter bestimmt, daß das Entgelt für die Buchführung, die Verwahrung des Materials und der Chemikalien, die Einteilung und Verwahrung des verarbeiteten Materials, die Art der Ausarbeitung, die Bestellungen und Aufnahmen sowie die Kalkulation der Preise im Gehalt und in der perzentuellen Beteiligung am Geschäftsumsatz mitinbegriffen sei. Im Punkt 9 des Vertrages ist dem Kläger ein Wochengehalt von 200 S als Anfangsgehalt, wertgesichert, sowie eine 10%ige Beteiligung am tatsächlichen Geschäftsumsatz als Entgelt zugesagt. Punkt 6 des Vertrages bestimmt, daß dem Kläger bei einem eventuellen Verkauf oder einer eventuellen Verpachtung des Ateliers das alleinige Vorkaufs- oder Vorpachtrecht eingeräumt wird. Falls dieses Recht von ihm nicht ausgeübt werden sollte, hat ihn der Geschäftsübernehmer zu denselben Bedingungen wie bisher zu übernehmen oder mit einem Pauschale von 12.000 S (wertgesichert) abzufertigen. Dieselbe Abfertigung hat nach Punkt 7 des Vertrages der Kläger bei einer Schließung des Geschäftes durch die beklagte Partei zu erhalten. Mit Schreiben vom 1. April 1949 wurde der Kläger vom Abwesenheitskurator des Heinrich J. fristlos entlassen. Mit der am 10. August 1949 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die ihm nach dem Dienstvertrag zugesicherte Abfertigung von 12.000 S sowie 172 S an Gehalts- und Provisionsrückstand und 2652 S als Entschädigung für 454 Überstunden. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger das Klagebegehren dergestalt geändert, daß er an Stelle der Abfertigung ihm zustehende Bezüge an Wochenlohn und 10%ige Umsatzprovision auf der Grundlage eines Umsatzes von 3000 S monatlich zuzüglich der bereits erwähnten Gehalts- und Provisionsrückstände und der Überstundenentschädigung im Gesamtbetrag von 28.424 S abzüglich der als Standesbeamter ab 15. Juni 1950 ins Verdienen gebrachten Bezüge von zusammen 969.50 S begehrte.

Die beklagte Partei hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt, weil die Entlassung begrundet gewesen sei, denn der Kläger habe sich zur Leistung der bedungenen Dienste als unfähig erwiesen, habe die Leistung ihm aufgetragener Arbeiten verweigert und schließlich habe er sich erhebliche Ehrverletzungen gegen Angehörige des Dienstgebers zuschulden kommen lassen.

Im Verfahren erster Instanz wurde außer Streit gestellt, daß nach Einbringung der Klage Heinrich J. für tot erklärt und sein Nachlaß zu einem Viertel seiner Gattin Elfriede und zu drei Viertel seiner Tochter Waltraud eingeantwortet worden sei. Der Kläger hat darauf das Klagebegehren dahin geändert, daß es gegen die beiden Erbinnen zur ungeteilten Hand gerichtet werde.

Das Arbeitsgericht hat im Sinne des Klagebegehrens erkannt.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes erhoben die beklagten Parteien Berufung.

Im Zuge des gemäß § 25 ArbGerG. vor dem Berufungsgericht neu durchgeführten Verfahrens hat der Kläger das Klagebegehren um 8000 S auf 36.154.40 S ausgedehnt. Im Berufungsverfahren hat das Berufungsgericht festgestellt, daß der eingangs erwähnte Dienstvertrag vom Kuratelsgericht nicht genehmigt wurde. Es hat weiter festgestellt, daß das Landesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 2. November 1949 als erwiesen erkannt hat, daß Heinrich J. am 12. Dezember 1945 in K. in russischer Kriegsgefangenschaft gestorben ist. Auf Grund dieser Feststellung beschäftigte sich das Berufungsgericht zunächst mit der Frage, ob der Dienstvertrag deshalb als ungültig anzusehen sei, weil bei seinem Abschluß die eine Vertragspartei bereits gestorben war. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, daß die mit dem Ableben des Kuranden verbundenen Rechtsfolgen im Interesse der Rechtssicherheit und insbesondere zum Schutze gutgläubiger Dritter in bezug auf Rechtsgeschäfte nicht schon mit dem Todestag, sondern erst mit Rechtskraft des Todesbeweisbeschlusses eintreten.

Das Berufungsgericht vertrat weiter die Rechtsauffassung, daß das Verfahren, das über die Klage eingeleitet wurde, an sich nichtig wäre, weil der Beklagte Heinrich J. bei Klagseinbringung bereits tot war. Diese Nichtigkeit sei aber dadurch geheilt, daß seine Erben in den Prozeß eingetreten und daß beide (Witwe und Tochter) im Berufungsverfahren eine Vollmacht ihres Vertreters vorgelegt hätten. Dagegen erachtete das Berufungsgericht den Dienstvertrag vom 20. September 1948 mangels der erforderlichen Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht für nichtig und änderte aus diesem Gründe das Urteil der ersten Instanz in dem Sinne, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die von der Revision gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Aus dem Verhandlungsprotokoll ergibt sich, daß der Vertreter der beklagten Partei Einholung des Kuratelsaktes nach Heinrich J. beantragte, damit daraus ersehen werde, daß der Anstellungsvertrag vom 20. September 1948 kuratelsbehördlich nicht genehmigt wurde. Aus dem Protokoll ist nicht zu ersehen, daß diesem Antrag eine Fragestellung des Vorsitzenden vorausging. Es könnte aber auch in diesem Falle vom Kläger nicht eingewendet werden, daß das Berufungsgericht die Frage der kuratelsbehördlichen Genehmigung von Amts wegen aufgeworfen hätte. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß in dem Antrag des Beklagtenvertreters dessen Rechtsansicht zum Ausdruck kommt, daß der Anstellungsvertrag mangels Genehmigung ungültig sei, ist nicht zu beanstanden. Denn eine andere Bedeutung konnte ja die Konstatierung des Mangels der Genehmigung und der dahingehende Antrag gar nicht haben. Dazu kommt, daß, wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 3. Juli 1930, SZ. XII/137, ausgesprochen hat, ein vom Kurator ohne die erforderliche Genehmigung geschlossener Vertrag absolut ungültig ist und daß der Bestand eines gültigen Vertrages Voraussetzung für die daraus abgeleiteten Ansprüche ist. Es ist daher nach Feststellung des Mangels der kuratelsbehördlichen Genehmigung bei der von Amts wegen dem Berufungsgericht obliegenden rechtlichen Beurteilung der Mangel der Genehmigung bei der Prüfung des Sachverhaltes in rechtlicher Beziehung zu berücksichtigen. Denn es handelt sich hiebei nicht um anfechtbare, sondern um nichtige Parteienakte.

Auch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes muß gebilligt werden. Der Anstellungsvertrag vom 20. September 1948 geht, ganz abgesehen von den dem Dienstnehmer eingeräumten Befugnissen, weit über den Rahmen eines normalen Dienstvertrages hinaus, einerseits darum, weil dieser Dienstvertrag vor Ablauf von drei Jahren vom Dienstgeber nicht einseitig gelöst werden kann, darum, weil dem Dienstnehmer eine 10%ige Umsatzbeteiligung zugesichert wurde, und endlich, weil ihm eine Abfertigung in der Höhe von mehr als einem Jahresgehalt ohne Rücksicht auf die Dauer des Dienstverhältnisses zugesichert wurde. Die Bestimmungen über das Vorkaufs- und Vorpachtrecht könnten allerdings als Nebenabreden für sich allein den Hauptvertrag nicht ungültig machen (vgl. Entscheidungen GlUNF. 1128, ZBl. 1901 Nr. 394). Aber auch von diesen Nebenabreden abgesehen, ist der Hauptvertrag an sich wegen seines Inhaltes genehmigungspflichtig.

Es kann auch nicht angenommen werden, daß ein diese Besonderheiten nicht aufweisender, also ein nur auf den Bestimmungen des Angestelltengesetzes beruhender Vertrag vom Kläger abgeschlossen worden wäre.

Bei dieser Sachlage kommt dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nur insofern Bedeutung zu, als das Berufungsgericht den Antrag des Klägers abgewiesen hat, durch Sachverständige festzustellen, daß der Umfang des Geschäftes der Beklagten so groß sei, daß der am 20. September 1948 abgeschlossene Vertrag zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gerechnet werden könne. Da aber die Vereinbarung einer 10%igen Umsatzbeteiligung neben einem fixen Bezug und die Unkundbarkeit eines Dienstverhältnisses durch drei Jahre, sowie der Gebührlichkeit einer Abfertigung ohne Rücksicht auf die Dauer des Anstellungsverhältnisses, ohne Rücksicht auf die Größe des Unternehmens den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb übersteigt, so ist in der Abweisung des vom Kläger gestellten Antrages auf Vernehmung eines Sachverständigen über die Größe des Betriebes ein Verfahrensmangel nicht gelegen.

Einen weiteren Verfahrensmangel will der Kläger darin erblicken, daß das Berufungsgericht dem Kläger nicht wenigstens ein Kündigungsentgelt für die ungerechtfertigte Entlassung zugesprochen hat. Insoweit könnte dem Berufungsurteil aber nicht Mangelhaftigkeit, sondern höchstens Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung vorgeworfen werden. Aber auch dieser Revisionsgrund liegt nicht vor, weil der Anspruch auf Kündigungsentgelt Gültigkeit des Dienstvertrages voraussetzt. Im übrigen hat der Kläger ja einen Anspruch auf Kündigungsentgelt im technischen Sinn gar nicht erhoben, sondern seine Dienstbezüge für die restliche Vertragsdauer eingeklagt.

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