Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden, soweit sie nicht bereits in Rechtskraft erwachsen sind, dahin abgeändert, daß der beklagten Partei ab sofort bis zum Eintritt der Rechtskraft des beantragten Urteiles auch verboten wird, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes zu behaupten: "Der kleine Bruder in Graz schreit zwar kräftig - aber kaum einer hört ihn" oder gleichsinnige Behauptungen aufzustellen; im übrigen werden sie bestätigt.
Die klagende Partei hat zwei Drittel der ihr im Provisorialverfahren erster Instanz erwachsenen Kosten vorläufig selbst zu tragen, den Rest hat sie endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei hat die Hälfte ihrer Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die halben Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.085,70 (darin S 2.680,95 USt) bestimmten halben Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Medieninhaberin und Betreiberin des Lokalradiosenders "G*****", der am 1. 4. 1998 um 11 Uhr (nach vorangegangener massiver Werbetätigkeit) den Sendebetrieb aufgenommen hat. Die Beklagte ist Medieninhaberin und Betreiberin des Regionalsenders "A*****", der drei Jahre vor der Klägerin den Sendebetrieb aufgenommen hat. Beide Sender werden durch entgeltliche Werbeeinschaltungen finanziert und sind für die Hörer kostenlos, beide haben ähnliche Musikprogramme und ein identes Zielpublikum. Im Rahmen einer vom Gallup-Institut im Auftrag der Beklagten durchgeführten Marktstudie zur Reichweite des Senders der Beklagten wurden zwischen 2. und 5. April 1998 700 Personen in Graz und Umgebung befragt, welchen Sender sie gestern gehört haben. 23,3 % der Befragten gaben den Sender der Beklagten, nur 7,1 % den Sender der Klägerin an.
Am 8. 4. 1998 sandte die Beklagte im Zuge von zumindest zwei Nachrichtensendungen einen Textbeitrag, der das Ergebnis der Gallup-Studie zum Inhalt hatte und auszugsweise wie folgt lautete:
"Auch nach dem Start weiterer Privatradios bleibt die Antenne die Nummer eins. Daran kann auch der jüngste Radio-Frischling in Graz nichts ändern. Der kleine Bruder, den die Antenne mit dem Stadtradio bekommen hat, schreit zwar kräftig, ihn hört aber kaum jemand. ...[es folgt eine Darstellung des Ergebnisses der Marktstudie] ...Fazit: Die Steirer hören statt der billigen Kopie lieber das kostenlose Original. Die Antenne sagt dafür dankeschön." Auch in einer Presseinformation der Beklagten vom 7. 4. 1998 wurde das Ergebnis der von ihr in Auftrag gegebenen Marktstudie zur Sender-Reichweite veröffentlicht, wobei als Zeitraum der Befragung der 1. - 5. 4. 1998 angegeben wurde.
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragte die Klägerin der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes zu behaupten,
a) der kleine Bruder in Graz schreit zwar kräftig - aber kaum einer hört ihn;
b) warum eine billige Kopie hören - wenn es kostenlos das Original gibt;
c) der Höreranteil des von der Klägerin betriebenen Lokalradios betrage im Zeitraum 1. - 5. April 1998 lediglich 7,1%, wenn die dieser Behauptung zugrundeliegende Marktstudie auf Befragungen im Zeitraum vom 1. bis 5. April 1998 von 700 Personen über 14 Jahren im Stadtgebiet von Graz und Bezirk Graz-Umgebung basiert, wobei diesen Personen die Frage gestellt wurde: Welches Radio haben Sie gestern gehört?
Es handle sich um unwahre herabsetzende Tatsachenbehauptungen in Form aggressiver Pauschalabwertung, die die Grenze der zulässigen Anspielung bei weitem überschritten. Die Behauptungen zur Reichweite seien objektiv falsch, weil eine Befragung am ersten Sendetag der Klägerin nach den am Vortag gehörten Sendern ein verzerrtes Bild ergeben müsse; damit würden die Hörer und auch die Werbekunden in sittenwidriger Weise getäuscht.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Provisorialantrages. Die Äußerungen seien nicht pauschal herabsetzend oder unsachlich, sondern im Rahmen eines Abwehrvergleiches als Reaktion auf eine massive Werbung der Klägerin zu sehen, mit der sie die Beklagte aggressiv angegriffen habe; auch komme es auf den Gesamtzusammenhang der Äußerungen mit dem Ergebnis der Marktstudie an. Der angestellte Hörerreichweitenvergleich sei sachlich richtig. Die Befragung habe zwischen 2. und 6. April 1998 stattgefunden. Vergleichende Werbung anhand objektiv nachprüfbarer Tatsachen sei zulässig.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung nur hinsichtlich der unter b) dargestellten Äußerung und wies den Provisorialantrag im übrigen ab. Ausgehend vom eingangs dargestellten Sachverhalt vertrat es in rechtlicher Hinsicht den Standpunkt, die Äußerungen zu a) und
c) seien weder wahrheitswidrig oder irreführend, noch pauschal herabsetzend oder kreditschädigend.
Das Rekursgericht bestätigte diese (nur von der Klägerin bekämpfte) Entscheidung. Es teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000.- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil das Rekursgericht von den Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum Sachlichkeitsgebot bei der vergleichenden Werbung abgewichen ist; er ist teilweise berechtigt.
Ob eine im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes gemachte Angabe wettbewerbswidrig ist, hängt davon ab, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Angabe verstehen (ÖBl 1997, 20 - Steirischer Medienjumbo); entscheidend ist ihr Gesamteindruck bei flüchtiger Betrachtung und durchschnittlicher Aufmerksamkeit (ÖBl 1997, 20 - Steirischer Medienjumbo mwN). Die Frage, welche Wirkung eine Aussage auf die beteiligten Verkehrskreise hat, ist eine Rechtsfrage, wenn zu ihrer Beurteilung die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen (MR 1995, 189 - Österreichs größte Qualitäts-Zeitung mwN). Entgegen der von der Klägerin vertretenen Meinung läßt sich aus der Entscheidung ÖBl 1988, 19 - Lieblingszeitung der Wiener nicht der Schluß ziehen, bei Gratiszeitungen, die ihre Einnahmen ausschließlich aus dem Entgelt für Insertionen erzielen, sei als angesprochener Verkehrskreis ausschließlich jener der Inseratenkunden anzusehen: Zugrundeliegender Sachverhalt war dort nämlich ein Reichweitenvergleich zwischen einem unentgeltlichen Anzeigenblatt und einer entgeltlich abgegebenen Tageszeitung, welche Blätter als nicht in sich vergleichbare Medien beurteilt wurden; ausgesprochen wurde, daß ein Reichweitenvergleich für diesen Fall zur Irreführung geeignet und damit wettbewerbswidrig sei. Demgegenüber wurden hier die Höreranteile zweier Privatsender, also durchaus vergleichbarer Medien, einander gegenübergestellt. Die Vorinstanzen haben ihrer Entscheidung deshalb zutreffend das Verständnis des Durchschnittshörers der beanstandeten Äußerungen zugrundegelegt.
Der beanstandete Werbevergleich der Beklagten ist aber auch nicht als irreführend zu beurteilen: Sowohl dem am 8. 4. 1998 gesendeten Textbeitrag der Beklagten als auch deren beanstandeter Presseinformation vom Vortag war hinreichend deutlich zu entnehmen, daß sich die dem Vergleich zugrundeliegende Marktforschungsstudie nur auf den Raum Graz bzw. Graz-Umgebung bezogen hat; der (bereits aus ihren Namen ersichtliche) unterschiedlich große Sendebereich der Streitteile machte den Werbevergleich daher noch nicht wettbewerbsrechtlich unzulässig. Gleiches gilt auch für den Umstand, daß der Vergleich zwischen einem seit drei Jahren sendenden Privatradio und einem "Newcomer" in der Privatradioszene in dessen ersten Sendetagen aufgestellt worden ist, wurde doch der Sendebeginn der Klägerin nach den zugrundeliegenden Feststellungen massiv beworben; damit war aber den angesprochenen Verkehrskreisen das Datum der Aufnahme der Sendetätigkeit durch die Klägerin bekannt, sodaß insoweit auch beim angesprochenen Publikum kein falscher Gesamteindruck hervorgerufen werden konnte. Der Rechtsmittelwerberin ist aber darin zuzustimmen, daß die Äußerung "Der kleine Bruder in Graz schreit zwar kräftig - aber kaum einer hört ihn" als sittenwidrige Pauschalabwertung zu beurteilen ist. Seit der UWG-Nov 1988 hält der erkennende Senat in stRsp jedes wahrheitsgemäße Herausstellen der eigenen besseren Leistung im Wege einer Gegenüberstellung mit der schlechteren Leistung namentlich genannter Mitbewerber an Hand objektiv überprüfbarer Daten grundsätzlich für zulässig, sofern es nicht iS des § 2 UWG zur Irreführung geeignet ist oder - etwa durch Pauschalabwertungen, unnötiges Bloßstellen oder aggressive Tendenzen - das Sachlichkeitsgebot verletzt und damit
gegen § 1 UWG verstößt (SZ 63/101 = ÖBl 1990, 154 - Media-Analyse
1988; SZ 68/89 = MR 1995, 190 - Teure S 195.-; ÖBl 1995, 267 -
Media-Markt; ÖBl 1996, 28 - Teure S 185.-; ÖBl 1998, 178 - Dualwerbung; ÖBl 1998, 238 - Zocord "R"). Die Beklagte gesteht zu, daß den (von ihr nicht verwendeten) Begriffen "Zwerg" oder "mißratener Bruder" im Zusammenhang mit der Beklagten eine bloßstellende Abwertung innewohne. Gleichermaßen liegt aber auch der Bezeichnung der Klägerin als "kleiner Bruder" (und nicht als "jüngerer Bruder", welcher Begriff beispielsweise denselben Gedanken in rein sachlicher Form ausdrückt) im Zusammenhang damit, daß ihn "kaum jemand hört", in ihrem Kern eine abschätzige und unnötig abwesende Tendenz zugrunde. Diese Wortwahl ist nämlich herabsetzend und verspottend, und in ihr kommt auch eine pauschale Überlegenheit der Beklagten zum Ausdruck, die allein durch objektive Reichweitedaten nicht gerechtfertigt ist; mehr als sieben Prozent Hörerreichweite innerhalb der ersten Sendewoche sind nämlich keine völlig unbedeutende Größe.
Das Argument der Beklagten, sie habe mit dieser Äußerung nur auf wettbewerbswidrige Äußerungen der Klägerin in Form eines "Abwehr- oder Aufklärungsvergleiches" reagiert, ist nicht grundsätzlich unbeachtlich; reine Abwehrmaßnahmen gegen unzulässigen Wettbewerb sind nämlich milder zur beurteilen als Angriffshandlungen (stRsp ua ÖBl 1978, 148 - Milch-Preisschleuderei; ÖBl 1979, 97 - Somat, jeweils mwN). Ob eine Wettbewerbshandlung unter dem Gesichtspunkt der Abwehr erforderlich ist, läßt sich nur aufgrund einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles beurteilen. Erlaubt ist eine Abwehrmaßnahme nur dann, wenn sie sich im Rahmen des zur Bekämpfung des Angriffs Gebotenen hält. Sie muß erforderlich, zur Abwehr tauglich und adäquat sein. Entscheidend ist demnach, ob sich die Abwehr nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen hält (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht20 EinldUWG Rz 359ff mwN; s ua ÖBl 1988, 6 - GFK-Schachtboden; MR 1989, 216 [Korn] = ÖBl 1990, 103 - Reiseveranstalter-Boykott; MR 1991, 245 [Korn] - Rettet die Eiche). Auch ein Wettbewerbsverstoß von Mitbewerbern berechtigt demnach nicht dazu, selbst einen solchen Verstoß zu begehen (SZ 62/147 = MR 1990, 29 = ÖBl 1990, 7 = WBl 1990, 25 - Rupertitag mwN).
Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, so muß der Beklagten zwar zugebilligt werden, die durch eine wettbewerbswidrige Werbung der Klägerin (etwa zu ihrer Hörerreichweite) Angelockten sachlich aufzuklären. Eine berechtigte Abwehrmaßnahme liegt allerdings nur insoweit vor, als sich der Inhalt der "Gegenaufklärung" darauf beschränkt, über die wahre Sachlage aufzuklären. Soweit ihr Inhalt hingegen wettbewerbswidrig ist, weil (zB) die Leistungen des Mitbewerbers pauschal herabgesetzt werden, sind die Grenzen einer zulässigen Abwehrmaßnahme überschritten und das Verhalten ist als wettbewerbswidrig zu beurteilen (so zuletzt auch 4 Ob 129/98v).
Die unter c) begehrte Unterlassung wurde jedoch von den Vorinstanzen zutreffend abgewiesen, weil die in dieses Begehren aufgenommene Bedingung ("...wenn die dieser Behauptung zugrundeliegende Marktstudie auf Befragungen im Zeitraum vom 1. bis 5. April 1998...basiert") nach dem Ergebnis des Bescheinigungsverfahrens nicht erfüllt ist, haben doch die Befragungen erst am 2. April 1998 begonnen. Die Klägerin bringt zu diesem Punkt in ihrem Rechtsmittel auch nichts Näheres vor.
Dem Revisionsrekurs war deshalb teilweise Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 43, 50 ZPO. Die Klägerin ist mit ihrem Sicherungsantrag mit zwei von drei beanstandeten Äußerungen durchgedrungen; mangels anderer Anhaltspunkte für die Bewertung sind die den Gegenstand des Verfahrens bildenden drei Äußerungen jeweils mit gleichen Teilen des Streitwertes für das Unterlassungsbegehren zu bewerten (vgl. 4 Ob 95/98v).
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