Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 24.997,50 S (darin 4.166,25 S USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist österreichweit auf dem Gebiet des Einzelhandels mit Sehbehelfen tätig. Die Erstbeklagte, deren Geschäftsführer der Zweitbeklagte ist, ist ein Handelsunternehmen, das unter anderem auch Brillen für Letztverbraucher anbietet.
Auf der Titelseite des Farbteiles der Sonntagsausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 13. 9. 1998 warben die Beklagten unter der Überschrift "Klare Sicht für alle Kinder" sowie "Eine Brillenaktion von Krone und H*****" und einem Pfeil mit dem Wort "gratis" für ihre Produkte. Die Aktion wurde im Blattinneren auf einer Doppelseite unter der Überschrift "Klare Sicht in die bunte Kinderwelt" unter anderem wie folgt näher erläutert: "Wenn die Nasen immer tiefer sinken, dann muß es sich nicht unbedingt um eine spannende Lektüre handeln: Viele Kinder haben Schwierigkeiten, scharf zu sehen, und mogeln sich durch ihren Alltag. Das muß nicht sein! Die 'Krone' und 'H***** Optik' wollen für Durchblick sorgen. (..) Die 'Krone' und 'H***** Optik' wollen im Rahmen dieser Aktion mit alten Vorurteilen aufräumen. Und damit sich jedes Kind, aber auch wirklich jedes in ganz Österreich selbst davon überzeugen kann, daß eine Brille nicht nur Sinn macht, sondern auch Spaß, kann es sich in den 'H***** Optik'-Filialen selbst eine aussuchen. Und zwar gratis!! Zuerst allerdings muß ein Augenarzt feststellen, ob Fehlsichtigkeit vorliegt. Wenn ja, gibt's eine ärztliche Verordnung. Mit dieser und dem Coupon - entweder von dieser Seite oder einem, der in jeder 'H*****-Filiale' aufliegt - geht's zum 'H*****'-Optiker, und dann heißt's nur noch: Wer die Wahl hat, hat die Qual! Denn die Kinderbrillen von heute sind fetzig, modern, ultraleicht, unzerbrechlich. (...)". Auf Seite 13 der Ausgabe ist auch ein Gutschein mit folgendem Aussehen abgedruckt:
In Radiowerbespots werben die Beklagten mit den Worten, die Erstbeklagte würde Kindern "Kinderbrillen schenken". Im Rahmen dieser Aktion rechnet die Erstbeklagte die Kinderbrillen mit der jeweiligen Krankenkasse ab und vereinnahmt die Kassenleistung. Nach einem zwischen dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft abgeschlossenen Gesamtvertrag sind Optiker zum Inkasso der Versicherungsleistung für ärztlich verordnete und von ihnen gelieferte Sehbehelfe berechtigt.
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, zu behaupten oder den Anschein zu erwecken, in den Filialen der Erstbeklagten würden Kinderbrillen gegen Vorlage eines ärztlichen Attestes gratis abgegeben. § 137 Abs 4 lit a ASVG verpflichte den jeweiligen Versicherungsträger, die Kosten für Sehbehelfe jedenfalls dann voll zu ersetzen, wenn es sich um Versicherte oder deren Angehörige handle, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten. Vor diesem gesetzlichen Hintergrund bedeuteten die Ankündigungen der Beklagten eine Täuschung der Kunden, die davon ausgingen, Gratisbrillen für Kinder gäbe es nur bei der Erstbeklagten. Es sei sittenwidrig, eine Leistung als die eigene auszugeben, wenn sie in Wirklichkeit von den Sozialversicherungsträgern erbracht und letztlich vom Versicherten selbst finanziert würde. Das Verhalten der Beklagten sei darüber hinaus als Behinderungswettbewerb zu beurteilen, der zu Marktverstopfung führe.
Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsantrages. Sie hätten ausreichend klargestellt, daß die Kinderbrillen ohne Aufpreis nur gegen Vorlage einer augenärztlichen Verordnung abgegeben würden. Die Krankenversicherungsträger seien nur zum Ersatz von Sehbehelfen in einfacher und zweckentsprechender Ausführung verpflichtet; faktisch würden aus diesem Grund auch von der Klägerin und ihren Mitbewerbern keine Kinderbrillen mit vollem Kostenersatz nach ASVG verkauft, weil die Eltern zu attraktiveren Brillenmodellen griffen, um ihre Kinder zum Tragen der Brille zu motivieren. Eine Marktsättigung sei nicht zu befürchten, stehe es doch den Mitbewerbern frei, Kinderbrillen generell zum Kassentarif abzugeben. Das Unterlassungsbegehren sei jedenfalls zu weit gefaßt, weil es die in der Klageerzählung selbst angeführte Einschränkung, "wenn nicht gleichzeitig klargestellt wird, daß solche Brillen ohnehin von der Krankenkasse bezahlt werden", nicht enthalte.
Das Erstgericht erließ - soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Interesse - die einstweilige Verfügung im Sinne des Sicherungsantrages. Die Ankündigung, Kinderbrillen gratis abzugeben, sei irreführend, wenn für die Brillen zugleich Kassenleistungen vereinnahmt würden. Das Unterlassungsgebot sei auch nicht zu weit gefaßt, wäre es doch ein Widerspruch in sich, anzukündigen, Kinderbrillen gratis abzugeben, und zugleich klarzustellen, daß solche Brillen von der Krankenkasse bezahlt würden.
Das Rekursgericht schränkte das Unterlassungsgebot - wie von den Beklagten gefordert - auf den Fall ein, daß nicht gleichzeitig klargestellt werde, daß solche Brillen mit dem Krankenversicherungsträger verrechnet werden. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. "Gratis" sei im Sinne von Unentgeltlichkeit und völliger Kostenfreiheit zu verstehen; werbe ein Unternehmen mit der Abgabe von Gratisbrillen, dürften die maßgeblichen Verkehrskreise diese Ankündigung dahin verstehen, daß das Unternehmen nicht einmal ein die Selbstkosten deckendes Entgelt erhalte. Reiche die Erstbeklagte die ihren Kunden abverlangte augenärztliche Verschreibung aber beim jeweiligen Sozialversicherungsträger ein, werde diese Erwartung der Kunden enttäuscht; das werbende Unternehmen habe dann nämlich von vorneherein die ihm zufließende Geldleistung Dritter einkalkuliert und werbe mit unrichtigen Angaben. Der hervorgerufene falsche Eindruck sei auch geeignet, die angesprochenen Interessenten zugunsten des beworbenen Angebotes zu beeinflussen. In das Unterlassungsgebot sei aber die von den Beklagten reklamierte Einschränkung aufzunehmen gewesen, verstoße doch die Gratisabgabe von Kinderbrillen jedenfalls dann nicht gegen § 2 UWG, wenn dafür keinerlei Entgelt vereinnahmt werde. Ein unbeschränktes Unterlassungsgebot wegen Marktverstopfung im Sinne des § 1 UWG sei nicht zu erlassen, weil das Begehren bloß auf die Unterlassung von Behauptungen gerichtet sei, eine Verstopfung des Marktes für Kinderbrillen aber jedenfalls nur durch die tatsächliche Abgabe der Brillen bewirkt werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil zur Fassung eines Unterlassungsbegehrens bei einem vergleichbaren Sachverhalt höchstgerichtliche Rechtsprechung fehlt; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
Die Klägerin bekämpft die einstweilige Verfügung, soweit das Rekursgericht ihren Sicherungsantrag durch den Zusatz ergänzt hat, "wenn nicht gleichzeitig klargestellt wird, daß solche Brillen mit dem Krankenversicherungsträger verrechnet werden". Sie vertritt dazu die Auffassung, ihr Unterlassungsbegehren sei nicht zu weit gefaßt, weil es den Kern der Verletzungshandlung umfasse und hinreichend bestimmt sei; auch schreibe es keine Unterlassungen vor, zu denen die Beklagten bei richtiger Auslegung des materiellen Rechts nicht verpflichtet wären. Schon aus Gründen der sittenwidrigen Marktverstopfung sei die Gratisabgabe von Kinderbrillen gegen Vorlage von ärztlichen Attesten wettbewerbswidrig.
Gegenstand des Unterlassungsantrages und des Unterlassungsgebotes ist immer nur die konkrete Verletzungshandlung; eine gewisse allgemeine Fassung des Unterlassungsgebotes - allerdings oft im Verein mit konkreten Einzelverboten - ist aber meist schon deshalb notwendig, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 Rz 9 zu § 34 mwN; ÖBl 1996, 127 - Feuerlöschgeräte). Die Frage, ob ein Unterlassungsbegehren zu weit ist, muß nach materiellem Recht beurteilt werden (Deimbacher, Wie weit darf ein Unterlassungsbegehren gefaßt sein? ÖBl 1980, 36; Danelzik, § 139 ZPO - Die "Magna Charta" des Zivilprozesses. Reichweite und Grenzen richterlicher Mitwirkung bei der Formulierung von Unterlassungsanträgen, WRP 1999, 18 ff, 20). Das Gericht ist auch berechtigt und verpflichtet, dem Urteilsspruch eine klarere und deutlichere, selbst vom Begehren abweichende Fassung zu geben, sofern diese in den Behauptungen des Klägers ihre eindeutige Grundlage findet und sich im wesentlichen mit seinem Begehren deckt (Koppensteiner aaO; stRsp ua ÖBl 1973, 56 - Linzer Hochhaus; ÖBl 1981, 159 [Schönherr] - Gae-Wolf-Jacken; SZ 65/49 = MR 1992, 238 [Walter] - Servus Du; Rechberger in Rechberger, ZPO § 405 Rz 2 mwN).
Dem Rekursgericht ist darin zuzustimmen, daß der von der Klägerin formulierte Sicherungsantrag jedenfalls zu weitreichend ist, würde ein solcherart gefaßtes Unterlassungsgebot den Beklagten doch selbst dann die Behauptung verbieten, Kinderbrillen gratis abzugeben, wenn sie dafür auch von dritter Seite keinerlei Entgelt vereinnahmen. Eine solche Ankündigung wäre aber - entgegen der Auffassung der Klägerin - nach materiellem Recht auch nicht unter dem Aspekt der Marktverstopfung unter allen Umständen verboten. Der Markt kann nur "verstopft" werden, wenn das in Frage stehende Angebot quantitativ ausreicht, den freien Wettbewerb auszuschalten (Koppensteiner aaO Rz 38 zu § 33; SZ 61/5 = WBl 1988, 195 = MR 1988, 56 [Korn] = ÖBl 1988, 69 - Zeitungs-Super-Angebot); dies kann bei einer - wie hier auf wenige Monate - befristeten Aktion nicht von vorneherein unterstellt werden. Allein aufgrund der Unentgeltlichkeit einer gewöhnlich nur gegen Entgelt erbrachten Leistung liegt noch keine wettbewerbswidrige Marktstörung vor (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht20 Rz 832 zu § 1 UWG). Die Beweislast für das Vorliegen besonderer Umstände, die zu einer Behinderung durch die Gefahr einer Marktverstopfung führen,
liegt aber bei der Klägerin (4 Ob 417/77; SZ 61/5 = WBl 1988, 195 =
MR 1988, 56 [Korn] = ÖBl 1988, 69 - Zeitungs-Super-Angebot; 4 Ob
102/91), die kein Vorbringen in diese Richtung erstattet hat.
Die Rechtsmittelwerberin vertritt die Ansicht, selbst die vom Rekursgericht vorgenommene Einschränkung ihres Unterlassungsantrages stelle die schon ursprünglich irreführenden und unrichtigen Werbeaussagen der Beklagten nicht richtig; die gesetzlichen Sozialversicherungsleistungen würden nämlich aus den Beiträgen der Pflichtversicherten finanziert, sodaß die Kinderbrillen insofern für die Kunden der Beklagten nicht gratis seien. Der Hinweis auf eine "gratis-"Verrechnung mit dem Sozialversicherungsträger ändere somit an der Irreführungseignung der Ankündigung nichts, solange dem Verkäufer ein Entgelt - wenn auch von dritter Seite - zufließe. Ein nicht unerhebliches Täuschungspotential liege weiters darin, daß die angesprochenen Verkehrskreise trotz des einschränkenden Zusatzes weiterhin nicht wüßten, daß auch andere Optiker Kinderbrillen mit den Krankenkassen (gemeint: zur Gänze) verrechneten und daß dieser Verrechnung ein zwingender gesetzlicher Anspruch (und nicht etwa eine besondere Absprache zwischen den Beklagten und den Sozialversicherungsträgern) zugrundeliege.
Eine Ankündigung verstößt dann gegen § 2 UWG, wenn sie nach ihrem Gesamteindruck bei flüchtiger Betrachtung durch einen Kunden mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit irrige Vorstellungen erwecken kann (stRsp ua ÖBl 1997, 20 - Steirischer Medienjumbo mwN). Wird die Werbung für die Gratisabgabe von Kinderbrillen mit dem erläuternden Hinweis verbunden, daß die Brillen mit dem Krankenversicherungsträger verrechnet werden, kann ein durchschnittlich verständiger Adressat (ÖBl 1996, 130 - Preiß'n Kracher I mwN) daraus unschwer ableiten, daß dem Unternehmen von dritter Seite ein Entgelt für die von ihm erbrachten Leistungen zufließt; ebenso ist für den genannten Personenkreis auch ohne umfangreiche Gedankenoperation nachvollziehbar, daß Krankenversicherungträger durch die Beiträge der bei ihnen Versicherten (mit-)finanziert werden. Eine Ankündigung mit dem vom Rekursgericht geforderten aufklärenden Zusatz ist somit nicht geeignet, beim relevanten Interessentenkreis unrichtige Vorstellungen über die wirklichen Verhältnisse auszulösen.
Angaben sind nicht schon deshalb zur Irreführung geeignet, weil sie unvollständig sind; eine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit von Werbeaussagen besteht nämlich nicht (Baumbach/Hefermehl aaO Rz 47 zu § 3 UWG; WBl 1990, 82 = MR 1990, 27; ÖBl 1982, 126 - Nacht & Tag). Im Verschweigen einer Tatsache liegt dann eine irreführende Angabe, wenn für den Werbenden eine Aufklärungspflicht besteht. Eine solche Pflicht kann sich aus der besonderen Bedeutung ergeben, die der verschwiegenen Tatsache nach der Auffassung des Verkehrs für den Kaufentschluß zukommt, so daß das Verschweigen geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen (Baumbach/Hefermehl aaO Rz 47 f zu § 3 UWG mwN). Eine Aufklärungspflicht besteht insbesondere dann, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird (stRsp ua ÖBl 1998, 289 - H-Express mwN; ÖBl 1996, 28 - Teure S 185.- mwN). Dies ist hier nicht der Fall. Die Beklagten rühmen sich in ihrer Ankündigung keiner Alleinstellung; daß sie sich nur mit ihrem eigenen Angebot befassen, ohne auf allenfalls bestehende gleichartige Angebote von Mitbewerbern hinzuweisen, begründet daher noch keinen falschen Gesamteindruck. Eine allgemeine Verpflichtung eines Unternehmers, seine Kunden stets auf eine mögliche gesetzliche Anspruchsgrundlage gegenüber Dritten für die von ihm zu erbringende Leistung (hier: § 137 Abs 4 lit a ASVG) hinzuweisen, besteht nicht. Die vom Rekursgericht neu formulierte Fassung des Unterlassungsgebotes ist daher auch unter diesen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.
Dem Revisionsrekurs war deshalb ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1, § 52 ZPO. Die Klägerin hat ihr (zweiteiliges) Unterlassungsbegehren einheitlich mit 2,000.000 S bewertet; der Sicherungsantrag bezieht sich nur auf einen Teil davon, auf den im Zweifel die Hälfte des Streitwertes entfällt (MR 1991, 35 - Aktionsverband ua).
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