European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00217.17S.1221.000
Spruch:
Das mit Beschluss vom 12. Juli 2016, AZ 4 Ob 223/15w, unterbrochene Revisionsverfahren bleibt bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens AZ 11 Cg 203/09d des Handelsgerichts Wien unterbrochen.
Die Fortsetzung dieses Revisionsverfahrens erfolgt nur auf Antrag.
Begründung:
Der Kläger ist Inhaber der Unionswortmarke „Baucherlwärmer“ für die Klassen 5, 29, 30 und 33 des Nizzaer Klassifikationsübereinkommens mit Priorität 17. 5. 2005. Er vertreibt einen Kräuteransatz, den er etwa ab dem Jahr 2000 als „Baucherlwärmer“ bezeichnete. Auch die Beklagte bietet eine Kräutermischung zum Ansetzen in hochprozentigem Alkohol an, die sie ebenfalls mit „Baucherlwärmer“ kennzeichnet. Der Kläger hat sich die Marke schützen lassen, um sich Ausschließlichkeitsrechte daran zu sichern.
Der Kläger begehrt – gestützt auf seine Unionsmarke – (zusammengefasst), die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, das Zeichen „Baucherlwärmer“ für die Waren und Dienstleistungen der näher bezeichneten Klassen zu benutzen. Weiters begehrt er Beseitigung und Urteilsveröffentlichung.
Die Beklagte wendete ein, die Unionsmarke des Klägers kollidiere mit ihrem älteren, nicht registrierten Zeichen. Im Übrigen sei der Begriff „Baucherlwärmer“ beschreibend und es komme ihm keine Kennzeichnungskraft zu. Der Markenrechtserwerb durch den Kläger sei sittenwidrig und bösgläubig erfolgt. Sie erhob eine Widerklage auf Nichtigerklärung der Unionsmarke des Klägers.
Das Erstgericht unterbrach das Verfahren über die Widerklage bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegenständlichen Verfahrens über die Verletzungsklage. Der Unterbrechungsbeschluss wurde im Rechtsmittelweg behoben. Mittlerweile erging zu AZ 11 Cg 203/09d des Handelsgerichts Wien ein (mit Berufung angefochtenes) Urteil erster Instanz, mit dem die Unionsmarke als nichtig erklärt wurde.
Die hier verfahrensgegenständliche Verletzungsklage wies das Erstgericht (im zweiten Rechtsgang) wegen bösgläubiger Markenrechtsanmeldung des Klägers ab. Die übrigen Einwände der Beklagten wurden bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig verworfen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach Art 99 UMV sei der Einwand der Böswilligkeit des Markeninhabers im Verletzungsstreit schon dann zulässig, wenn die Rechtsgültigkeit der Unionsmarke durch den Beklagten mit einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit angefochten werde. Die Entscheidung über eine solche Widerklage werde nicht vorausgesetzt. Die Unterbrechung des Verfahrens über die Widerklage möge zwar unzweckmäßig gewesen sein, weil die Frage, ob der Kläger bei der Anmeldung seiner Unionsmarke bösgläubig gewesen sei, nur im Verfahren über die Widerklage die Hauptfrage sei, während es sich im Verletzungsstreit dabei nur um eine Vorfrage handle, sodass die Entscheidung über die Widerklage Bindungswirkung im Verletzungsstreit entfalten würde, umgekehrt aber nicht die Beurteilung der genannten Vorfrage im Verletzungsstreit für das Verfahren über die Widerklage. Das ändere aber nichts daran, dass dem Erfordernis des Art 99 Abs 1 UMV einer Anfechtung der Rechtsgültigkeit der Unionsmarke durch eine Widerklage der Beklagten des Verletzungsstreits hier entsprochen worden sei. Daher sei der Einwand der Beklagten, der Kläger sei bei der Anmeldung der Marke böswillig gewesen, vom Erstgericht zu Recht geprüft worden.
Bei der Anmeldung seiner Unionsmarke habe der Kläger schon seit langem gewusst, dass die Beklagte und davor ihr Vater für eine ganz gleichartige Ware das dann von ihm angemeldete Zeichen „Baucherlwärmer“ verwendet habe. Der Kläger habe mit der Anmeldung beabsichtigt, die Beklagte an der weiteren Verwendung dieses Zeichens zu hindern. Die Unionsmarke des Klägers sei daher gemäß Art 52 Abs 1 lit b UMV nichtig. Der Kläger könne sich der Beklagten gegenüber auf diese Unionsmarke somit nicht berufen.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, der Klage stattzugeben; in eventu wurde ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger macht unter anderem geltend, die Vorinstanzen hätten ohne Verfahrensverbindung bzw ohne rechtskräftige Entscheidung im Widerklageverfahren die Frage der Bösgläubigkeit im Verletzungsverfahren nicht prüfen dürfen.
In der nach Zulassung durch den Senat eingebrachten Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, die Revision zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Senat hat mit Beschluss vom 12. 7. 2016 zu AZ 4 Ob 223/15w das Verfahren unterbrochen und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Darf eine Klage wegen Verletzung einer Unionsmarke (Art 96 lit a VO [EG] 207/2009 idF VO [EU] 2015/2424) aufgrund des Einwands der böswilligen Markenrechtsanmeldung (Art 52 Abs 1 lit b VO [EG] 207/2009 idF VO [EU] 2015/2424) abgewiesen werden, wenn der Beklagte zwar eine damit begründete Widerklage auf Nichtigerklärung der Unionsmarke erhoben (Art 99 Abs 1 VO [EG] 207/2009 idF VO [EU] 2015/2424), das Gericht über diese Widerklage aber noch nicht entschieden hat?
2. Wenn nein: Darf das Gericht die Verletzungsklage aufgrund des Einwands der böswilligen Markenrechtsanmeldung abweisen, wenn es zumindest zugleich der Widerklage auf Nichtigerklärung stattgibt, oder hat es mit der Entscheidung über die Verletzungsklage jedenfalls bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Widerklage zuzuwarten?
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Vorlagefragen im Urteil vom 19. 10. 2017, C-425/16 , wie folgt beantwortet:
1. Art 99 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke ist dahin auszulegen, dass eine bei einem Unionsmarkengericht nach Art 96 lit a dieser Verordnung erhobene Verletzungsklage wegen eines absoluten Nichtigkeitsgrund es wie des in Art 52 Abs 1 lit b der Verordnung vorgesehenen nicht abgewiesen werden darf, ohne dass dieses Gericht der vom Beklagten des Verletzungsverfahrens gemäß Art 100 Abs 1 der Verordnung erhobenen und auf denselben Nichtigkeitsgrund gestützten Widerklage auf Nichtigerklärung stattgegeben hat.
2. Die Verordnung Nr 207/2009 ist dahin auszulegen, dass sie es nicht verbietet, dass das Unionsmarkengericht die Verletzungsklage nach Art 96 lit a dieser Verordnung wegen eines absoluten Nichtigkeitsgrundes wie des in Art 52 Abs 1 lit b der Verordnung vorgesehenen abweisen darf, obwohl die Entscheidung über die gemäß Art 100 Abs 1 der Verordnung erhobene und auf denselben Nichtigkeitsgrund gestützte Widerklage auf Nichtigerklärung nicht rechtskräftig ist.
Somit ist es (auch) nach den Ausführungen des EuGH unzulässig, eine Klage wegen der Verletzung einer Unionsmarke wegen bösgläubiger Anmeldung der Marke abzuweisen, ohne dass das Gericht der auf denselben Nichtigkeitsgrund gestützten Widerklage des Beklagten stattgegeben hat.
Nach Ansicht des EuGH enthält die UMV weder eine Regelung, die verlangen würde, dass die Entscheidung, mit der der Widerklage auf Nichtigerklärung stattgegeben wurde, rechtskräftig sein muss, damit das Unionsmarkengericht die Verletzungsklage abweisen kann, noch eine Regelung, die es diesem Gericht untersagen würde, abzuwarten, bis die Entscheidung, mit der der Widerklage auf Nichtigerklärung stattgegeben wurde, rechtskräftig geworden ist, um die Verletzungsklage abzuweisen (EuGH C-425/16 R z 38). Um die Beeinträchtigung der Einheitlichkeit der Unionsmarke durch allenfalls widersprüchliche Entscheidungen (vgl EuGH C-425/16 R z 28, 33) hintanzuhalten, erscheint es im Anlassfall sinnvoll, die rechtskräftige Erledigung des Verfahrens über die Widerklage abzuwarten. Es war deshalb auszusprechen, dass das Revisionsverfahren aus diesem Grund unterbrochen bleibt.
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