Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 28. 3. 1996, 9 C 2157/94v-33, war der Wiederaufnahmskläger zur Zahlung von S 100.000 sA an die Wiederaufnahmsbeklagte verpflichtet worden. Nach den Urteilsfeststellungen hatte er sich verpflichtet, Rückzahlungen für Darlehen zu übernehmen, die die nunmehrige Beklagte zur Finanzierung von Erwerb und Umbau eines Lokals zu seinen Gunsten aufgenommen hatte.
Mit seiner am 11.12.1997 eingelangten Wiederaufnahmsklage begehrt der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens. Die Beklagte habe ihn wegen desselben Sachverhalts neuerlich zu 3 Cg 177/97i des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien geklagt. Sie begehre weitere angeblich von ihr gezahlte Raten. Um den Klageanspruch abwehren zu können, habe er sich auf Anraten seines nunmehrigen Rechtsvertreters bemüht, neue Beweismittel ausfindig zu machen. Er sei seit 14. 11. 1997 in Kenntnis neuer Beweismittel. Dabei handle es sich um drei namentlich genannte Zeugen. Da er früher keine Kenntnis vom Wissen dieser Zeugen gehabt habe, sei er ohne sein Verschulden außerstande gewesen, diese neuen Beweismittel im wiederaufzunehmenden Verfahren geltend zu machen.
Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Streitverhandlung ungeeignet zurück. Der Wiederaufnahmskläger sei bereits im Verfahren 9 C 2157/94v des Bezirksgerichtes Favoriten mit dem Prozeßvorbringen (der behaupteten Vereinbarung über die Rückzahlung von Darlehensraten) konfrontiert gewesen. Aufgrund dessen hätte er Ermittlungen in jenem (von vornherein beschränkten) Personenkreis, der eigene Wahrnehmungen zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt hätte machen können, anstellen müssen. Indem er derartige Ermittlungen unterlassen habe, habe er kraß gegen die ihn treffende Diligenzpflicht verstoßen. Sein Verschulden ergebe sich bereits aus dem Klagevorbringen, so daß die Klage im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen sei.
Das Rekursgericht bestätigte die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Unterlassung der Namhaftmachung eines Zeugen ein Verschulden im Sinn des § 530 Abs 2 ZPO bewirke, wenn dieser vorgegeben habe, nichts zu wissen, nachträglich aber sein Wissen kundgetan habe.
Das Rekursgericht führte aus, es sei nicht Aufgabe der Partei, vor Beweisanträgen abzuwägen, inwieweit die Aussage eines Zeugen ihrem Prozeßstandpunkt dienlich sein werde und nach diesen Kriterien Beweisanträge zu stellen oder zu unterlassen. Die prozessuale Diligenzpflicht gebiete es, alle denkbaren und zumutbaren Beweismittel zu nennen bzw beizuschaffen. Habe der Wiederaufnahmskläger von der Existenz eines Zeugen Kenntnis, diesen sogar gefragt, ob er etwas wisse und seine Aussage so eingeschätzt, daß ihm der Beweisantrag nicht opportun erschienen sei, müsse in der Unterlassung eines Beweisantrages ein Verschulden erblickt werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Wiederaufnahmsklägers ist nicht berechtigt.
Wie schon im Rekurs gegen die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage macht der Kläger auch im Revisionsrekurs geltend, er habe wohl von der Existenz der nun beantragten Zeugen gewußt, jedoch davon ausgehen müssen, daß sie mangels relevanten Wissens nicht helfen könnten. Sie hätten damals gesagt, nichts zu diesem Prozeß zu wissen. Der Vorwurf, er habe keine Erhebungen angestellt und seine Diligenzpflicht grob verletzt, sei damit ungerechtfertigt. Mit diesem Rechtsmittelvorbringen ist der Kläger zum Scheitern verurteilt:
Gemäß § 538 Abs 1 ZPO hat das Gericht vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über eine Wiederaufnahmsklage zu prüfen, ob diese auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt ist und in der gesetzlichen Frist erhoben wurde. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse oder ist die Klage wegen eines der im § 230 Abs 2 ZPO angeführten Gründe unzulässig, ist sie als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurückzuweisen. Diese Prüfung vereinigt in sich die Funktion der Zulässigkeitsprüfung nach § 230 ZPO mit Elementen der Vorprüfung im Rechtsmittelverfahren im Sinn des § 471 ZPO (EvBl 1992/77, 6 Ob 558/94, 1 Ob 375/97x; Fasching IV, 540; derselbe, Lehrbuch2 Rz 2084).
Nach § 530 Abs 2 ZPO ist eine auf die behauptete Kenntnis neuer Beweismittel gestützte Wiederaufnahmsklage nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die neuen Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung, auf welche das Urteil erster Instanz erging, geltend zu machen. Die Wiederaufnahmsklage ist nämlich nicht dazu bestimmt, von den Parteien begangene Fehler ihrer Prozeßführung zu beheben (SZ 59/14, 6 Ob 558/94; 1 Ob 375/97x; Fasching aaO Rz 2067). Ein Verschulden im Sinn des § 530 Abs 2 ZPO liegt vor, wenn die Partei im Hauptprozeß bereitstehende Beweismittel nicht anbietet, insbesondere auch Zeugen zu führen unterläßt, von denen sie voraussetzen mußte, daß ihnen die zu erweisenden Tatsachen bekannt sind (MietSlg 39.795, 1 Ob 375/97x mwN; Fasching IV 518 f). Sie verletzt damit ihre prozessuale Diligenzpflicht (Kodek in Rechberger ZPO Rz 5 zu § 530 mwN). Die einer Prozeßpartei vorzuwerfende Unterlassung stellt einen Verstoß gegen ihre prozessualen Pflichten dar; die Wiederaufnahme kann nicht zur Nachholung dieses prozessualen Vorbringens bewilligt werden (1 Ob 375/97x).
Für das fehlende Verschulden im Sinn des § 530 Abs 2 ZPO ist der Wiederaufnahmskläger behauptungs- und beweispflichtig (1 Ob 375/97x mwN). Kommt er dieser Pflicht in der Klage nicht nach, ist seine Klage nach § 538 Abs 1 ZPO durch Beschluß zurückzuweisen (EvBl 1972/78; 1 Ob 375/97x; Fasching IV 520). Ergibt sich schon aus den Tatsachenbehauptungen in der Klage ein Verschulden des Wiederaufnahmsklägers an der unterlassenen Geltendmachung der neuen Tatsachen und Beweismittel, ist daher eine mündliche Verhandlung überflüssig und die Zurückweisung der Klage im Vorprüfungsverfahren möglich (Fasching IV 520 derselbe aaO Rz 2067; Kodek in Rechberger ZPO Rz 1 zu § 538; stRsp RIS-Justiz RS0044558).
Im Vorprüfungsverfahren ist demnach zu beurteilen, ob die Behauptungen des Klägers ausreichen, den geltend gemachten Wiederaufnahmegrund und das fehlende Verschulden des Klägers ausreichend schlüssig darzutun. Das Vorbringen des Klägers im vorliegenden Fall war in sich schlüssig nicht erkennbar unvollständig und wies weder formelle noch inhaltliche Mängel auf, sodaß das Erstgericht nicht gehalten war, ein Verbesserungsverfahren einzuleiten. Daraus ergibt sich aber ein Verstoß gegen die prozessuale Diligenzpflicht und damit ein Verschulden des Wiederaufnahmsklägers an der unterlassenen Namhaftmachung von Zeugen. Wie schon das Erstgericht zutreffend ausführte, war der Wiederaufnahmskläger schon im Vorprozeß mit denselben Behauptungen wie im Folgeprozeß konfrontiert und hätte sich daher - bei Beachtung der erforderlichen prozessualen Diligenzpflicht - schon damals um die Beibringung aller zweckdienlichen Beweismittel bemühen müssen. Daß die als Zeugen in Frage kommenden Personen ihm gegenüber angegeben hätten, nichts zu wissen, wurde in der der Zulässigkeitsprüfung unterliegenden Klage nicht behauptet. Die im Rekurs (und Revisionsrekurs) vorgebrachten Neuerungen müssen als unbeachtlich außer Betracht bleiben.
Ist aber bereits aufgrund der Klageangaben von einem (verschuldeten) Verstoß gegen die einer jeden Prozeßpartei obliegende Diligenzpflicht auszugehen, erfolgte die Zurückweisung im Vorprüfungsverfahren nach § 538 ZPO zu Recht. Ob die Auffassung des Rekursgerichtes, wonach die prozessuale Diligenzpflicht es gebiete, alle denkbaren und zumutbaren Beweismittel auch dann zu nennen bzw beizuschaffen, wenn sich der Kläger davon aufgrund seines Wissenstandes (hier eines Gespräches mit dem betreffenden Zeugen) keinen Erfolg verspreche, gebilligt werden könnte, ist mangels eines entsprechenden Vorbringens in der Wiederaufnahmsklage unerheblich.
Der Revisionsrekurs ist aus diesen Erwägungen zurückzuweisen.
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