Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Gegnerinnen der Antragstellerin haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Antragstellerin ist Medieninhaberin und Verlegerin der Wochenzeitungen *****. Die Antragstellerin ist eine 100%-ige Tochter der S***** GmbH & Co KG. Die Geschäftsführer der beiden Unternehmen sind identisch.
Die Erstantragsgegnerin ist Medieninhaberin der Tageszeitung "N*****", die im Bundesland Salzburg als Mutationsausgabe unter dem Titel "S*****" erscheint. Die Drittantragsgegnerin ist Verlegerin der "N*****", die Zweitantragsgegnerin ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstantragsgegnerin; die Viertantragsgegnerin persönlich haftende Gesellschafterin der Drittantragsgegnerin.
In den Ausgaben der "S*****" vom 10. 3., 11. 3. und 12. 3. 1998 kündigten die Antragsgegnerinnen an, jedem Neuabonnenten der "K*****" unentgeltlich einen Toaster, eine Kaffeemaschine, einen Entsafter und ein Rasierset zu gewähren.
Wegen dieser Ankündigung brachte die - ebenfalls durch die Rechtsanwälte Ramsauer & Perner vertretene - S***** GmbH & Co KG zu 5 Nc 9/98f des Landesgerichtes Salzburg gegen dieselben Antragsgegnerinnen einen gleichlautenden Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ein. In diesem Verfahren boten die Antragsgegnerinnen unwiderruflich an, sich in einem jederzeit abzuschließenden gerichtlichen Unterlassungsvergleich dazu zu verpflichten, im geschäftlichen Verkehr die Ankündigung zu unterlassen, an Personen, die ein Jahresabonnement der "S*****" erwerben, unentgeltliche Zugaben, nämlich einen Toaster, eine Kaffeemaschine, einen Entsafter und ein Rasierset zu gewähren.
Die Antragstellerin begehrt, den Antragsgegnerinnen die Ankündigung zu untersagen, an Personen, die ein Jahresabonnement der "S*****" erwerben, unentgeltliche Zugaben, nämlich einen Toaster, eine Kaffeemaschine, einen Entsafter und ein Rasierset, zu gewähren. Die Antragsgegnerinnen kündigten unentgeltliche Zugaben an; sie verstießen damit gegen § 9a UWG.
Die Antragsgegnerinnen beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Mit dem Anbot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches im Verfahren 5 Nc 9/98f sei auch für das vorliegende Verfahren die Wiederholungsgefahr weggefallen. Der Antragstellerin fehle das Rechtsschutzinteresse, weil es ihrer Muttergesellschaft und damit auch der Antragstellerin bereits möglich sei, gegen derartige Wettbewerbsverstöße einzuschreiten.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Die Werbeaktion der Antragsgegnerinnen verstoße gegen § 9a Abs 1 Z 1 UWG. Das Vergleichsangebot im Parallelverfahren habe die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt. In einem Nc-Verfahren könne kein Vergleich abgeschlossen werden; die Antragstellerin erfahre auch erst nach Erlassung der einstweiligen Verfügung vom Vergleichsangebot, weil die Äußerung gleichzeitig mit der einstweiligen Verfügung zugestellt werde. Eine Gegenäußerung sei nicht vorgesehen.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Durch das Vergleichsangebot sei zwar die Wiederholungsgefahr nicht weggefallen; der Antragstellerin fehle jedoch das Rechtsschutzinteresse. Wegen der Verflechtung und der Identität der Organe sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die schutzwürdigen Interessen der Antragstellerin durch ihre Muttergesellschaft gewahrt werden. Es genüge zwar grundsätzlich nicht, daß die in einem Naheverhältnis stehende Person erst dabei ist, sich einen Titel zu verschaffen. Etwas anderes müsse aber gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - beide Unternehmen vom selben Rechtsanwalt vertreten werden und, gestützt auf denselben Sachverhalt, ein gleich formuliertes Begehren erheben. In einem solchen Fall sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, daß beide Verfahren gleich ausgehen, nachdem der Sachverhalt in beiden Verfahren unstrittig sei. Einziges Ziel der "konzertierten" Vorgangsweise sei erkennbar die Behinderung der Antragsgegnerinnen. Einer derartigen Prozeßführung fehle das Rechtsschutzbedürfnis.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, daß rechtliche Bindungen allein nicht genügten, um das Rechtsschutzbedürfnis verneinen zu können. Auch tatsächliche Bindungen müßten vorliegen; dazu hätten die Antragsgegnerinnen nichts behauptet. Sie hätten auch keine konkreten Umstände behauptet und bescheinigt, die darauf schließen ließen, daß es der Antragstellerin nicht um einen Exekutionstitel, sondern nur darum gehe, den Antragsgegnerinnen zu schaden.
Der Oberste Gerichtshof hat sich schon wiederholt mit der Frage befaßt, unter welchen Voraussetzungen das Rechtsschutzbedürfnis eines von mehreren Klageberechtigten zu verneinen ist: Das Rechtsschutzinteresse kann nur dann verneint werden, wenn im Einzelfall zwischen verschiedenen Klageberechtigten solche tatsächlichen oder rechtlichen Bindungen bestehen, daß nach der Lebenserfahrung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, die schutzwürdigen Interessen eines Klageberechtigten würden durch eine andere natürliche oder juristische Person, die schon über einen Unterlassungstitel verfügt, vollwertig gewahrt (stRsp ua SZ 63/21 = MR 1990, 103 = ÖBl 1990, 119 = WBl 1990, 243 - Zinsertragsteuer-Rückvergütung mwN; ecolex 1991, 22 - Konzernverflechtung; MR 1994, 34 - Singer-Werbung). In vorangegangenen Entscheidungen (ÖBl 1986, 102 - Nr. 1 im Fensterbau; ÖBl 1989, 14 - C & C-Markt; ÖBl 1990, 18 - Mafiaprint; ÖBl 1990, 151 - Die ganze Woche-Sparbuch) war unter Berufung auf Tetzner (Die Klagenhäufung im Wettbewerb, GRUR 1981, 803 [808]) noch ausgesprochen worden, daß es für den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses auch genüge, wenn die in einem Naheverhältnis stehende Person gerade dabei ist, sich einen entsprechenden Unterlassungstitel zu verschaffen.
Diese Auffassung hielt der erkennende Senat mit der Entscheidung SZ 63/21 = MR 1990, 103 = ÖBl 1990, 119 = WBl 1990, 243 - Zinsertragsteuer-Rückvergütung nicht mehr aufrecht, weil keinem Klageberechtigten zugemutet werden kann zuzuwarten, ob und wann ein anderer, mit dem er in einem bestimmten Naheverhältnis steht, mit seiner Klage Erfolg haben wird. Auch die auf Abweisung des Sicherungsbegehrens abzielende, nicht mit dem Hinweis auf andere Klageberechtigte begründete Einrede des mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses kann nur auf das Vorhandensein eines Exekutionstitels zugunsten desselben Klägers gestützt werden, nicht aber darauf, daß derselbe Kläger zur gleichen Zeit in einer anderen Klage ein inhaltsgleiches Begehren geltend mache. Umso weniger kann die bloße Klageführung eines Betroffenen jedem anderen Klagebefugten das schutzwürdige Interesse an einer eigenen Klageerhebung nehmen. Die Entscheidung verweist darauf, daß Tetzner (aaO 809 bei Besprechung der Entscheidung des OLG Düsseldorf GRUR 1973, 51) selbst das Rechtsschutzbedürfnis der 26 Antragsteller bejaht, die gleichzeitig Sicherungsanträge eingebracht haben, und meint, daß die anderen Anträge wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses abzuweisen gewesen wären, hätte auch nur einer der 26 Verletzten zunächst eine einstweilige Verfügung erwirkt. Auch den Ausführungen Tetzners kann somit nicht entnommen werden, daß auch solche Anträge, die zwar nach dem ersten Antrag, aber vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung bei Gericht eingelangt sind, zurückzuweisen wären.
In der zitierten Entscheidung hat der erkennende Senat demnach ausgesprochen, daß das Rechtsschutzbedürfnis vor Ergehen einer einstweiligen Verfügung keinesfalls verneint werden kann. Der - vom Rekursgericht aufgegriffene - Hinweis, daß dies insbesondere dann gelten muß, wenn die verschiedenen, miteinander wirtschaftlich oder rechtlich verbundenen Personen von verschiedenen Rechtsanwälten vertreten werden, die ihre Ansprüche zumindest teilweise unterschiedlich formulieren und begründen, so daß durchaus nicht mit Sicherheit der gleiche Ausgang aller Verfahren zu erwarten ist, bedeutet nicht, daß der Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses auf diesen Fall eingeschränkt wäre. Damit wird nur aufgezeigt, daß in vielen Fällen sogar offen ist, ob der Kläger des Parallelverfahrens einen Exekutionstitel erwirken wird. Aber selbst wenn dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könnte, muß das Rechtsschutzbedürfnis bejaht werden, solange kein Exekutionstitel besteht. Andernfalls wären gleichzeitig eingebrachte Klagen abzuweisen, weil das Gericht nicht willkürlich einen der Kläger bevorzugen könnte.
Die Antragstellerin und ihre Muttergesellschaft sind durch dieselben Rechtsanwälte vertreten; ihre Sicherungsanträge sind auch gleich begründet und formuliert. Der anspruchsbegründende Sachverhalt blieb in beiden Verfahren unbestritten. Selbst wenn daher anzunehmen ist, daß beide Verfahren gleich ausgehen werden, kann das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin nicht verneint werden, weil weder sie noch ihre Muttergesellschaft über einen Exekutionstitel verfügt.
Für die vom Rekursgericht angenommene Behinderung der Antragsgegnerinnen fehlt jedes Vorbringen. Die Antragsgegnerinnen haben nicht behauptet, daß die Antragstellerin "zweckfremde" Ziele verfolge. Den von ihnen behaupteten Wegfall der Wiederholungsgefahr hat bereits das Rekursgericht mit zutreffender Begründung verneint. Daß mangels Identität der Parteien keine Streitanhängigkeit besteht, bedarf keiner weiteren Begründung.
Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.
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