OGH 4Ob193/05v

OGH4Ob193/05v24.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Franz H*****, 2. L***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Jürgen Novotny, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Josef J*****, vertreten durch Dr. Erich Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 36.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 7.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. Juni 2005, GZ 12 R 14/05y-25, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 21. Februar 2005, GZ 5 Cg 29/04s-18, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass - unter Einschluss des in Rechtskraft erwachsenen Ausspruchs über das Urteilsveröffentlichungsbegehren - das Urteil des Erstgerichts insgesamt wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.558,18 EUR (darin 565,18 EUR USt und 1.167,10 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger betreibt in F***** das Handels- und Handelsagentengewerbe, eingeschränkt auf den Handel mit Natur- und Kunststeinen samt Zubehör. Er steht in ständiger Geschäftsbeziehung mit der Zweitklägerin, deren geschäftsführender Gesellschafter konzessionierter Steinmetzmeister ist. Der Erstkläger verkauft am Friedhof F***** jährlich etwa zwei bis drei Grabanlagen, zu deren Aufstellung er sich der Zweitklägerin bedient.

Der Beklagte ist beim Pfarramt F***** als Totengräber angestellt. Er besitzt seit 23. 4. 2003 eine Gewerbeberechtigung für das Steinmetzmeistergewerbe einschließlich Kunststeinerzeugung und Terrazzoherstellung, eingeschränkt auf die Aufstellung von Grabsteinen bis zu einer Höhe von 1 m, einer Breite von 1,5 m und einer Tiefe von mindestens 25 cm.

Der Beklagte erhielt von der Wirtschaftskammer Oberösterreich die Auskunft, dass er zum Aufstellen von Grabanlagen mit einer geringeren Tiefe als 25 cm ein befugtes Steinmetzunternehmen benötige. Er vereinbarte daraufhin mit der L***** GmbH, er werde von dort Grabanlagen beziehen und von diesem Unternehmen erforderlichenfalls für das Aufstellen der Grabanlage einen Mitarbeiter zur Verfügung gestellt bekommen. Die Gewerbeberechtigung der L***** GmbH umfasst das Steinmetzmeistergewerbe, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten. Bei dieser Einschränkung ging man davon aus, dass Planungstätigkeiten und statische Berechnungen nicht durchgeführt werden dürfen.

Im Oktober 2003 erhielt der Beklagte von einer Kundin den Auftrag zur Lieferung und Aufstellung einer Grabanlage auf dem Friedhof F*****. Zum Aufstellen des Grabsteins mit einer Tiefe von 10 cm forderte der Beklagte bei der L***** GmbH einen Steinmetz an, worauf ihm ein bei diesem Unternehmen als angelernter Steinmetz beschäftigter Mitarbeiter zugewiesen wurde. Der Beklagte stellt mit seiner Hilfe die Grabanlage auf. Die L***** GmbH stellte dem Beklagten die hiefür aufgewendete Arbeitszeit ihres Mitarbeiters in Rechnung. Der Beklagte arbeitete 2003 und 2004 in mehreren Fällen mit dem genannten Unternehmen zusammen.

Die Kläger begehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, ab sofort das Aufstellen von Grabsteinen zu unterlassen, die nicht eine Tiefe (Stärke) von mindestens 25 cm aufweisen; sie stellen weiters ein Begehren auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung. Der Beklagte habe auf dem Friedhof F***** wiederholt Grabmäler in die Grenzen seiner Gewerbeberechtigung überschreitenden Dimensionen aufgestellt und neu versetzt; er habe damit als Mitbewerber bewusst in den gesetzlichen Vorbehaltsbereich einer fremden Gewerbeberechtigung eingegriffen und sittenwidrig im Sinn des § 1 UWG gehandelt. Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er handle nur in einem verschwindend geringen Umfang mit Steinmetzerzeugnissen. Zwischen den Klägern und ihm bestehe daher kein nennenswerter Wettbewerb. Soweit seine Gewerbeberechtigung das Aufstellen von Grabmälern nicht umfasst habe, habe er sich einer befugten Fachfirma bedient und sämtliche gesetzlichen Vorschriften eingehalten. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Aufstellen von Grabsteinen mit nicht von der Gewerbeberechtigung des Beklagten gedeckten Dimensionen verstoße dann nicht gegen § 1 UWG, wenn sich der Beklagte hiezu der Mithilfe eines entsprechend befugten Gewerbetreibenden bediene. Dem Beklagten sei kein bewusster Eingriff in den Vorbehaltsbereich einer fremden Gewerbeberechtigung vorzuwerfen; er habe nämlich für Tätigkeiten außerhalb seiner Gewerbeberechtigung einen hiefür berechtigten Gewerbetreibenden beigezogen, der ihm eine entsprechende Fachkraft zur Verfügung gestellt habe. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den beruflichen Werdegang dieser Fachkraft zu überprüfen; es spiele daher keine Rolle, dass es sich dabei nur um einen angelernten Steinmetzarbeiter gehandelt habe.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil teilweise ab und gab (nur) dem Unterlassungsbegehren Folge; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Beklagte habe sich zwar zur Ausführung des Werkauftrags eines Arbeiters bedient, der bei einem entsprechend befugten Unternehmen beschäftigt sei, doch gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Unternehmen die Verantwortung für die Ausführung oder Herstellung des Werks übernommen habe. Die bloße Anforderung eines Arbeiters sei der Erteilung eines Werkauftrags nicht gleichzuhalten; es liege eine bloße Arbeitskräfteüberlassung iSd § 3 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) vor. Vertragsgegenstand der Arbeitnehmerüberlassung sei die Bereitstellung eines Dienstnehmers zum Zwecke der Arbeitsleistung. Dieser Dienstnehmer sei aber nicht Erfüllungsgehilfe des Verleihers, der daher auch nicht für eine schlechte Arbeitsleistung des Dienstnehmers hafte. Der Verleiher hafte nur für die durchschnittliche berufliche und fachliche Qualifikation und die Arbeitsbereitschaft des überlassenen Dienstnehmers. Die eingeschränkte Haftung des Verleihers verdeutliche, dass mit dem Instrument der Arbeitnehmerüberlassung die fehlende Gewerbeberechtigung auch dann nicht ersetzt werden könne, wenn der Verleiher über eine entsprechende Gewerbeberechtigung verfüge. Im Hinblick auf den unterschiedlichen Vertragsinhalt und die gänzlich andere Haftungslage mache es einen Unterschied, ob ein Werkauftrag erteilt werde oder eine bloße Arbeitnehmerüberlassung vereinbart sei, möge auch in der äußeren Auftragsabwicklung - also in der Tätigkeit des beigestellten Arbeiters - kein Unterschied bestehen. Der Beklagte habe den Auftrag nicht an ein Subunternehmen weitergegeben, sondern nur die Beistellung einer Arbeitskraft verlangt; ihm habe bewusst sein müssen, dass mit der bloßen Überlassung einer Leiharbeitskraft vom Verleiher keinerlei Verantwortung für die Ausführung des Werkes übernommen werde. Er habe daher die Arbeiten ohne entsprechende Befugnis durchgeführt und damit sittenwidrig gehandelt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Der Beklagte bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichts, er habe mit dem Steinmetzunternehmen, das ihm über Anforderung Hilfskräfte zur Verfügung gestellt hat, nur eine Arbeitskräfteüberlassung vereinbart; vielmehr habe er sich eines befugten Unternehmens zur Durchführung jener Arbeiten bedient, die seine Gewerbeberechtigung überschritten. Ein allfälliger Gesetzesverstoß wäre nicht vorwerfbar. Ein Gesetzesverstoß begründet nur dann sittenwidriges Handeln im Sinne des § 1 UWG, wenn er subjektiv vorwerfbar und geeignet ist, dem Verletzer einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen. Maßgebend ist daher, ob die Auffassung des Beklagten über die Auslegung der angeblich verletzten Norm durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten kann (stRsp RIS-Justiz RS0077771). Nach dem festgestellten Sachverhalt war dem Beklagten bewusst, nur über eine Gewerbeberechtigung zum Aufstellen von Grabanlagen mit bestimmten Maßen zu verfügen. Er hat deshalb - nach Einholung einer entsprechenden Auskunft der Wirtschaftskammer - mit einem uneingeschränkt zu Steinmetzarbeiten befugten Fachunternehmen vereinbart, er werde benötigte Grabanlagen von diesem Unternehmen beziehen und einen Mitarbeiter des befugten Unternehmens beim Aufstellen von Grabanlagen beiziehen, die von seiner Gewerbeberechtigung nicht umfasst sind.

Bei dieser Sachlage kommt es aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nicht darauf an, ob - wovon das Berufungsgericht ausgeht - das Vertragsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Fachunternehmen als Arbeitskräfteüberlassung iSd AÜG zu beurteilen ist oder welcher andere Vertragstyp sonst vorliegt: Der Beklagte hat aufgrund einer vertretbaren Rechtsansicht gehandelt, wenn er sich von einem befugten Fachunternehmen in der festgestellten Form bei jenen gewerblichen Tätigkeiten unterstützen ließ, für deren Durchführung ihm die Befugnis fehlt, weil die in der Gewerbeberechtigung festgelegten Maße überschritten werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der vom Fachunternehmen entsandte Dienstnehmer in seiner Person die gewerberechtlichen Voraussetzungen für die auszuführenden Tätigkeiten erfüllt hat, weil die Berechtigung des entsendenden Dienstgebers das Handeln aller seiner Dienstnehmer gleichermaßen mitumfasst. Bei gegenteiliger Auffassung verstieße jedes Unternehmen gegen die Gewerbeordnung, wenn es arbeitsteilig organisiert ist und neben dem Gewerbeinhaber noch andere Mitarbeiter beschäftigt. Durfte der Beklagte demnach aus guten Gründen die Auffassung vertreten, er überschreite mit der gewählten Form der Zusammenarbeit seine Gewerbeberechtigung nicht, liegt kein unlauteres Handeln im Wettbewerb iSd § 1 UWG vor.

Der Revision war Folge zu geben und die abweisende Entscheidung des Erstgerichts zur Gänze wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung ist in den § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO begründet.

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