OGH 4Ob192/11f

OGH4Ob192/11f22.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** L*****, vertreten durch Mag. Hubert Wagner LLM, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R***** ***** AG, *****, vertreten durch Zorn RA GesmbH, Rechtsanwälte in Wien, wegen 17.836,30 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. September 2011, GZ 4 R 301/10d-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 25. August 2010, GZ 46 Cg 110/09k-11, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt als Erbin nach ihrer Tante Schadenersatz in Höhe von 17.836,30 EUR sA, hilfsweise die Feststellung der Haftung der beklagten Bank für sämtliche Schäden aus den Veranlagungen der Erblasserin in näher genannte Produkte in den Jahren 2004 und 2007. Die Beklagte habe die Erblasserin anlässlich des Kaufs der genannten Anlageprodukte nicht ausreichend beraten. Dieser Beratungsfehler habe zu einer erhöhten Erbschaftsteuerbelastung der Klägerin geführt.

Das Erstgericht wies Haupt- und Eventualbegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin mit seinem nach dem 30. 6. 2009 gefassten Urteil (Art 16 Abs 4 Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I Nr 52/2009) nicht Folge; es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die gegen dieses Urteil erhobene „außerordentliche Revision“ der Klägerin, worin der Antrag gestellt wird, der Oberste Gerichtshof möge das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung abändern, hilfsweise aufheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverweisen, legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der geltenden Rechtslage:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei gemäß § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungserkenntnisses den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.

Im vorliegenden Fall übersteigt der Gegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 30.000 EUR nicht. Die Klägerin hat es zwar unterlassen, das Eventualbegehren gesondert zu bewerten. Wird aber ein Eventualbegehren nicht gesondert bewertet, so entspricht dessen Streitwert jenem des Hauptbegehrens, der in der Klage angegeben wurde. Aus der unterlassenen Bewertung eines Eventualbegehrens lässt sich nämlich nur schließen, dass das Interesse des Klägers an dessen Durchsetzung gleich ist (RIS-Justiz RS0109031). Der nicht gesondert bewertete Streitwert des Eventualbegehrens entspricht somit jenem des auf Geld lautenden Hauptbegehrens. Somit übersteigen weder Haupt- noch Eventualbegehren 30.000 EUR.

Zwar hat die Rechtsmittelwerberin das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und darin auch ausgeführt, warum sie entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachtet. Der Revision fehlt freilich die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO) gestellt werde. Im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage ist der Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen (§ 508 ZPO); dieser darf über das Rechtsmittel nämlich nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623).

Das Rechtsmittel wäre demnach - auch wenn es als „außerordentliches“ bezeichnet wird - dem Berufungsgericht vorzulegen gewesen. Dies wird das Erstgericht nunmehr nachzuholen haben. Ob die im Schriftsatz enthaltenen Ausführungen, wonach die Revision zulässig sei, den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entsprechen, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS-Justiz RS0109623 [T5], RS0109501 [T12]).

Aus diesen Erwägungen ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.

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