OGH 4Ob19/01z

OGH4Ob19/01z30.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Rudolf H*****, verstorben am *****, zuletzt wohnhaft in *****, vertreten durch Dr. Ernst Grossmann, Rechtsanwalt in Wien, als mit Beschluss des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 15. September 1998, AZ 1 A 124/98d, bestellter Verlassenschaftskurator, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Land Niederösterreich, vertreten durch Dr. Erich Hermann und Dr. Markus Ludvig, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Leo S*****, 2. Elfriede S*****, beide vertreten durch Dr. Friedrich Spitzauer und Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in Wien, und der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien 1. Mag. Robert P*****, 2. Mag. Robert P*****, beide vertreten durch Dr. Heinrich Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Löschung einer grundbücherlichen Eintragung (Streitwert 110.000 S sA), infolge Rekurses der Klägerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 11. September 2000, GZ 21 R 173/00i-32, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 21. Jänner 2000, GZ 13 C 155/99m-23, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Erblasser und seine Ehegattin waren Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ ***** Katastralgemeinde G***** mit den Grundstücken Nr 1068/1 Garten und Nr 1068/2 Baufläche. Mit Notariatsakt vom 4. 11. 1992 schenkten sie ihre Hälfteanteile den Beklagten je zur Hälfte auf den Todesfall. Die Beklagten nahmen die Schenkung an; der Erblasser und seine Ehegattin verzichteten ausdrücklich darauf, die Schenkung zu widerrufen. Geschenkgeber und Geschenknehmer unterschrieben den Vertrag vor dem Notarsubstituten Dr. Berthold R*****, der als Substitut des öffentlichen Notars Dr. Hubert S***** tätig wurde.

Nach dem Ableben der Ehegattin des Erblassers wurde 1994 auf Grundlage des Schenkungsvertrags das Eigentumsrecht für die beiden Beklagten zu je einem Viertel einverleibt. Am 22. 11. 1996 erteilte der Erblasser dem Erstbeklagten, eine

"allgemeine und unbeschränkte Vollmacht, so dass er berechtigt ist, mich in allen Angelegenheiten vor Behörden aller Art wie auch gegenüber allen Dritten nach bestem Wissen und Gewissen zu vertreten.

Er ist insbesondere bevollmächtigt, alle in § 1008 ABGB angeführten Geschäfte in meinem Namen zu tätigen, nämlich: Sachen zu veräußern und entgeltlich zu erwerben, Darlehen zu gewähren und aufzunehmen, Geld oder Geldeswert in Empfang zu nehmen; Vergleiche aller Art zu schließen; Bürgschaften zu übernehmen; Erbschaften unbedingt anzunehmen oder auszuschlagen; eidesstättige Vermögensbekenntnisse abzugeben; Gesellschaftsverträge zu errichten; Schenkungen zu machen; Schiedsverträge abzuschließen und Schiedsrichter zu wählen und Rechte unentgeltlich aufzugeben.

Er ist weiters bevollmächtigt, in meinem Namen das Stimmrecht auch in Generalversammlungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung auszuüben.

Er ist weiters befugt, in meinem Namen Grundbuchsgesuche auch dann einzubringen, wenn mir die beantragte Eintragung nicht zum Vorteil gereicht.

Ich erteile dem Bevollmächtigten auch Prozessvollmacht im Sinn des § 31 ZPO.

Die Vollmacht erstreckt sich auch auf den Sterbefall des Vollmachtgebers.

Ich stimme zu, dass an ihn dem Datenschutz unterliegende Daten, die im öffentlichen oder auch im privaten Bereich verarbeitet wurden, übermittelt werden.

Für das Auftragsverhältnis gilt österreichisches Recht.

Der Bevollmächtigte ist berechtigt, Substitutionsbevollmächtigte zu bestellen.

Gerichtsstand ist Purkersdorf.

Der Bevollmächtigte ist auch berechtigt, In-Sich-Geschäfte abzuschließen."

Die Vollmacht wurde notariell beglaubigt. Aufgrund dieser Vollmacht vertrat der Erstbeklagte den Erblasser sowohl beim Abschluss eines Teilungsvertrags als auch beim Abschluss eines (weiteren) Schenkungsvertrags auf den Todesfall. Mit dem Teilungsvertrag vom 10. 12. 1996 wurde die Liegenschaft zwischen dem Erblasser und den beiden Beklagten real geteilt; ein Teil des Grundstückes Nr 1068/1 wurde abgetrennt und zusammen mit dem Grundstück Nr 1068/2 vom Gutsbestand der EZ ***** abgeschrieben und in eine neue Grundbuchseinlage übertragen. An dieser neuen Einlage sollte das Eigentumsrecht der beiden Beklagten einverleibt werden; der Erblasser sollte Alleineigentümer der EZ ***** sein.

Am selben Tag wurde ein Notariatsakt errichtet, mit dem der Erblasser als Alleineigentümer der Liegenschaft EZ ***** die Liegenschaft den beiden Beklagten je zur Hälfte auf den Todesfall schenkte und die beiden Beklagten die Schenkung annahmen. Ebenso wie den Teilungsvertrag unterschrieb der Erstbeklagte auch den Notariatsakt als Vertreter des Erblassers.

1997 wurde der Teilungsvertrag grundbücherlich durchgeführt. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 24. 10. 1997 wurde für den Erblasser ein Sachwalter bestellt. Am 7. 6. 1998 starb der Erblasser. Aufgrund des Schenkungsvertrags vom 10. 12. 1996 wurde das Eigentumsrecht der beiden Beklagten an der Liegenschaft EZ ***** - mangels Vorliegens der Unbedenklichkeitsbescheinigung - (nur) vorgemerkt.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der zwischen Rudolf H***** einerseits und Leo S***** sowie Elfriede Schreiber andererseits am 10. 12. 1996 abgeschlossene Schenkungsvertrag auf den Todesfall unwirksam ist. Sie begehrt weiters, die aufgrund des zwischen Rudolf H***** und Leo S***** sowie Elfriede S***** am 10. 12. 1996 abgeschlossenen Schenkungsvertrags auf den Todesfall vorgenommene bücherliche Eintragung, nämlich die Vormerkung des Eigentumsrechts für Elfriede S***** und Leo S***** an der EZ *****, Grundbuch ***** G***** je zur Hälfte, *****, für unwirksam zu erklären und zu löschen. Der Erblasser sei psychisch krank und daher am 22. 11. 1996 nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen. Er habe den Erstbeklagten daher nicht wirksam bevollmächtigen können. Eine bloß beglaubigte und nicht in der Form eines Notariatsakts errichtete Vollmacht habe nicht ausgereicht, um den Erstbeklagten für den Abschluss des Schenkungsvertrags wirksam zu bevollmächtigen.

Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen. Der Erblasser habe den Beklagten bereits am 30. 6. 1995 eine notariell beglaubigte, allgemeine und unbeschränkte Vollmacht erteilt; diese Vollmacht sei am 22. 11. 1996 bekräftigt worden. Bei Unterfertigung der Vollmachten sei der Erblasser bei klarem Verstand gewesen; erst Anfang März 1997 habe sich sein Gesundheitszustand verschlechtert. Die Liegenschaft sei 1996 im Einvernehmen mit dem Erblasser geteilt worden. Auf Anraten des Notarssubstituten sei der Schenkungsvertrag auf den Todesfall wiederholt und die Schenkung damit in Wirklichkeit nur erneuert worden. Die notariell beglaubigte Vollmacht sei daher ausreichend gewesen. Selbst wenn der Notariatsakt vom 10. 12. 1996 ungültig wäre, so sei das Eigentumsrecht der Beklagten jedenfalls auf Grund des Schenkungsvertrags vom 4. 11. 1992 einzuverleiben.

Die Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin brachte vor, dass sich der Erblasser seit 3. 6. 1993 in Heimpflege des Landes Niederösterreich befunden habe. Wegen seines Liegenschaftsvermögens habe er keinen Anspruch auf Sozialhilfe gehabt. Das Land Niederösterreich habe mit dem Sachwalter einen Vergleich über die offenen Pflegegebühren geschlossen und ein Pfandrecht an der Liegenschaft erworben. Im Verlassenschaftsverfahren sei eine Forderung an Pflegegebühren und Kosten von insgesamt 323.174,90 S angemeldet worden. Den Beklagten sei bei Abschluss des Schenkungsvertrags der Pflegegebührenrückstand bekannt gewesen. Sie hätten den Vertrag geschlossen, um die Befriedigung der Ansprüche des Landes Niederösterreich zu vereiteln.

Die Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten brachten vor, dass es Zweck der Verträge vom 10. 12. 1996 gewesen sei, dem im Notariatsakt vom 4. 11. 1992 dokumentierten eindeutigen Willen der Geschenkgeber weiterhin Geltung zu verschaffen. Die beglaubigte Vollmacht habe zum Abschluss eines notariatsaktspflichtigen Geschäfts berechtigt. Sie habe auch den Voraussetzungen den § 69 Abs 1a NO entsprochen. Der Erblasser sei bei Unterfertigung der Vollmacht geschäftsfähig gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. In der Entscheidung SZ 57/118 habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass eine Auslegung des § 69 Abs 1 NO, wonach beglaubigte Vollmachten auch zum Abschluss notariatsaktspflichtiger Geschäfte berechtigten, eine deutlichere Formulierung des Gesetzestextes erfordert hätte. Auch die Vollmacht zum Abschluss eines Notariatsakts bedürfe daher der Notariatsaktsform. Da der Erstbeklagte nur über eine notariell beglaubigte Vollmacht verfügt habe, sei der Schenkungsvertrag auf den Todesfall nichtig.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige, und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Durch § 69 Abs 1a NO idF BGBl 1993/692 sei klargestellt, dass eine inhaltlich und formal dem Abs 1 entsprechend ausgestellte Vollmacht zum Abschluss jedes Notariatsakts ausreiche. Der Erstbeklagte habe den Erblasser daher aufgrund der ihm erteilten Vollmacht beim Abschluss des Schenkungsvertrags wirksam vertreten können. Es sei demnach zu prüfen, ob der Erblasser - wie von der Klägerin behauptet - bei Erteilung der Vollmacht nicht geschäftsfähig gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Rekurs der Klägerin ist zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Auslegung des § 69 Abs 1a NO besteht; der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

Nach § 69 Abs 1 NO müssen Vollmachten, die zur Errichtung eines Notariatsakts dienen, entweder öffentliche Urkunden oder solche Privaturkunden sein, auf denen die Unterschrift des Vollmachtgebers gerichtlich, notariell oder von einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland beglaubigt ist; die Vollmachten bedürfen, sofern sie im Ausland errichtet wurden, keiner weiteren Beglaubigung. Vorschriften, die für die Verwendung von Urkunden vor Behörden etwas anderes bestimmen, bleiben unberührt.

Der Oberste Gerichtshof hat § 69 Abs 1 NO in der Entscheidung SZ 57/118 = NotZ 1984/24 dahin ausgelegt, dass weder dem Gesetzestext noch den Materialien ein Verzicht auf die Notariatsaktsform für eine Vollmacht zum Abschluss eines Schenkungsvertrags auf den Todesfall zu entnehmen sei. Das von einzelnen Autoren aus der Aufhebung der Sonderbestimmung des § 3 Abs 3 NO für vollstreckbare Notariatsakte sowie aus der Neufassung der allgemeinen Bestimmung des § 69 Abs 1 NO durch die Novelle BGBl 1962/139 abgeleitete Ergebnis, seither genüge auch zur Errichtung von Notariatsakten, die zur Gültigkeit bestimmter Rechtsgeschäfte gesetzlich vorgeschrieben sind, eine (nur) den Formvorschriften des neugefassten § 69 Abs 1 NO entsprechende Vollmacht, hätte mit Rücksicht auf die bis dahin vorherrschende Meinung eine andere (deutlichere) Formulierung des Gesetzestextes erfordert.

Die vom Obersten Gerichtshof für notwendig erachtete Klarstellung ist durch die Novelle BGBl 1993/692 durch Einfügung eines Abs 1a in § 69 NO erfolgt (1133 BlgNR 18. GP 17; Wagner/Knechtel, Notariatsordnung5 § 69 Rz 7): Nach § 69 Abs 1a NO genügt eine Vollmacht nach Absatz 1 auch zum Abschluss aller Rechtsgeschäfte und zur Abgabe aller Rechtserklärungen, die zu ihrer Gültigkeit des Notariatsakts bedürfen, wenn in ihr sowohl der rechtsgeschäftliche Vorgang einzeln oder, sofern nicht nach anderen Vorschriften eine auf das einzelne Geschäft ausgestellte Vollmacht notwendig ist, zumindest der Gattung nach angeführt ist.

Nach der derzeitigen Gesetzeslage genügt demnach für den Abschluss eines Schenkungsvertrags auf den Todesfall eine nach § 69 Abs 1 NO beglaubigte Vollmacht, sofern in der Vollmacht der rechtsgeschäftliche Vorgang genannt ist (Schwimann/Apathy, ABGB**2 § 1005 Rz 3 mwN). Das trifft für die dem Erstbeklagten erteilte Vollmacht zu: Der Bevollmächtigte wird ausdrücklich ermächtigt, "Schenkungen zu machen".

Die Einwendungen der Klägerin, dass das vorgenommene Rechtsgeschäft damit nicht ausreichend bezeichnet sei, überzeugen nicht. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass für die Vertretung bei In-Sich-Geschäften strengere Anforderungen an den "Konkretisierungsgrad der gattungsmäßigen Bezeichnung von Rechtsgeschäften" zu stellen wären. Es ist auch nicht ersichtlich, warum bei der Einwilligung in zukünftige In-Sich-Geschäfte eine besonders große Gefahr der Übereilung und der mangelnden Überschaubarkeit von Rechtsgeschäften des Bevollmächtigten zu Lasten des Vollmachtgebers bestehen soll. Ebensowenig trifft es zu, dass nur Schenkungen mit wirklicher Übergabe und nicht auch Schenkungen ohne wirkliche Übergabe erfasst würden, wenn der Bevollmächtigte ermächtigt werde, "Schenkungen zu machen". Auch eine Schenkung ohne wirkliche Übergabe ist eine Schenkung, die "gemacht" (= bewirkt, durchgeführt) wird.

Nicht zugestimmt kann der Klägerin auch werden, wenn sie meint, durch eine notariell beglaubigte Vollmacht würde die für Schenkungen ohne wirkliche Übergabe vorgeschriebene Notariatsaktsform umgangen. Für den Schenkungsvertrag ist nach wie vor ein Notariatsakt erforderlich (§ 1 Abs 1 lit d NZwG); dieses Formerfordernis wird daher nicht umgangen, wenn die Vollmacht für den Abschluss des Vertrags nicht in Notariatsaktsform, sondern (nur) notariell beglaubigt errichtet wird. Auch eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 915 erster Fall ABGB kann - unabhängig davon, ob überhaupt ein einseitig verbindlicher Vertrag im Sinne dieser Bestimmung vorliegt - nicht zu dem von der Klägerin gewünschten Ergebnis führen. Die Klägerin lässt nämlich jede Begründung für ihre Behauptung vermissen, dass Schenkungen mit wirklicher Übergabe für den Vertretenen eine geringere Last bedeuteten als Schenkungen ohne wirkliche Übergabe.

Das Berufungsgericht hat demnach zu Recht die notariell beglaubigte Vollmacht des Erblassers für ausreichend erachtet, den Erstbeklagten zum Abschluss eines Schenkungsvertrags auf den Todesfall zu ermächtigen. Es ist daher - wie vom Berufungsgericht dem Erstgericht aufgetragen - zu prüfen, ob der Schenkungsvertrag aus den von der Klägerin und der auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenientin behaupteten weiteren Gründen unwirksam ist.

Der Rekurs musste erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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