Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Klägerin hat die Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens vorläufig selbst zu tragen, die Beklagte hat sie endgültig zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Medieninhaberin und Verlegerin der Wochenzeitung "Die ganze Woche"; die Beklagte ist Verlegerin des Wochenmagazins "News". Die Beklagte hat in einem Rundschreiben vom 9.9.1992 das Erscheinen von "News" angekündigt. In einem beigelegten Folder "News für Österreich" heißt es auf der zweiten Seite:
"Die Markt-Lücke.
Am österreichischen Illustrierten-Markt füllt 'Profil' den Platz des 'Spiegel'. Und 'Die ganze Woche' deckt den "Yellow press"-Sektor ab
...".
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung die Behauptung zu untersagen, "DIE GANZE WOCHE" decke den "Yellow press"-Sektor ab.
Nach der jüngsten Ausgabe von Cassell's German-English-Dictonary heiße "yello press:" "die Sensationspresse, Asphaltpresse, Hetzpresse, gelbe Presse". Dies treffe auf die "GANZE WOCHE" nicht zu; die "GANZE WOCHE" sei eine Zeitschrift für die ganze Familie. Die Beklagte habe damit gegen § 7 UWG verstoßen.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die beanstandete Behauptung sei wahr. In der Fachliteratur würden unter "yellow press" reißerisch aufgemachte Kaufzeitungen vom Typ der Boulevard-Blätter verstanden, die über spektakuläre Ereignisse berichteten, Comic Strips brächten und hohe Auflagen hätten. In diese Kategorie falle die "GANZE WOCHE". Das werde aber in der beanstandeten Äußerung aber gar nicht behauptet; behauptet werde nur, daß die "GANZE WOCHE" in Österreich den "yellow press-Sektor" abdecke.
Diese Äußerung sei weder herabsetzend noch geschäftsschädigend. "Yellow-press-Produkte" zeichneten sich durch hohe Auflagen, einen hohen Anzeigenteil und verhältnismäßig geringe Kosten für die journalistische Herstellung aus; sie seien das Ergebnis erfolgreicher verlegerischer Tätigkeit. "Yellow-press"-Zeitungen seien ein "publizistischer Machtfaktor"; als einem "Yellow-press"-Produkt komme der "GANZEN WOCHE" bei Entscheidungsträgern in Österreich ein hoher Stellenwert zu.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Zusätzlich zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte das Erstgericht unter Berufung auf Literaturstellen fest, daß unter "yellow press" "die Sensationspresse, Asphaltpresse, Hetzpresse, gelbe Presse" verstanden werde; "yellow-press"-Zeitungen seien reißerisch aufgemachte Kaufzeitungen vom Typ der Boulevardblätter, die mit eingehender Berichterstattung über spektakuläre Verbrechen, mit humoristischen Comic Strips, Sondersparten und Schlüssellochschnüffeleien Millionen-Auflagen erzielten. Auf "DIE GANZE WOCHE" träfen diese Charakteristika nicht zu.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Abweichend vom Erstgericht ordnete das Rekursgericht Cassell's Wörterbuch nicht als Fachliteratur oder Fachwörterbuch ein; es traf auf Grund der von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten weitere Feststellungen: Für "yellow press" habe sich im deutschsprachigen Branchen-Jargon auch die Bezeichnung "Regenbogenpresse" durchgesetzt. "DIE GANZE WOCHE" sei vom Münchner Ordinarius für Publizistik und Kommunikationwissenschaft Heinz Pürers im Österreichischen Pressehandbuch 1989 dem "yellow press"-Typus zugeordnet und als ein "marktstrategisch mit beispielloser Professionalität publizierendes Blatt" bezeichnet worden. "yellow press"-Zeitungen seien Kauf- und nicht Abonnementzeitungen, sie würden auf der Straße verkauft, seien auffallend aufgemacht, berichteten über spektakuläre Ereignisse und erzielten hohe Auflagen. Der Folder "News" sei von der Anzeigenleitung der Beklagten ausgesendet worden und bringe laut Titelblatt "Die ersten Informationen zur neuen Wochen-Illustrierten, auf die die österreichische Werbebranche mit Spannung wartet".
"Yellow press" sei nach dem hier maßgeblichen Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise keineswegs so negativ gefärbt, wie dies die Klägerin, gestützt auf eine Übersetzung laut Wörterbuch, meine. Das gelte insbesondere für die Ausführungen im Pressehandbuch 1989. Nach einer graphischen Darstellung im Folder sei das Leserpotential der "GANZEN WOCHE" größer als das für "News" freie Leserpotential. Die von der beanstandeten Werbeaussage angesprochenen Interessenten würden die zutreffende Beurteilung, "DIE GANZE WOCHE" decke den "yellow press"-Sektor ab, keineswegs als negativ und herabsetzend betrachten; eine Geschäftsschädigung der Klägerin sei nicht zu befürchten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin. Die Rechtsmittelwerberin beantragt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.
Das Rekursgericht hat den Revisionsrekurs mit der Begründung zugelassen, daß "die Beurteilung des Begriffes 'yellow press' - soweit ersichtlich - bisher dem Obersten Gerichtshof nicht zur Entscheidung vorgelegen ist". Dem hält die Beklagte entgegen, daß die "Beurteilung" des Begriffes "yellow press" eine Tatfrage und keine Rechtsfrage sei. Die Entscheidung hänge somit nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage ab.
Was unter "yellow press" zu verstehen ist, kann auf Grund der Erfahrungssätze des täglichen Lebens beurteilt werden. Dienen Erfahrungssätze nicht zur Feststellung von Tatsachen, sondern zur Ergänzung, Ausfüllung und Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe, dann gehören sie nicht mehr zum Beweisverfahren, sondern sind Teil der rechtlichen Beurteilung (ÖBl 1985, 107). Die Frage, was unter "yellow press" zu verstehen ist, ist daher eine Rechtsfrage; sie ist im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO erheblich, weil sich der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht damit befaßt hat.
Richtig ist, daß der Werbende bei mehrdeutigen Äußerungen die für ihn ungünstigste Äußerung gegen sich gelten lassen muß (MR 1991, 78 uva). "Yellow press" ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen ein mehrdeutiger Begriff. Darunter wird, laut Cassell's Wörterbuch, "die Senationspresse, Asphaltpresse, Hetzpresse, gelbe Presse" verstanden; in der medienkundlichen Fachliteratur ist "yellow press" ein Sammelbegriff für nicht im Abonnement vertriebene, auf der Straße verkaufte Zeitungen, die durch auffallend aufgemachte Berichte über spektakuläre Ereignisse, Verbrechen etc. hohe Auflagen erzielen.
Die Beklagte hat behauptet, daß 'DIE GANZE WOCHE' den 'yellow press'-Sektor abdeckt"; sie hat damit die Behauptung aufgestellt, daß "DIE GANZE WOCHE" eine Zeitung dieses Typs sei. Die Werbeaussage der Beklagten findet sich in einer Aussendung, die sich an die Werbebranche, also an potentielle Inserenten, richtet; das Verständnis dieser Verkehrskreise ist somit maßgebend (s. ÖBl 1977, 39). Die in der Werbebranche Tätigen sind in der Regel keine Fachleute der Verlagskunde und der Publizistik; ihr Verständnis angloamerikanischer Begriffe wird viel eher von der Umgangssprache als von der Fachliteratur geprägt sein. In der Umgangssprache hat "yellow press", wie Cassell's Wörterbuch zeigt, jedenfalls eine extrem negative Bedeutung.
Die Bezeichnung einer Zeitung als "yellow press" ist somit geschäftsschädigend. Da die Beweislast für die Richtigkeit der herabsetzenden Tatsachenbehauptung die Beklagte trifft (§ 7 Abs 1 UWG), hätte die Beklagte behaupten und bescheinigen müssen, daß DIE GANZE WOCHE nach Aufmachung und Inhalt als "Sensationspresse, Asphaltpresse, Hetzpresse, gelbe Presse" bezeichnet werden kann.
Dieser Behauptungs- und Bescheinigungslast hat die Beklagte nicht genügt. Sie hat in ihrer Äußerung nur behauptet, daß die Einordnung als "yellow press" auf Grund von Merkmalen erfolge, deren Vorliegen in erster Linie auf verlegerisches Geschick und nicht auf ein im Sinne der Klagebehauptungen minderwertiges Produkt schließen lasse.
Mit der Behauptung, "DIE GANZE WOCHE" decke den "yellow press"-Sektor ab, hat die Beklagte eine Behauptung aufgestellt, die geeignet ist, Betrieb und Kredit der Klägerin zu schädigen. Da sie die Wahrheit der herabsetzenden Tatsachenbehauptung nicht bescheinigt hat, hat sie damit, wie das Erstgericht richtig erkannt hat, gegen § 7 Abs 1 UWG verstoßen.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der von der Klägerin verzeichneten Kosten auf § 393 Abs 1 EO; hinsichtlich der von der Beklagten verzeichneten Kosten auf §§ 402, 78 EO; §§ 40, 50, 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)