OGH 4Ob18/90

OGH4Ob18/903.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei

W***-W*** 1981, Linz, Hessenplatz 3, vertreten

durch Dr.Eduard Saxinger und Dr.Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei "F*** Betriebsgesellschaft I" F.M. Z*** Gesellschaft mbH & Co, Dornbirn, Wallenmahd 46, vertreten durch Dr. Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Revisionsverfahren S 420.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 11.Oktober 1989, GZ 3 R 157/89-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 21. März 1989, GZ 1 Cg 415/88-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, Waren, insbesondere Einliterpackungen "Happy Day"-Apfelsaft, unter dem Einstandspreis zum Verkauf anzubieten, der klagenden Partei werde die Ermächtigung erteilt, den Spruch dieses Urteils auf Kosten der beklagten Partei mit Fettdruckumrandung und gesperrt geschriebenen Prozeßparteien in Samstagausgaben der "Oberösterreichischen Nachrichten" und der "Neuen Kronen-Zeitung", Ausgabe für Oberösterreich, binnen 3 Monaten nach Rechtskraft zu veröffentlichen, wird abgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 41.198,40 (darin enthalten S 6.866,40 Umsatzsteuer) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 61.716 (darin enthalten S 7.286 Umsatzsteuer und S 18.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist ein bei der Vereinsbehörde registrierter Verein mit dem Sitz in Linz. Gemäß § 2 seiner Statuten bezweckt er die Überwachung und Sicherung des freien wirtschaftlichen Wettbewerbs sowie der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen, um einen gesunden, der freien Marktwirtschaft entsprechenden Wettbewerb zu gewährleisten. Dieser Zweck soll erreicht werden durch: a) Bekämpfen des unlauteren Wettbewerbes jedweder Art durch Interventionen bei Wettbewerbsverstößen, insbesondere durch Einschreiten bei Gericht;

b) Förderung der außergerichtlichen Bereinigung von Streitigkeiten bei Verstößen gegen das UWG; c) Herausgabe eines Mitteilungsblattes;

d) unentgeltliche Beratung der Mitglieder; e) Zusammenkünfte zum Erfahrungsaustausch unter den Mitgliedern. Mitglieder des Klägers sind ausschließlich Gremien, Fachgruppen und Innungen der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich, darunter auch das Landesgremium des Einzelhandels mit Lebens- und Genußmitteln. Die Beklagte - eine zur sogenannten "Z***-Gruppe" gehörende Gesellschaft - eröffnete am 19.10.1988 in Mattighofen einen Großmarkt unter der Bezeichnung "Famila Discount". Für diese Geschäftseröffnung warb die Beklagte mit einem Inserat in den "Oberösterreichischen Nachrichten" vom 18.10.1988. Sie kündigte dort (u.a.) die Einliter-Packung "Happy Day"-Apfelsaft um S 4,90 an. Dieser Preis liegt unter dem Fakturanettopreis, welchen die R*** Fruchtsäfte GmbH der Beklagten in Rechnung gestellt hat. Daneben gewährt die R*** Fruchtsäfte GmbH der Beklagten noch einen Jahresumsatzbonus und Eröffnungsbeiträge.

Im Laufe des Jahres 1988 hat der M***-Markt in Dornbirn die Einliter-Packung "Happy Day"-Apfelsaft ebenfalls um S 4,90 angekündigt.

Mit der Behauptung, daß die Beklagte Happy Day Apfelsaft unter dem Einstandspreis verkauft und damit - wie auch andere zur "Z***-Gruppe" gehörende Gesellschaften - gegen § 3 a NVG und § 1 UWG verstoßen habe, beantragt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, Waren, insbesondere die Einliter-Packung "Happy Day"-Apfelsaft, unter dem Einstandspreis zum Verkauf anzubieten; ferner erhebt er ein auf Veröffentlichung des Urteils in Samstagausgaben der "Oberösterreichischen Nachrichten" und der "Neuen Kronen-Zeitung", Ausgabe für Oberösterreich, gerichtetes Urteilsveröffentlichungsbegehren. Wegen der massiven Werbung der Beklagten sei die Urteilsveröffentlichung in zwei oberösterreichischen Tageszeitungen geboten.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Der Kläger entfalte außer dem Führen von Wettbewerbsprozessen keine andere Tätigkeit; ihm gehörten auch keine Unternehmer an. Er sei daher aktiv zur Klage nicht legitimiert. Es sei aber auch unrichtig, daß die Beklagte die beanstandete Ware unter ihrem Einstandspreis verkauft habe. Die Beklagte erhalte als Großkunde der R*** Fruchtsäfte GmbH sachlich gerechtfertigte Sonderkonditionen, bei deren Berücksichtigung der Einstandspreis beim Verkauf nicht unterschritten worden sei. Darüber hinaus habe die M*** Warenhandels-AG im Mai, Juli und August 1988 für ihren Markt in Dornbirn-Schwefel die Einliter-Packung "Happy Day"-Apfelsaft zum selben Preis angekündigt, ohne daß ihr das untersagt worden wäre. Die Beklagte sei genötigt gewesen, ihren Verkaufspreis an den von dieser Mitbewerberin offenbar zulässigerweise geforderten Preis anzupassen; daher liege der Ausnahmetatbestand nach § 3 a Abs 2 Z 4 NVG vor. Schließlich habe die Beklagte im Rahmen des beanstandeten Eröffnungsangebotes auch nicht beabsichtigt, einen Vorsprung vor anderen Mitbewerbern zu erlangen, so daß auch die für einen Verstoß gegen § 1 UWG erforderliche subjektive Voraussetzung nicht gegeben sei. Da durch die Ankündigung eines befristeten Eröffnungsangebotes in Zukunft keine nachteiligen Wirkungen mehr entstehen könnten, habe der Kläger auch kein berechtigtes Interesse an der Urteilsveröffentlichung.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Unterlassungsbegehrens und erteilte dem Kläger die Ermächtigung, den Spruch des Urteils in einer Samstagausgabe der "Oberösterreichischen Nachrichten" veröffentlichen zu lassen; das auf eine weitere Veröffentlichung in der "Neuen Kronen-Zeitung", Ausgabe für Oberösterreich, gerichtete Veröffentlichungsmehrbegehren wies es hingegen ab. Auf Grund der eingangs bereits wiedergegebenen Feststellungen führte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:

Der Kläger sei im Sinne der ständigen Rechtsprechung ein klageberechtigter Verband im Sinne des § 14 UWG. Die Beklagte habe die Einliter-Packung "Happy Day"-Apfelsaft unter dem Einstandspries verkauft. Einstandspreis im Sinne des § 3 a Abs 1 NVG sei der Preis, der sich nach Abzug aller Rabatte oder sonstiger Preisnachlässe ergibt, die vom Lieferanten im Zeitpunkt der Rechungsstellung eingeräumt werden. Der von der Beklagten verlangte Preis sei unbestrittenermaßen unter dem Einstandspreis zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung gelegen. Das Nahversorgungsgesetz enthalte keine Ausnahmen für Eröffnungs- und Sonderangebote. Da die Absicht, sich durch den beanstandeten Verkauf unter dem Einstandspreis einen sachlich nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen, offenkundig sei, habe die Beklagte nicht nur gegen § 3 a NVG, sondern auch gegen § 1 UWG verstoßen. Die Urteilsveröffentlichung - allerdings nur in einer oberösterreichischen Tageszeitung - sei zum Zweck der Aufklärung geboten.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes "bei jedem einzelnen Begehren" S 60.000 und insgesamt S 300.000 übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und trat auch dessen rechtlicher Beurteilung bei. Das Berufungsgericht hob dabei hervor, daß die der Beklagten gewährten Sonderkonditionen nur dann bei der Berechnung des Einstandspreises berücksichtigt werden könnten, wenn sie bereits zur Zeit der Rechnungslegung festgestanden wären und sich überdies eindeutig der beanstandeten Ware hätten zuordnen lassen. Das sei hier aber nicht der Fall, weil nicht klar sei, ob und in welchem Umfang für Apfelsaft Sonderkonditionen gewährt wurden. Bei der Beurteilung des Einstandspreises sei daher vom Fakturennettopreis auszugehen. Das Unterlassungsbegehren sei auch nicht zu weit gefaßt und durch die Bezugnahme auf die beanstandete Ware ausreichend konkretisiert.

Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Abweisung der Klage abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Mit Recht haben die Vorinstanzen die von der Beklagten in Zweifel gezogene Aktivlegitimation des Klägers bejaht. Da dem Kläger ausschließlich Gremien, Fachgruppen und Innungen der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich, darunter auch das Gremium des Einzelhandels mit Lebens- und Genußmitteln, angehören, bietet schon die Mitgliederstruktur Gewähr dafür, daß der Kläger, auch wenn er nur Wettbewerbsverstöße verfolgen sollte, mit dieser Tätigkeit entsprechend den Intentionen des Gesetzgebers wirtschaftliche Unternehmerinteressen fördert und nicht nur im Eigeninteresse oder im Anwaltsinteresse tätig wird (ÖBl 1986, 9 ua). Berechtigt sind jedoch die Ausführungen in der Revision, daß der Kläger den ihm obliegenden Beweis eines Verkaufes unter dem Einstandspreis - ein Verstoß gegen § 3 a NVG durch einen Verkauf zum Einstandspreis wurde nicht geltend gemacht - nicht erbracht hat. Der Kläger hat zum Nachweis seiner Behauptung, die Beklage habe die Einliter-Packung "Happy Day"-Apfelsaft unter dem Einstandspreis verkauft, ein Schreiben der Lieferantin der Beklagten vorgelegt, in welchem - ohne nähere Zahlenangaben - lediglich ausgeführt wurde, daß der von der Beklagten verlangte Preis von S 4,90 unter dem Einstandspreis gelegen sei. Die Beklagte hat dazu vorgetragen, daß dieses Schreiben deshalb unrichtig sei, weil die Lieferantin dabei gerechtfertigte Sonderkonditionen nicht berücksichtigt habe; im Hinblick auf die ihr schon zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung eingeräumten Sonderkonditionen habe sie nicht unter dem Einstandspreis verkauft. Auf Grund eines weiteren Schreibens der Lieferantin der Beklagten hat das Erstgericht festgestellt, daß der verlangte Preis von S 4,90 unter dem Fakturennettopreis liegt, welchen die Lieferantin der Beklagten in Rechnung gestellt hat; daneben gewährt die Lieferantin aber auch noch einen Jahresumsatzbonus sowie Eröffnungsbeiträge.

Sonderkonditionen wie Eröffnungsbeiträge und Umsatzbonifikationen müssen, auch wenn sie noch nicht in der Rechnung des Lieferanten ausgewiesen sind, aber auf Grund der zwischen dem Händler und seinem Lieferanten getroffenen Vereinbarung schon im Zeitpunkt der Rechnungsstellung feststehen, von der Rechnungssumme abgezogen werden; sie sind unter diesen Umständen "sonstige Preisnachlässe" im Sinne des § 3 a Abs 1 Satz 2 NVG (Fitz-Roth, Verkauf unter dem Einstandspreis - Zur Auslegung und Kritik des § 3 a Nahversorgungsgesetz, RdW 1989, 241 ff Ä250 fÜ). Warum bei der Berechnung des Einstandspreises solche von vornherein feststehende Preisnachlässe nur dann berücksichtigt werden sollten, wenn sie auch in der Rechnung ausgewiesen sind (so Prunbauer, Zur Berechnung des Einstandspreises, MR 1989, 116 ff Ä121 fÜ), obwohl sie die Wareneingangskosten des Unternehmers mindern, ist nicht zu sehen. Die Beklagte hat nach den Feststellungen der Vorinstanzen den vom Kläger in dieser Richtung geführten Beweis, der nur auf einer wegen Unvollständigkeit der Tatsachengrundlage unrichtigen Schlußfolgerung beruhten, widerlegt. Für die Annahme, daß die gewährten Sonderkonditionen nicht schon zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung festgestanden wären, besteht überhaupt kein Anhaltspunkt. Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals ausgesprochen hat (ÖBl 1989, 174; 4 Ob 158/89; 4 Ob 3/90), kommt eine Umkehr der Beweislast bei der Geltendmachung von Verstößen gegen das Verbot des Verkaufes zum oder unter dem Einstandspreis nicht in Betracht; es ist vielmehr Sache des Klägers, den Verkauf zum oder unter dem Einstandspreis - allenfalls nach den Grundsätzen des Prima-facie-Beweises (4 Ob 158/89; 4 Ob 3/90; ÖBl 1989,

183) - nachzuweisen. Da der Kläger im vorliegenden Fall einen konkreten Nachweis nicht erbringen konnte und den Beweis durch Nachweis des typischen Einstandspreises von Unternehmen nach Art der Beklagten gar nicht angetreten hat, liegt auch kein Feststellungsmangel vor, steht doch weder der konkrete Nettorechnungsbetrag noch die Höhe der der Beklagten darüber hinaus noch gewährten Preisnachlässe fest.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch läßt sich aber auch nicht mit den weiteren Feststellungen über Verstöße gegen § 3 a NVG begründen, die Gesellschaften begangen haben, welche - wie die Beklagte - zur sogenannten "Z***-Gruppe" gehören; irgendwelche Gründe, warum die Beklagte für diese nicht von ihr begangenen Verstöße einzustehen hätte, wurden nicht behauptet. Der Revision war daher Folge zu geben und die Entscheidung im Sinne der gänzlichen Abweisung der Klage abzuändern. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auch auf § 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage im Rechtsmittelverfahren betrug nur noch S 420.000.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte