OGH 4Ob188/12v

OGH4Ob188/12v28.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr.

Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. C***** W*****, vertreten durch Dr. Alfred Poferl, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. W***** R*****, 2. J***** W*****, beide vertreten durch Dr. Josef Schartmüller, Rechtsanwalt in Pregarten, wegen Feststellung und Einverleibung (Streitwert 18.500 EUR) sowie Beseitigung und Unterlassung (Streitwert 17.500 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. August 2012, GZ 3 R 140/12x‑13, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 3. Juli 2012, GZ 38 Cg 257/11y‑9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen wiesen die auf Feststellung und Einverleibung der vom Kläger behauptetermaßen ersessenen Dienstbarkeit der ausreichenden Belichtung und Belüftung sowie der Wasserableitung durch die bereits vorhandene Fensterfront seines Hauses sowie auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands gerichtete Klage ab. Das Recht auf Licht und Luft werde nicht dadurch erworben, dass Fenster in den Luftraum des Nachbarn geöffnet würden. Mangels Verbotshandlung habe der Kläger keine Dienstbarkeit nach § 476 Z 10 ABGB ersessen. Bei bloßem Abrinnen von Regenwasser werde auch kein Wasserableitungsrecht nach § 497 ABGB erworben, aufgrund der vom Kläger beanstandeten Baumaßnahmen sei eine künstliche Zu‑ oder Ableitung auch gar nicht mehr erforderlich.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger vermag keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Die Behauptungs‑ und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Ersitzung der Hausdienstbarkeit nach § 476 Z 10 ABGB (Verbot „... dem herrschenden Gebäude Licht und Luft zu benehmen“) trifft den Kläger als (behauptender) Ersitzungsbesitzer (RIS‑Justiz RS0034237). Er muss außer der Besitzausübung, die nach Inhalt und Umfang dem zu erwerbenden Recht entspricht, nur noch die Vollendung der Ersitzungszeit beweisen, wobei es genügt, wenn der Bestand des Rechtsbesitzes am Beginn und Ende der Ersitzungszeit feststeht (RIS‑Justiz RS0034251).

Für die Ersitzung der verneinenden Dienstbarkeit nach § 476 Z 10 ABGB reicht aber weder der Ablauf eines längeren Zeitraums allein noch der tatsächliche Zustand der Sache, der einem anderen zugutekommt, für sich allein aus. Der bloße Bestand eines Fensters, das dem Nachbarn im eigenen Haus Luft und Licht verschafft, bedeutet an sich noch nicht den Besitz der vom Kläger behaupteten Dienstbarkeit. Aus § 1471 ABGB ergibt sich, dass ein Besitz, der anfangs nur faktisch ausgeübt wird, später aber nur noch im äußerlich nicht in Erscheinung tretenden Besitzwillen fortdauert, für sich allein nicht zur Ersitzung hinreicht. Für die Ausübung von Rechtsbesitz ist es erforderlich, dass die Ausübung des Rechtsinhalts als Recht in Anspruch genommen wird. Es kann nur ein für den anderen Teil als Rechtsausübung erkennbares Verhalten zur Ersitzung führen. Die theoretische Möglichkeit der Ausübung des Rechts genügt nicht. Da von vornherein nicht gesagt werden kann, ob und wann Anlass bestehen wird, das Verbot auszusprechen, dem herrschenden Gebäude Licht und Luft zu nehmen, das Untersagungsrecht also wieder ausgeübt werden kann, ist die Dienstbarkeit nach § 476 Z 10 ABGB ein selten ausübbares Recht iSd § 1471 ABGB, auch wenn theoretisch nicht selten Gelegenheit zur Rechtsausübung bestehen könnte (6 Ob 278/06k mwN).

Warum von der dargelegten Rechtsprechung im vorliegend zu beurteilenden Fall abzugehen wäre, vermag der Revisionswerber nicht darzulegen. Wenn er Feststellungsmängel zum Fensterputzen unter Benützung des Nachbargrundes behauptet, übergeht er die von den Vorinstanzen hiezu getroffenen (Negativ‑)Feststellungen. Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen sind im Revisionsverfahren aber nicht überprüfbar (vgl RIS‑Justiz RS0043371). Zur Inanspruchnahme des Luftraums durch nach außen zu öffnende Fenster hat der Kläger in erster Instanz nichts vorgebracht, insbesondere nicht, dass die Fenster vor dem Umbau über 30 Jahre hinweg nach außen geöffnet worden wären und er eine dadurch erworbene Dienstbarkeit nicht nachfolgend infolge Nichtgebrauchs verloren hätte.

Da der Kläger die verneinende Dienstbarkeit nach § 476 Z 10 ABGB nicht erworben hat, kann er die Nachbarn nicht daran hindern, ihm durch Bauten auf dem eigenen Grund Licht und Luft zu entziehen (6 Ob 278/06k; 1 Ob 696/81; vgl 1 Ob 210/75). § 364 Abs 3 ABGB, auf den sich der Kläger berufen möchte, sieht lediglich für den Entzug von Luft und Licht durch Bäume oder Pflanzen den Nachbar einschränkende Regeln vor. Diese sind nicht ohne weiters ‑ auch nicht im Wege eines Größenschlusses ‑ auf Gebäude zu übertragen, erfolgte die Neuregelung im Jahr 2003 doch in Kenntnis der bis dahin ständigen Rechtsprechung, wonach „negative Einwirkungen“ wie der Entzug von Licht, Luft oder Aussicht nicht untersagbar ist (vgl Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON § 364 Rz 10 mwN).

Überdies ging der Gesetzgeber davon aus, dass durch Gebäude bewirkte Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks durch die Bauordnungen der Länder erfasst und geregelt sind, die durchwegs subjektiv‑öffentliche Nachbarrechte gewährleisten. Die Beeinträchtigung durch negative, von Bauwerken verursachte Immissionen soll nicht zu zivilrechtlichen Ansprüchen führen (Erl Bem, 173 der Beil XXII. GP, 8 mwN). Die Verneinung auf ersessene Dienstbarkeiten gestützter privatrechtlicher Ansprüche bedeutet nicht, dass keine aus der Bauordnung abzuleitende subjektiv‑öffentliche Nachbarrechte bestünden. Diese sind hier aber nicht Verfahrensgegenstand.

Ein natürlicher Wasserablauf kann nicht Inhalt der Servitut des Wasserleitungsrechts sein (RIS‑Justiz RS0015017). Selbst wenn man davon ausginge, dass der Kläger durch die in den nachbarlichen Luftraum hineinragenden Fensterbretter in der die Grundgrenze der Streitteile bildenden Fassade das Recht erworben hätte, das auf den Fensterbrettern und allenfalls den darüber befindlichen Fenstern aufgefangene Regenwasser auf das Nachbargrundstück der Beklagten zu leiten, ist daraus für die Berechtigung seines Klagebegehrens nichts zu gewinnen. Er strebt die Feststellung sowie Verbücherung und Unterlassung der Beeinträchtigung seines Rechts auf „Wasserableitung durch die bereits bestehende Fensterfront“ an. Die im ersten Stock gelegenen Fenster in der die Grundgrenze der Streitteile bildenden Fassade sind durch die beanstandete Bauführung der beklagten Nachbarn nicht beeinträchtigt. Die im Erdgeschoss gelegenen Fenster wurden hingegen „eingemauert“, weshalb dort grundsätzlich kein Regenwasser mehr hinkommt. Damit entfällt aber auch der Bedarf solches abzuleiten. Sollte die allenfalls mangelhafte Bauausführung dazu führen, dass das Bauwerk der Beklagten Niederschlagswasser in das Haus des Klägers eindringen lässt, könnte der Kläger die grundsätzlich verbotene direkte Wasserzuleitung untersagen oder ‑ wie von den Vorinstanzen zutreffend erwähnt ‑ den Ersatz allenfalls entstandenen Schadens begehren.

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