OGH 4Ob182/02x

OGH4Ob182/02x24.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Karl Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. D***** Gesellschaft mbH, ***** 2. Petra W*****, beide vertreten durch Dr. Bernd Fritsch und andere Rechtsanwälte in Graz, sowie die Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Parteien P***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Schadenersatz und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 53.777,90 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 20. Juni 2002, GZ 1 R 95/02a-33, womit der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 28. März 2002, GZ 30 Cg 172/01y-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wird den beklagten Parteien für die Dauer dieses Rechtsstreites aufgetragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, 'Prontosan-Lösung' und 'Prontosan-Gel' - unter welcher Bezeichnung auch immer - in Österreich bis zu einer Zulassung gemäß § 11 Abs 1 AMG in Verkehr zu bringen."

Die klagende Partei hat die Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig, die beklagten Parteien haben die Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin erzeugt und vertreibt Arzneimittel. Die Erstbeklagte handelt mit Heilmitteln und Heilprodukten. Die Zweitbeklagte vertreibt Produkte der Erstbeklagten in deren Namen in Österreich, so auch die Produkte "Prontosan-Lösung" und "Prontosan-Gel", für die es keine Zulassung nach § 11 Abs 1 AMG gibt. Diese Produkte werden nunmehr als Prontosan-D-Gel bezeichnet. Bis Oktober/November 2001 verwendeten und verteilten die Beklagten folgenden Werbe-Folder (Beil/D):

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, "Prontosan-Lösung" und "Prontosan-Gel" - unter welcher Bezeichnung auch immer - in Österreich bis zu einer Zulassung gemäß § 11 Abs 1 AMG in Verkehr zu bringen. Die von den Beklagten vertriebenen Produkte "Prontosan-Lösung" und "Prontosan-Gel" seien nach Art und Form ihrer Auslobung und Bewerbung im Folder Beil. ./D zulassungspflichtige Arzneimittel oder Arzneispezialitäten, die im Inland nur dann abgegeben werden dürften, wenn sie gemäß § 11 Abs 1 AMG zugelassen seien. Der Folder Beil. ./D diene insbesondere der Information der Ärzte und sonstiger Verbraucher und Mitarbeiter in Spitälern und Krankenheilanstalten; dieses Werbemittel werde darüber hinaus auch in Apotheken öffentlicher Krankenheilanstalten von Außendienstmitarbeitern der Beklagten, insbesondere durch die Zweitbeklagte, angeboten und abgegeben. Gemäß § 50 Abs 1 AMG dürfe Arzneimittelwerbung nur für zugelassene Arzneispezialitäten oder Arzneimittel, die im Arzneibuch (§ 1 Arzneibuchgesetz) genannt seien, betrieben werden; die von den Beklagten vertriebenen Arzneispezialitäten "Prontosan-Lösung" und "Prontosan-Gel" erfüllten diese Voraussetzungen nicht. Die Beklagten verstießen durch den Vertrieb der genannten Produkte gegen § 1 UWG, weil sie sich planmäßig unter bewusster Verletzung von gesetzlichen Normen einen Vorsprung im Wettbewerb gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern verschafften. Die Erstbeklagte erspare sich unter anderem ein teures, oft jahrelanges Zulassungsverfahren und damit die Erarbeitung teurer und aufwendiger wirtschaftlicher Unterlagen. Die Verletzung von Vorschriften, die dem Schutz der Volksgesundheit und damit besonders wichtigen Gemeinschaftsgütern dienen, sei nicht als "wertneutral" anzusehen.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsantrags. Ein Verstoß der Beklagten gegen § 1 UWG liege nicht vor. Die von der Erstbeklagten vertriebenen Produkte "Prontosan-Lösung" und "Prontosan-Gel" seien zwar von der Zweitbeklagten im Rahmen von Schulungen angeboten, doch ausschließlich als kosmetische Mittel zur Reinigung und Wäsche angepriesen worden. Die Zweitbeklagte stehe in keinem fremdbestimmten Dienstverhältnis zur Erstbeklagten, sondern werde ausschließlich ohne Weisungsbefugnis der Erstbeklagten tätig. Der beanstandete Folder Beil./D werde nach seinem Gesamteindruck von den angesprochenen Verkehrskreisen bei flüchtiger Betrachtung dahin verstanden, dass es sich bei der darin enthaltenen Auslobung der Produkte "Prontosan-Lösung" und "Prontosan-Gel" um Wasch- oder Körperreinigungsmittel, keineswegs aber um ein Arzneimittel oder eine Arzneispezialität handle. Im Folder werde stets darauf hingewiesen, dass es sich um eine Waschlotion handle; das Waschen/Reinigen werde stets betont. Mit keinem einzigen Wort werde erwähnt, dass die genannten Produkte eine Krankheit lindern, heilen oder verhüten könnten. Gegen einen solchen Eindruck spreche insbesondere der in der Auslobung enthaltene Hinweis, dass die Produkte auch zur Reinigung von Brillen, Schmuck uä verwendet würden. Die "Prontosan-Lösung" habe keinerlei desinfektiöse Wirkung. Selbst bei Bejahung einer Sittenwidrigkeit der beanstandeten Werbung könne dies den Beklagten subjektiv nicht vorgeworfen werden, weil bei der Beurteilung der subjektiven Zweckbestimmung eines Produktes zu berücksichtigen sei, dass die Abgrenzung zwischen Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verzehrprodukten und kosmetischen Produkten besonders schwierig sei. Das Unterlassungsbegehren sei zu weit gefasst, weil es auch das Produkt "Prontosan Wunde Lösung" mitumfasse, für das ein CE-Zertifikat vorliege.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die beiden von den Beklagten vertriebenen Produkte "Prontosan-Lösung" und "Prontosan-Gel" seien keine zulassungspflichtigen Arzneimittel iSd § 1 Abs 1 Z 1 bis 5 AMG, sondern kosmetische Mittel iSd § 5 LMG. Dies werde nach dem Gesamteindruck der Beil./D bei flüchtiger Wahrnehmung von einem nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise so aufgefasst. Schon die Abbildung auf der ersten Seite, ein blauer Tropfen, lasse an Wasser und somit an Reinigung und Waschen denken. In den Beschreibungen sei von Reinigung, Pflege und MRSA-Dekontamination zu lesen. Immer wieder werde das Waschen genau beschrieben. Von einer Heilwirkung sei nichts zu lesen. Die wiederkehrende Anregung, Waschlappen zu verwenden, deute auf einen Waschvorgang hin, ebenso die Möglichkeit der Reinigung von Brillen, Schmuck und Prothesen, welche Gegenstände üblicherweise mit Waschmitteln und nicht mit Arzneimitteln gereinigt würden. Auch die Abgabe in Kanistern deute eher nicht auf ein Arzneimittel hin. Die Bemerkungen auf der letzten Seite des Folders "Wundreinigung als Voraussetzung zur Heilung" gäben keinen Hinweis darauf, dass die Produkte heilende Wirkung hätten. Dies gelte auch für die Bemerkungen "Erfolg nach drei Behandlungen" und "Erfolg nach 2 Anwendungen", die weder auf ein Arzneimittel noch auf eine Heilungswirkung hindeuteten; auch Waschmittel könnten erfolgreich angewendet werden. Beil./D vermittle nur den Eindruck, dass die Produkte der Beklagten zum Schutz, zur Reinigung, Pflege und Verbesserung des Gebrauchs von Prothesen im Bereich der Haut und ihrer Anhangsgebilde und der Mundhöhle empfohlen würden.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Entscheidung nicht von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweiche und der Lösung der Rechtsfrage keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme. Für die Beurteilung, ob ein Produkt nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sei, bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper die Zweckbestimmung des AMG zu erfüllen, sei die allgemeine Verkehrsauffassung maßgebend. Die für die Beurteilung von Werbeankündigungen zu § 2 UWG entwickelten Grundsätze seien auch hier heranzuziehen; entscheidend sei demnach der Gesamteindruck der Ankündigung, wie er sich bei flüchtiger Wahrnehmung für einen nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Kreise ergibt. Die von den Beklagten vertriebenen Produkte seien kosmetische Mittel iSd § 5 LMG, von denen die Beklagten im beanstandeten Werbefolder keine arzneilichen Wirkungen behaupteten; weder in Aufmachung noch im Inhalt der Ankündigung werde bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, es handle sich um Arzneimittel. Die verwendete Formulierung "Reinigung & Dekontamination von Haut, Schleimhaut, oberflächigen Wunden ..." spreche keineswegs zwingend dafür, dass es sich um die Werbung für ein Arzneimittel handle. Dies gelte in gleicher Weise für die Beschreibung des Produktprofils und die Gebrauchsanweisung, wo etwa ausdrücklich angemerkt werde, dass die beiden Produkte "Körperpflegemittel im Sinne der Kosmetikverordnung" seien. Auch sei im Zusammenhang mit dem MRSA-Erreger und dem Gebrauch der "Prontosan-Lösung" ausdrücklich von einer Waschanweisung die Rede. Mit diesem Produkt könnten auch Brillen, Schmuck, Prothesen uä äußerlich wischdekontaminiert werden. Auch aus dem Ergebnis der Referenzen von Autoren hinsichtlich dieser beiden Produkte (wie etwa "Erfolg nach drei Behandlungen", "Wundreinigung als Voraussetzung zur Heilung" oder "Erfolg nach 2 Anwendungen") könne bei den angesprochenen Verkehrskreisen selbst bei ungünstigster Auslegung nicht der Eindruck entstehen, dass es sich dabei um ein die genannten Wirkungen eines Arzneimittels entfaltendes Produkt handle. Nach der Lebenserfahrung sprächen auch die Begriffe "Behandlung" oder "Anwendung" nicht dafür, dass damit ein Arzneimittel beworben würde, zumal man etwa auch verunreinigte Stoffe mit Fleckputzmitteln behandle oder auch nicht in den medizinischen Bereich fallende Reinigungsmittel für die verschiedensten Produkte (Wäsche, Schuhe, Haushaltsgegenstände etc) "angewendet" würden. Die Referenz "Wundreinigung als Voraussetzung zur Heilung" lege keineswegs den Eindruck nahe, dass erst durch die Anwendung der Produkte der Beklagten die Heilung bewirkt werden könne, vielmehr werde nur ganz allgemein festgestellt, dass eben erst nach Reinigung einer Wunde (verbunden mit allfälliger medizinischer Behandlung) eine Heilung einsetzen könne. Weil sich die beanstandete Werbung an ein Fachpublikum (Ärzte und sonstiger Verbraucher oder Mitarbeiter in Spitälern und Krankenheilanstalten) wende, müsse nicht darauf eingegangen werden, welchen Eindruck sie auf medizinische Laien mache.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die betroffenen Produkte in Ansehung der ihnen zugesprochenen Eigenschaften unzutreffend beurteilt hat; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, die im Folder Beil./D beworbenen Produkte würden als zur Reinigung, Pflege oder Dekontamination (Keimreduktion) von Haut und Wunden im Zusammenhang mit dem MRSA-Erreger empfohlen, es würden ihnen also nach Art und Form ihres Inverkehrbringens Eigenschaften eines Arzneimittels (Beseitigung von Parasiten durch antiseptische Behandlung der Haut) zugesprochen; damit seien sie Arzneimittel iSd § 1 Abs 1 AMG. Angesprochen durch das Werbemittel sei das medizinische Personal eines Krankenhauses, das die zur Beschreibung der Produkte verwendeten Begriffe "Behandlungen", "Wundreinigung" und "Heilung" im Sinne einer Behauptung von arzneilichen Wirkungen verstehe. Dazu ist zu erwägen:

Gemäß § 1 Abs 1 AMG sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen, vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen, Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen oder die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen. Als Arzneimittel gelten Gegenstände, die ein Arzneimittel enthalten oder auf die ein Arzneimittel aufgebracht ist oder die zur Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, sofern sie dazu bestimmt sind, für die Herstellung von Arzneimitteln verwendet zu werden (§ 1 Abs 2 AMG). Arzneispezialitäten sind Arzneimittel, die im voraus stets in gleicher Zusammensetzung hergestellt und unter der gleichen Bezeichnung in einer zur Abgabe an den Verbraucher oder Anwender bestimmten Form in Verkehr gebracht werden (§ 2 Abs 5 AMG).

Keine Arzneimittel sind gemäß § 1 Abs 3 Z 3 AMG unter anderem kosmetische Mittel iSd § 5 LMG, sofern ihre Anwendung und Wirkung auf den Bereich der Haut und ihrer Anhanggebilde und der Mundhöhle beschränkt sind. Kosmetische Mittel sind nach § 5 LMG Stoffe, die zur Reinigung, Pflege oder Vermittlung bestimmter Geruchseindrücke des Menschen, zur Beeinflussung des menschlichen Äußeren, zum Schutz der Haut oder zur Reinigung, Pflege oder Verbesserung des Gebrauches von Prothesen bestimmt sind. Darunter fallen nach der Rechtsprechung zB Insektenabwehrmittel ("Repellents"; SZ 67/11 = ÖBl 1994, 121 - Tyrasan).

Gemäß § 1 Abs 3 Z 8 AMG sind keine Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die ausschließlich prophylaktischen Zwecken dienen, um Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen, sofern ihre Anwendung und Wirkung auf die gesunde Haut und deren Anhangsgebilde beschränkt sind und sofern sie nicht zur Anwendung am Patienten vor operativen oder anderen medizinischen Eingriffen, die eine Desinfektion der Haut voraussetzen, bestimmt sind. Mit dieser Ausnahmebestimmung wollte der Gesetzgeber "vor allem Desinfektionsmittel, die prophylaktischen Zwecken dienen und zur Anwendung an der gesunden Haut bestimmt sind", vom Arzneimittelbegriff ausnehmen (SZ 67/11 = ÖBl 1994, 121 - Tyrasan mwN).

Für die Beurteilung, ob ein Produkt nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt ist, bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper die Zweckbestimmung des AMG zu erfüllen, ist die allgemeine Verkehrsauffassung maßgebend. Demnach kommt es darauf an, wie die Angaben der Beklagten auf der Verpackung ihres Mittels und ihre sonst beim Inverkehrbringen des Produkts gemachten Äußerungen vom Verkehr aufgefasst wurden, nicht aber darauf, wie sie die Beklagte verstanden wissen wollte. Die für die Beurteilung von Werbeankündigungen zu § 2 UWG entwickelten Grundsätze sind auch hier heranzuziehen. Entscheidend ist danach der Gesamteindruck der Ankündigung, wie er sich bei flüchtiger Wahrnehmung für einen nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Kreise ergibt. Allfällige Zweifel gehen dabei zu Lasten der Beklagten, weil nach stRsp jeder Werbende bei mehrdeutigen Äußerungen die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muss (ecolex 2000, 660 [Schanda] - Kräuterdestillat Ginkgo biloba; ÖBl 2001, 73 - Gingko biloba).

Nach diesen Grundsätzen ist - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - davon auszugehen, dass die genannten Produkte im Folder Beil./D nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise (hier: mit medizinischem Fachwissen ausgestattetes Krankenhauspersonal) und bei Auslegung im ungünstigsten Sinn auch zur Wundreinigung und zur Anwendung an Defekthaut, also zu einer Anwendung nicht nur an der gesunden Haut, beworben werden. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf folgende Textstellen: "Reinigung & Dekontamination von (...) oberflächigen Wunden [also Wundbehandlung] (S.1); "Anwendungsbereich Neurodermitiker, Patienten mit Hautdefekten" (Seite 2/1.Spalte Mitte); "Zur Reinigung (...) von (...) Defekthaut" (Seite 2/2.Spalte oben); "Wundreinigung als Voraussetzung zur Heilung" [also Wundbehandlung von tw chronischen Wunden] (Seite 4/Referenzen 5, 8, 10, 12, 13, 14).

Empfohlen werden die Produkte darüber hinaus zur MRSA-Dekontamination auf Körperflächen dann, wenn neben der Reinigung eine Keimarmut erforderlich ist (S. 2/1.Spalte Mitte) und eine möglichst schnelle Reduktion der Incidenz erzielt werden soll (S. 3, 1. Absatz). Damit werden ihnen die Eigenschaft zugeschrieben, mit dem MRSA-Keim befallene Hautstellen nicht nur zu reinigen, sondern die Zahl der Keime zu verringern und die Rate des Neubefalls (hier: mit dem MRSA-Keim) herabzusetzen (vgl DUDEN, Das große Fremdwörterbuch², 302 und 644), was unter die Beseitigung körperfremder Stoffe (§ 1 Abs 1 AMG) fällt.

Werden demnach die betroffenen Produkte nach Aufmachung und Inhalt des beanstandeten Prospekts auch außerhalb der Anwendung an der gesunden Haut beworben, sind sie schon deshalb nicht mehr bloße kosmetische Mittel iSd § 5 LMG und fallen auch nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 3 Z 8 AMG. Sie sind vielmehr Stoffe iSd § 1 Abs 1 AMG, die nach Art und Form des Inverkehrbringens (auch) dazu bestimmt sind, am menschlichen Körper zur Heilung von Körperschäden (hier im besonderen: Defekthaut und Wunden) angewendet zu werden oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen (hier im besonderen: mittels MRSA-Dekontamination). Sie erfüllen demnach die Zweckbestimmung des § 1 Abs 1 AMG und sind Arzneimittel/Arzneispezialitäten, wobei diese Rechtsfolge auch durch den Prospekthinweis, die Produkte seien Körperpflegemittel iSd Kosmetikverordnung, nicht verhindert werden kann.

Arzneispezialitäten dürfen im Inland erst abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden, wenn sie vom Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz zugelassen sind (§ 11 Abs 1 AMG). Weil eine solche Zulassung für die betroffenen Produkte fehlt, verstoßen die Beklagten durch das Inverkehrbringen im Inland gegen gesetzliche Bestimmungen und verschaffen sich so einen Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch iSd § 1 UWG. Angesichts der eindeutigen Gesetzeslage ist der Verstoß den Beklagten auch subjektiv vorwerfbar.

Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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