OGH 4Ob1660/95

OGH4Ob1660/9524.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Franz H*****, 2. Michaela H*****, beide vertreten durch Dr.Wilfried Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die beklagte Partei Christa T*****, vertreten durch Dr.Leo Häusler und Dr.Johann Grasch, Rechtsanwälte in Leibnitz, wegen Einverleibung einer Dienstbarkeit (Streitwert S 100.000) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 8.August 1995, GZ 5 R 58/95-11, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Für die Frage, wie weit ein Urteil für einen zweiten Prozeß Bindungswirkung entfaltet, kommt es nicht darauf an, wie die Urteilsgrundlagen im ersten Prozeß zustandegekommen sind, ob also die Tatsachen vom Gericht auf Grund von Beweisaufnahmen festgestellt oder aber von den Parteien außer Streit gestellt wurden. Die von der Beklagten offenbar vertretene Ansicht, daß die Wirkungen eines Urteils, das auf einem unbestrittenen Sachverhalt beruht, schwächer wären als diejenigen eines Urteils mit Feststellungen über umstrittene Tatsachen, entbehrt jeder Begründung; zur Klärung dieser Frage bedarf es keiner Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Der Beklagten kann aber auch nicht darin gefolgt werden, daß das Urteil im Vorprozeß mit einer Abweisung des hier zu beurteilenden Klagebegehrens logisch vereinbar wäre, weil "denkmöglich das Befahren eines Weges aufgrund seiner besonderen Beschaffenheit mit breiten Fahrzeugen zulässig, mit Fahrzeugen, welche eine enge Spurweite aufweisen, unzulässig sein" könne. In Wahrheit schließt das - mit dem Urteil im Vorprozeß bejahte - Recht der Kläger, über die Liegenschaft der Beklagten mit breiteren Fahrzeugen zu fahren, logisch zwingend das Recht in sich, mit schmäleren Fahrzeugen zu fahren oder zu gehen. Der Fall ist mit jenem vergleichbar, bei dem im Vorprozeß ein den Sockelbetrag übersteigender Betrag zugesprochen worden war und der Beklagte im späteren Prozeß seine Verbindlichkeit, den Sockelbetrag zu leisten, bestritten hat (JBl 1994, 482; im Ergebnis zustimmend Oberhammer in JBl 1995, 459 f).

Da die Dienstbarkeit der Kläger im Vorprozeß nicht bloß Vorfrage, sondern Gegenstand des geltend gemachten Anspruches (auf Verneinung der Dienstbarkeit, soweit sie ein bestimmtes Ausmaß übersteige) war, steht die Bejahung der Bindungswirkung durch die Vorinstanzen im Einklang (auch) mit der neuesten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (1 Ob 576/92; JBl 1995, 458) und begegnet auch im Lichte der teilweisen kritischen Äußerungen im Schrifttum (Frauenberger zu JBl 1994, 482; Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 10 zu § 411) keinen Bedenken (vgl zu den Grundsätzen Fasching LB2 Rz 1517 ff; Oberhammer aaO). Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien - also die Dienstbarkeit - war "als Ganzes Gegenstand der Entscheidung im ersten Prozeß" (RZ 1989/96; JBl 1995, 458), und zwar Hauptgegenstand (RZ 1989/96; Oberhammer aaO). Eine Abweisung des nunmehrigen Klagebegehrens stünde in unauflöslichem Widerspruch zu diesem Urteil.

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