OGH 4Ob1657/95(4Ob1658/95)

OGH4Ob1657/95(4Ob1658/95)24.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Parteien 1. C***** GmbH, ***** 2. prot.Fa.Johann C*****, beide vertreten durch Dr.Christian Konzett, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagte Partei Alfred Collini Besteck-Tafelgeräte GmbH, Hohenems, Schweizerstraße 59, vertreten durch Dr.Karl Schleinzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 9,123.000,- und Feststellung (8 Cg 15/92v) und S 35,480.429,- sA (8 Cg 101/93t) infolge außerordentlicher Revision der beklagten und widerklagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12.Juli 1995, GZ 3 R 91, 92/95-94, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Mögen auch die von der Beklagten in der Zulassungsbeschwerde (§ 506 Abs 1 Z 5 ZPO) angeführten Rechtsfragen zum Teil erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO sein, so hängt doch die Entscheidung nicht von der Lösung solcher Fragen ab:

Da es hier nicht um eine Haftung der Beklagten für Schulden aus den übernommenen Teilbereichen der Klägerinnen nach § 1409 ABGB oder § 25 HGB geht, käme der Frage, ob die BMW AG (für die Beklagte) ein (Teil-)Unternehmen oder nur verschiedene bewegliche Sachen und Rechte erworben hat, nur insoweit Bedeutung zu, als Unternehmen als Gegenstand eines Rechtsgeschäftes nach Lehre und Rsp für Zwecke (ua) der Berechnung der Gewährleistungsfrist (§ 933 ABGB) als unbeweglich anzusehen sind (Spielbüchler in Rummel, ABGB2, Rz 3 zu § 293; Koziol/Welser9 II 17 mwN; SZ 28/144; EvBl 1967/84).

Auf die Länge der Gewährleistungsfrist kommt es aber hier nicht an, weil dem Kaufgegenstand in Wahrheit kein Mangel anhaftet:

Die Beklagte hat nicht behauptet, daß die von ihr übernommene Struktur so gestaltet war, daß damit nur Verlustgeschäfte erzielt werden könnten, daß also etwa die übernommenen Waren unverkäuflich, die - im Wege eines Leasingvertrages zur Verfügung gestellten (Pkt 3.3.3. des Arbeits-Übereinkommens Blg 1) - Maschinen und sonstigen Produktionseinrichtungen oder die übernommenen Werkzeuge (Pkt 3.9) als technisch überholt nicht mehr rentabel einzusetzen wären odgl. Sie hat sich vielmehr nur darauf berufen, daß die Klägerinnen in den vergangenen Jahren, insb 1988, beträchtliche Verluste erlitten hätten. Das ist aber mangels weiterer Behauptungen nicht als Eigenschaft des Kaufgegenstandes anzusehen, sondern eine Folge der Geschäftspolitik der Klägerinnen in Verbindung mit den jeweiligen Marktverhältnissen. Diese Verhältnisse waren aber der BMW AG zweifellos bekannt; die Geschäftspolitik konnte die Beklagte nach Übernahme der erworbenen Geschäftsbereiche nach ihrem Gutdünken gestalten.

Selbst wenn aber die Verluste früherer Jahre als "Eigenschaft" der verkauften Unternehmensbereiche werten wollte, wäre damit für die Beklagte nichts gewonnen. Sie wurde - nach den für den OGH bindenden - Feststellungen der Vorinstanzen über diese Verluste nicht arglistig in Irrtum geführt. Daß die (vorläufigen) Steuerbilanzen für 1988 der BMW AG auf entsprechendes Verlangen nicht gezeigt worden wären, ist dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen. Mängel aber, die bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung zutage gefördert worden wären, zählen zu den offenen Mängeln, für welche es - von der hier nicht gegebenen arglistigen Verschweigung oder einer gegenteiligen ausdrücklichen Zusage abgesehen - keine Gewährleistung gibt (§ 928 ABGB; SZ 53/63; Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 928 mwN aus der Rsp).

Ganz abgesehen davon, daß sich die Vorinstanzen bei der Verneinung einer Verletzung der Aufklärungspflicht durch die Klägerinnen ohnehin auf Rsp des OGH stützen konnten (SZ 55/51 mwN aus Lehre und Rsp, JBl 1987/657; Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 15 vor §§ 918 ff) kann diese Auffassung gerade bei der gegebenen Sachlage keinen Bedenken begegnen. Die BMW AG ist ein Fachunternehmen auf dem Gebiet der Tafelbestecke; ihr sind besondere Fachkenntnisse sowohl was die Marktverhältnisse als auch was den Wert der Waren, Maschinen, Werkzeuge udgl angeht, zuzurechnen. In einem solchen Fall besteht für den Vertragspartner nicht die Pflicht, ohne danach gefragt worden zu sein, aus eigenem darauf hinzuweisen, daß - obwohl mittlerweile eine positive Zukunftsprognose vorliegt - im Vorjahr sehr hohe Verluste entstanden sind. Da die BMW AG nach den Ergebnissen der Verhandlungen keinen Preis für "good will" zu leisten hatte (S. 809 und 817) und die Beklagte die Unternehmensverbindlichkeiten der Klägerin nicht zu übernehmen hatte (Pkt 3.10 des Arbeits-Übereinkommens), die Beklagte also Waren, Rechte und Produktionsmittel lastenfrei übernahm, kann nicht gesagt werden, daß die Klägerinnen den Umstand, daß sie große Verluste erlitten haben, als für die BMW AG wesentlich erkennen mußten, konnten sie doch damit rechnen, die Beklagte werde, ausgerüstet mit der Erfahrung der BMW AG, erfolgreicher wirtschaften.

Auf die Frage der Zurechenbarkeit des Wissens des nunmehrigen Geschäftsführers der Beklagten - der seinerzeit für die Klägerinnen verhandelt hat und über alle wesentlichen Fakten unterrichtet war - kommt es nicht an.

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