OGH 4Ob15/84

OGH4Ob15/8421.2.1984

SZ 57/36

Normen

ABGB §1431
ABGB §1435
AngG §23 Abs7
AngG §27 Z3
ABGB §1431
ABGB §1435
AngG §23 Abs7
AngG §27 Z3

 

Spruch:

Die dem Arbeitnehmer gezahlte Abfertigung kann nicht mehr zurückgefordert werden, wenn ein vom Arbeitnehmer während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses verwirklichter Entlassungstatbestand dem Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis selbst aufgekundigt hat, erst nach Ablauf der Kündigungsfrist bekannt wird

OGH 21. 2. 1984, 4 Ob 15/84 (LGZ Wien 44 Cg 165/83; ArbG Wien 2 Cr 2077/83)

Text

Der Beklagte war als gewerberechtlicher Geschäftsführer bei der klagenden GesmbH angestellt. Die Klägerin hat das Arbeitsverhältnis zum 31. 12. 1982 aufgekundigt und dem Beklagten eine - seiner Dienstzeit entsprechende - Abfertigung von 102 910.02 S gezahlt.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin vom Beklagten die Rückzahlung dieser Abfertigung. Sie behauptet, der Beklagte habe noch während des aufrechten Bestehens seines Arbeitsverhältnisses entgegen § 7 AngG ohne ihre Einwilligung ein selbständiges kaufmännisches Unternehmen betrieben und im Geschäftszweig der Klägerin "für eigene Rechnung Handelsgeschäfte gemacht". Die Klägerin habe davon erstmals am 27. 1. 1983 erfahren und mit Schreiben vom folgenden Tag (28. 1. 1983) die seinerzeit ausgesprochene Kündigung in eine Entlassung umgewandelt. Der Beklagte weigere sich, die ihm zu Unrecht ausgezahlte Abfertigung zurückzuerstatten.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren als unschlüssig abzuweisen, weil eine Entlassung nicht rückwirkend ausgesprochen werden könne; er habe im übrigen nicht gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen.

Das Erstgericht wies die Klage ohne Aufnahme von Beweisen ab. Nach der durch den Ablauf der Kündigungsfrist bewirkten Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei eine Entlassung des Arbeitnehmers schon begrifflich nicht mehr möglich gewesen. Der Abfertigungsanspruch des Arbeitnehmers bleibe in diesem Fall auch bei nachträglichem Hervorkommen von Entlassungsgrunden aufrecht.

Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Berufungsgericht, welches die Verhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem durchführte, hielt die Rechtsrüge der Klägerin für nicht begrundet. Eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses könne nur dann, wenn noch während der Kündigungsfrist Entlassungsgrunde hervorkämen, in eine - mit dem Verlust der Abfertigung verbundene - Entlassung umgewandelt werden; erst nach dem Ablauf der Kündigungsfrist bekannt gewordene Entlassungsgrunde ließen hingegen den schon entstandenen Abfertigungsanspruch des Angestellten unberührt. Der Angestellte verliere diesen Anspruch nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis auf eine der im § 23 Abs. 7 AngG angeführten Arten beendet werde. Nach dem Ende der Kündigungsfrist sei eine Entlassung des Angestellten schon begrifflich nicht mehr möglich. Die Klägerin könne ihren Rückforderungsanspruch weder auf § 1435 ABGB noch auf § 1431 ABGB stützen. Sie könne sich aber auch nicht mit Erfolg auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes berufen, weil die dem Beklagten vorgeworfene Verletzung des Konkurrenzverbotes in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Zahlung der Abfertigung stehe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen entspricht der - auch im Schrifttum gebilligten (Grünberg in ZBl. 1926, 206; Satter, Die Verwirkung des Abfertigungsanspruches nach Lösung des Dienstverhältnisses, RZ 1926, 211; Henrich, Die Abfertigung nach dem Angestelltengesetz, JBl. 1932, 308; Martinek-Schwarz, Abfertigung - Auflösung des Arbeitsverhältnisses 369; Martinek-Schwarz, AngG[5], 396 § 23 Anm. 36; vgl. dazu auch Spielbüchler in Floretta - Spielbüchler - Strasser, Arbeitsrecht I 116) - ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 13/96; Arb. 4280; Arb. 4302 = JBl. 1933, 346; Arb. 4474, 9407). Von ihr abzugehen, bieten die Rechtsmittelausführungen der Klägerin keinen Anlaß. Eine analoge Anwendung des § 23 Abs. 7 AngG auch auf jene Fälle, in denen ein noch während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses verwirklichter Entlassungsgrund dem Arbeitgeber erst nach Ablauf der Kündigungsfrist zur Kenntnis kommt, scheidet schon deshalb aus, weil die angeführte Bestimmung allein auf die Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellt. Nicht schon das Vorliegen eines Entlassungsgrundes führt danach zum Verlust des Abfertigungsanspruches, sondern die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine - vom Angestellten verschuldete - Entlassungserklärung des Arbeitgebers. Eine solche Entlassung kann zwar nach ständiger Rechtsprechung (SZ 5/263 ua.) auch noch während der durch eine Kündigung des Arbeitgebers in Lauf gesetzten Kündigungsfrist ausgesprochen werden. Ist aber die Kündigungsfrist abgelaufen und damit das Arbeitsverhältnis beendet, dann ist eine nochmalige Auflösung dieses - gar nicht mehr existenten - Arbeitsverhältnisses durch eine (rückwirkende) Entlassungserklärung schon begrifflich ausgeschlossen. Für die von der Klägerin angestrebte teleologische Reduktion des § 23 Abs. 7 AngG, nach welcher für den Entfall des Abfertigungsanspruches allein der Zeitpunkt der Verwirklichung des Entlassungsgrundes ausschlaggebend sein soll, ist angesichts der klar erkennbaren Absicht des Gesetzgebers, den Verlust des Abfertigungsanspruches nur von der Art der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängig zu machen, kein Raum. Daß die hier vertretene Auffassung gelegentlich auch zu unbefriedigenden Ergebnissen führen kann, ist der Klägerin zuzugeben; schon das Berufungsgericht hat aber in diesem Zusammenhang mit Recht darauf verwiesen, daß nur auf diese Weise eine nachträgliche Korrektur der zur Beendigung des Vertrages führenden Auflösungserklärung - mit all ihren der Rechtssicherheit nicht gerade förderlichen Konsequenzen - vermieden werden kann.

Aus dem bisher Gesagten folgt, daß der Rechtsgrund der dem Beklagten gezahlten Abfertigung - die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung seitens der Arbeitgeberin - auch durch das nachträgliche Hervorkommen solcher Umstände, welche die Klägerin zur Entlassung des Beklagten aus dem Gründe des § 27 Z 3 AngG berechtigt hätten, nicht berührt würde. Da sohin der "rechtliche Grund", die Abfertigung zu behalten, für den Beklagten keineswegs "aufgehört" hat, ist der von der Klägerin primär herangezogene § 1435 ABGB ebensowenig eine taugliche Rechtsgrundlage für ihren Rückforderungsanspruch wie der - in der Revision nicht mehr relevierte - § 1431 ABGB.

Dem Zahlungsbegehren der Klägerin kann aber auch die Berufung auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes nicht zum Erfolg verhelfen. Schon das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang mit Recht auf das Fehlen eines Kausalzusammenhanges zwischen der dem Beklagten vorgeworfenen Verletzung des gesetzlichen Wettbewerbsverbotes (§ 7 AngG) und der Zahlung der Abfertigung durch die Klägerin verwiesen. Ursache dieser Leistung der Klägerin wäre auch bei Annahme der Richtigkeit ihres Vorbringens nicht das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Beklagten, sondern vielmehr die Unkenntnis der Klägerin von dieser Gesetzesverletzung ihres Angestellten. Da jedoch eine Rechtspflicht des Arbeitnehmers, noch vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber alle diesem bis dahin unbekannt gebliebenen Entlassungsgrunde mitzuteilen, nicht besteht, könnte auch das Unterlassen einer Meldung der (angeblichen) Konkurrenztätigkeit durch den Beklagten nicht als rechtswidrig angesehen werden. Der Rückerstattungsanspruch der Klägerin erweist sich daher auch unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes nach §§ 1295 ff. ABGB als nicht gerechtfertigt.

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