OGH 4Ob151/12b

OGH4Ob151/12b18.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R***** GmbH, *****, 2. Dr. A***** Z*****, beide vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagten Parteien 1. T***** GmbH, *****, 2. Mag. C***** N*****, *****, beide vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 39.000 EUR), infolge „außerordentlichen“ Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. Juni 1012, GZ 1 R 112/12s-18, womit infolge Rekurses der klagenden Parteien und der beklagten Parteien der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 18. April 2012, GZ 39 Cg 42/11m-10, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Die klagenden Parteien beantragten, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung sechs näher umschriebene Äußerungen oder diesen ähnliche Äußerungen zu tätigen. Sie bewerteten die dem Sicherungsantrag zugrunde liegenden Unterlassungsansprüche mit insgesamt 39.000 EUR.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung zur Sicherung des auf §§ 1, 7 UWG und § 1330 ABGB gestützten Unterlassungsanspruchs hinsichtlich drei Äußerungen. Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung mit seiner nach dem 30. 6. 2009 gefassten Entscheidung (Art 16 Abs 4 Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I Nr 52/2009) dahin ab, dass es dem Sicherungsantrag hinsichtlich fünf Äußerungen stattgab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Dagegen richtet sich der an den Obersten Gerichtshof gerichtete „außerordentliche Revisionsrekurs“ der Beklagten mit dem (Haupt-)Antrag, der Oberste Gerichtshof möge den angefochtenen Beschluss dahin abändern, dass der Sicherungsantrag zur Gänze abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht legte den Akt verfrüht zur Entscheidung vor:

In Streitigkeiten, in denen der Entscheidungsgegenstand zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und in denen das Gericht zweiter Instanz die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ausgesprochen hat, ist auch im Sicherungsverfahren gemäß § 402 Abs 4, § 78 EO und § 528 Abs 2 Z 1a ZPO - vorbehaltlich des § 528 Abs 2a ZPO - ein Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0097221 [T1, T3]). Gemäß §§ 528 Abs 2a, 508 ZPO kann allerdings in einem solchen Fall eine Partei einen Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist der ordentliche Revisionsrekurs auszuführen. Dieser mit dem ordentlichen Revisionsrekurs zu verbindende Antrag ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rekursgericht zu behandeln. Der Oberste Gerichtshof ist in solchen Fällen zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses funktionell unzuständig.

Dies gilt auch, wenn das Rechtsmittel - wie hier - als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird (vgl § 84 Abs 2 letzter Satz ZPO) und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist. Dieser darf hierüber nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtmittelwerber in dem Schriftsatz nicht im Sinn des § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Änderung des Ausspruchs des Gerichts zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RIS-Justiz RS0109620).

Werden - wie hier - in einer Klage mehrere Ansprüche geltend gemacht, bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; sonst sind sie getrennt zu behandeln (RIS-Justiz RS0053096, RS0037838, RS0042349).

Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision (des Revisionsrekurses) sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang stehen, gemäß § 55 JN insoweit zusammenzurechnen, als das Berufungsgericht (Rekursgericht) darüber entschieden hat (RIS-Justiz RS0037838; RS0042349). Ein tatsächlicher Zusammenhang ist dann zu bejahen, wenn alle Klageansprüche aus demselben Klagssachverhalt abzuleiten sind. Das ist dann der Fall, wenn das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ergänzende Sachvorbringen erforderlich wären (RIS-Justiz RS0042766). In diesem Zusammenhang ist nicht darauf abzustellen, welche Behauptungen unabdingbar sind, damit das Vorbringen noch schlüssig ist, sondern es kommt darauf an, ob die Begehren aus einem Sachverhalt abgeleitet werden, der als Einheit aufgefasst wird und dessen Kenntnis daher notwendig ist, um den Sachverhalt rechtlich richtig beurteilen zu können (4 Ob 132/12h). Ein rechtlicher Zusammenhang fehlt, wenn die Ansprüche ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können (17 Ob 22/10z; 4 Ob 79/10m; 4 Ob 132/12h).

Im vorliegenden Fall leiten sich die sechs Unterlassungsbegehren zwar aus einem einzigen Schreiben der Erstbeklagten an eine Tageszeitung ab, den einzelnen (von den Klägern als unwahre Vorwürfe beanstandeten) Äußerungen liegen aber jeweils unterschiedliche Tatsachenbehauptungen zugrunde, weshalb das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen nicht ausreicht, auch über den Wahrheitsgehalt der anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können. Damit fehlt es an dem von § 55 JN geforderten tatsächlichen Zusammenhang.

Das Rechtsmittel wäre demnach dem Rekursgericht vorzulegen gewesen. Dies wird das Erstgericht nunmehr nachzuholen haben. Ob die im Schriftsatz enthaltenen Ausführungen, wonach der Revisionsrekurs zulässig sei, den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entsprechen, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS-Justiz RS0109623 [T5], RS0109501 [T12]).

Aus diesen Erwägungen ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.

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