OGH 4Ob142/53

OGH4Ob142/5315.9.1953

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Höller als Vorsitzenden und durch den Rat des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernard, den Rat des Oberlandesgerichts Dr. Stanzl sowie die Beisitzer Guldan und Dr. Pipa als Richter, in der Rechtssache der klagenden Partei A* S* im eigenen Namen und namens der mj K* und W* S*, vertreten durch Dr. Friedrich Zabransky, Rechtsanwalt in Wien VI, wider die beklagte Partei B*, vertreten durch Dr. Josef Berkovits, Rechtsanwalt in Wien I, wegen 22.800 S infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 16. April 1953, GZ 44 Cg 72/53‑36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichts Wien vom 18. Dezember 1952, GZ 6 Cr 93/52‑28, abgeändert wurde in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1953:0040OB00142.53.0915.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass das Begehren der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, ihnen einen Betrag von 22.800 S samt 4 % Zinsen von 6.000 S für die Zeit vom 1. Juli 1948, bis 31. Mai 1951 und von 22.800 S seit 1. Juni 1951 zu bezahlen, abgewiesen wird.

Die Kläger sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen bei Exekution an Verfahrenskosten zu ersetzen:

1.) A* S* 196,49 S

2.) der mj K* S* 294,75 S

3.) der mj W* S* 294,75 S

 

Entscheidungsgründe:

In seiner am 16. 5. 1951 eingebrachten Klage begehrte K* S* als Angestellter der beklagten Partei die Bezahlung von zehn Monatsgehältern im Betrage von 6.000 S.

Da K* S* am 24. 5. 1951 starb, traten seine Witwe und seine beiden Kinder in den Rechtsstreit als Kläger ein. Der Witwe war der Nachlass zu 1/4, den Kindern zu je 3/8 eingeantwortet worden. Bei der mündlichen Berufungsverhandlung vom 30. 9. 1952, ON 20, dehnten die Kläger das Begehren dahin aus, dass sie Aktivitätsbezüge von Oktober 1947 bis Mai 1951, somit für einen Zeitraum von 44 Monaten á 600 S, d.s. 26.400 S

sowie weitere die halbe Abfertigung in der Höhe von neun Monatsbezügen, d.s. 2.700 S

sohin zusammen 29.100 S

verlangten.

Im Berufungsverfahren schränkten die Kläger ihr Begehren infolge Zahlung der mit dem Ersturteil zugesprochenen 6.300 S auf einen Kapitalbetrag von 22.800 S ein.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

K* S* war seit 1. 1. 1930 Angestellter der Beklagten gewesen. Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft am 29. 9. 1947 begab sich seine Frau, die Erstklägerin, am 30. 9. 1947 zur beklagten Partei und verlangte dort einen Krankenschein. Bei dieser Gelegenheit teilte ihr der Direktionssekretär der beklagten Partei H* S* mit, dass K* S* aus den Diensten der beklagten Partei ausgeschieden sei. Einige Tage später, etwa am 7. 10. 1947 erschien K* S* bei der beklagten Partei, wobei ihm S* mitteilte, dass er wegen seiner Sechsmillionenmitgliedsnummer für eine Verwendung nicht mehr in Betracht komme. K* S* nahm diese Erklärung zur Kenntnis und sagte, er werde die beklagte Partei deshalb nicht klagen. K* S* hatte die NSDAP‑Mitgliedsnummer * mit einem Eintrittsdatum vom 1. 5. 1938.

Aufgrund dieser Feststellungen nahm das Erstgericht an, dass K* S* nicht Illegaler im Sinne des Verbotsgesetzes gewesen sei. Die festgestellte Erklärung des H* S* beurteilte das Erstgericht als Kündigung, sodass das Dienstverhältnis mit 31. 3. 1948 nach seiner Auffassung aufgelöst worden ist. K* S* habe daher Gehalt bis zu diesem Zeitpunkt, d.s. 6 Mal 600 S = 3.600 S sowie eine Abfertigung von sechs Monatsgehältern, das wären ebenfalls 3.600 S, gebührt. Da aber nur 2.700 S als Abfertigung begehrt seien, sei den Klägern ein Betrag von insgesamt 6.300 S zuzusprechen und das Mehrbegehren abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht kam zu denselben Feststellungen. Es nahm aber Illegalität des K* S* an, weil die Zuteilung einer Sechsmillionennummer mit dem Aufnahmedatum 1. 5. 1938 die Vermutung der Illegalität begründe. Der zulässige Gegenbeweis sei nicht erbracht worden. Ferner erblickte das Berufungsgericht in den festgestellten Erklärungen des S* keine rechtswirksame Kündigung, weil im Verfahren jede Handhabe dafür fehle, dass dem S* überhaupt die Befugnisse eines selbständigen Handelns in Personalangelegenheiten zugestanden seien.

Da die Beklagte unterlassen habe, eine Verfügung gemäß II/2 Z 6 NSG hinsichtlich des illegalen Dienstnehmers zu treffen, habe sein Dienstverhältnis bis zu seinem Tode fortbestanden. Es stehen ihm daher vom Oktober 1947 bis 24. 5. 1951 für 43 Monate und 24 Tage Aktivitätsbezüge von zusammen 26.280 S und an Abfertigung 2.700 S zu, sodass nach Abrechnung der Teilleistung von 6.300 S ein Kapitalbetrag von 22.680 S zuzusprechen und das Mehrbegehren abzuweisen gewesen sei.

Das Urteil des Berufungsgerichts bekämpft die beklagte Partei in ihrer Revision wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung, soweit sie zur Zahlung von 22.680 S samt Nebengebühren verurteilt worden ist. Die beklagte Partei beantragt, das Urteil des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass das Urteil der ersten Instanz wiederhergestellt werde.

Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist begründet.

Zunächst ist der Revision beizustimmen, wenn sie die Ausführung des Berufungsgerichts als aktenwidrig rügt, dass im Verfahren jede Handhabe dafür fehle, dass dem H* S* überhaupt die Befugnisse eines selbständigen Handelns in Personalangelegenheiten zugestanden haben. Es trifft zu, dass H* S* bei seiner Vernehmung als Zeuge am 6. 6. 1952, ON 12, bekundet hat, dass der Betriebsrat der Entlassung des S* zugestimmt habe und dass seine Verfügung im Einvernehmen mit dem Generaldirektor ergangen sei. Wenn diese Aussage auch wegen des dann eingetretenen Senatswechsels nicht ohne Weiteres bei der Urteilsfällung verwertbar war, so hätte sie doch Anlass zur entsprechenden Fragestellung bei der zweiten Vernehmung des Zeugen S* geben müssen, so dass in dieser Beziehung, abgesehen von der unterlaufenen Aktenwidrigkeit, auch eine allerdings nicht gerügte Mangelhaftigkeit vorliegt.

Sowohl Aktenwidrigkeit wie Mangelhaftigkeit sind aber deswegen unerheblich, weil auch dann, wenn man von den Feststellungen der Untergerichte ausgeht, die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts unhaltbar ist. Selbst wenn S* nicht zu der abgegebenen dienstrechtlichen Erklärung ermächtigt gewesen sein sollte, könnte der Mangel der Ermächtigung nur dann eine Rolle spielen, wenn er S* etwas anderes mitgeteilt hätte als das, was der Absicht und dem Willen des Dienstgebers entsprach. Die klagenden Parteien können aber nicht behaupten, dass S* an anderer maßgebender Stelle ein anderer Bescheid zuteil geworden ist oder zuteil geworden wäre und dass die Erklärung, S* komme für die Verwendung bei der Beklagten nicht mehr in Betracht, nicht deren Willen entsprochen hätte (OGH 7. 7. 1953, 4 Ob 70/53). Überdies entspricht es herrschender Auffassung, dass dem angeblich Vertretenen freisteht, die Handlung seines Vertreters ohne Vertretungsmacht zu genehmigen und dass diese Genehmigung zurückwirkt (Ehrenzweig I/1, S 282). Die Genehmigung einer allenfalls ohne Vertretungsmacht abgegebenen Erklärung des S* ist aber spätestens durch das Verhalten der Beklagten im Rechtsstreit erteilt worden.

Geht man davon aus, dass S* am 7. 10. 1947 S* in befugter Weise erklärt hat, dass das Dienstverhältnis nicht fortgesetzt werde, so muss die Erklärung des S* als Ausscheidungserklärung gemäß §§ 8 Abs 1, 12 BÜG, II/1 Z 5 NSG angesehen werden. Die Erklärung hat daher die Lösung des Dienstverhältnisses mit 30. 11. 1947 bewirkt.

Bei dieser Rechtsauffassung hat S* Gehalt für Oktober und November 1947 sowie die Abfertigung für sechs Monate zu beanspruchen. Dies ergibt bei dem außer Streit gestellten Monatsentgelt von zusammen 600 S insgesamt 4.800 S. Die Beklagte hat aber den mit dem Ersturteil zugesprochenen Betrag von 6.300 S nach dem Vorbringen der klagenden Parteien bereits bezahlt und die klagenden Parteien haben um diesen Betrag ihr Begehren im Berufungsverfahren eingeschränkt. Wenn die Beklagte in ihrer Revision auch beantragt hat, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen, so muss dennoch auf die Einschränkung des Klagebegehrens im Berufungsverfahren Bedacht genommen werden, weil insoweit ein Begehren der klagenden Partei überhaupt nicht mehr vorliegt.

An Kosten gebühren den Klägern für das Verfahren erster Instanz für die Zeit bis zur Klageausdehnung gemäß § 41 ZPO 2.174,85 S. Für das folgende Verfahren bis zur Fällung des Urteils der ersten Instanz vom 18. 12. 1952, ON 58, haben die Kläger gemäß § 41 ZPO der Beklagten ca 3/5 der Verfahrenskosten, d.s. 600 S, zu ersetzen. Da die Kläger im Rechtsmittelverfahren zur Gänze unterlegen sind, waren der beklagten Partei die Kosten des Berufungsverfahrens im Betrage von 1.273,80 S und des Revisionsverfahrens im Betrage von 1.087,04 S zuzusprechen. Dies ergibt eine Restschuld der Kläger per 785,99 S. Hievon haben A* S* 1/4 und die Minderjährigen K* S* und W* S* je 3/8 zu tragen.

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