OGH 4Ob13/93

OGH4Ob13/9326.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Schutzverband *****, vertreten durch Dr.Marcella Prunbauer und Dr.Martin Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei R***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Matthäus Grilc und Dr.Roland Grilc, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 100.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 29.September 1992, GZ 1 R 77/92-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 4. Februar 1992, GZ 27 Cg 297/91-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 20.997,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.499,60 Umsatzsteuer und S 6.000 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte verteilte im September und Oktober 1991 für ihre Zweigstellen in Eberndorf, Villach und St.Veit/Glan Prospekte, deren Deckblatt (verkleinert) so aussah:

Auf den Seiten 3 und 4 des Prospektes wurde ua folgendes angeboten:

Auf der letzten Seite des Prospektes war ua zu lesen:

"Aktion 2 Jahre zinsenfrei Kredit

Bei einem Mindestauftragswert von S 5.000,- erhalten Sie auf alle Möbel, die Sie im Aktionszeitraum kaufen, 2 Jahre zinsenfreien Kredit. Sie zahlen nur 30 % Anzahlung und eine geringe Bearbeitungsgebühr; den Rest in 24 Monatsraten."

Erhebungen des klagenden Schutzverbandes haben ergeben, daß auch Konkurrenten der Beklagten dieses Schlafzimmer - sogar zu günstigeren - Preisen verkauften. So bot die Firma F***** in Villach und Klagenfurt im Rahmen eines "Jubiläumsangebotes" bis zum 21.10.1991 auf Seite 6 ihres Prospektes das gleiche Schlafzimmer, und zwar in der Variante mit dem 6-türigen Schrank und zwei Nachtkästchen, um S

31.780 an.

Eine Umfrage des Landesgremiums des Möbelhandels in der Sektion Handel der Handelskammer Kärnten vom 7.1.1992 bei R*****-Möbel, F*****, S***** in Klagenfurt, H*****l in Wolfsberg und K***** in Klagenfurt ergab, daß mit Ausnahme der Firma K***** alle anderen bei Möbelkäufen die Waren gratis liefern.

Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, für Waren mit dem Slogan "garantierter Tiefstpreis" zu werben, wenn tatsächlich die so beworbenen Waren (zumindest teilweise) von Konkurrenten zu günstigeren Preisen angeboten werden; außerdem stellt er ein Veröffentlichungsbegehren. Die K***** Handelsgesellschaft mbH in Klagenfurt habe im Oktober 1991 ohne zeitliche Beschränkung ein gleichartiges Schlafzimmer wie die Beklagte - sogar einschließlich eines 6-türigen Kleiderschrankes mit zwei Spiegeltüren - um S 28.690 angeboten (S. 21). Die Beklagte hätte sich vor der Ankündigung eines "garantierten Tiefstpreises" über die Angebote auf dem Markt erkundigen müssen. Da auch andere Mitbewerber gleiche oder vergleichbare Waren zu günstigeren Bedingungen anböten, sei die Ankündigung eines "garantierten Tiefstpreises" unzutreffend und verstoße damit gegen § 2 UWG.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der von ihr angekündigte "garantierte Tiefstpreis" sei im Zusammenhang mit der weitaus plakativer herausgestrichenen Aktion "2 Jahre 0,00 % Zinsen", "inklusive Gratis-Lieferung" zu sehen. Habe man diese Bedingungen vor Augen, dann seien sie zweifellos wesentlich günstiger als das Jubiläumsangebot der Firma F*****. Ein derartiger Jubiläumspreis könne nicht mit dem - hier von der Beklagten verlangten (S. 21 f) - Normalpreis verglichen werden. Das Gesamtpreisniveau der Beklagten liege deutlich unter dem Preisniveau der Mitbewerber (S. 22).

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Die beanstandete Werbung verstoße gegen § 2 UWG, weil sie geeignet sei, bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise unrichtige Vorstellungen hervorzurufen. Selbst wenn die Beklagte die Ankündigung, Waren zum "garantierten Tiefstpreis" zu verkaufen, mit einer Zinsenaktion "2 Jahre 0,00 % Zinsen" kombiniert habe, ändere das nichts an der Tatbestandsmäßigkeit nach § 2 UWG; in diesem Fall handle es sich um eine mehrdeutige Angabe, bei welcher der Werbende die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen müsse. Im vorliegenden Fall stünden einander zwei Sonderaktionen - und zwar eine der Beklagten und eine der Firma F***** - gegenüber, wobei die Ankündigung der Firma F***** früher begonnen und die Beklagte daher die Möglichkeit gehabt habe, ihre eigenen Preise auf die des Vergleichspartners F***** einzurichten. Da ein Bedürfnis zur Aufklärung des Publikums über den wahren Sachverhalt bestehe, sei der Veröffentlichungsanspruch des Klägers zu bejahen.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die - in die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes aufgenommene - ergänzende Feststellung, daß die Ankündigung des Aktionspreises der Firma F***** früher begonnen habe als die beanstandete Werbung der Beklagten, finde weder im Vorbringen des Klägers noch in irgendwelchen Beweisergebnissen Deckung; als überschießende Feststellung habe sie unberücksichtigt zu bleiben. Die Behauptung der Beklagten, daß die von ihr im Prospekt angeführten Preise ihre Normalpreise seien, sei nicht substantiiert bestritten worden; das Gegenteil ergebe sich auch nicht aus dem Prospekt. Wohl aber sei die vom Erstgericht zutreffend angenommene Verbilligungsaktion aus der Kreditgewährung abzuleiten, weil bei der mehrfach erwähnten Schlafzimmergarnitur und ihrem ausgewiesenen Preis von S 31.980 unter Berücksichtigung der 30 %igen Anzahlung von S

10.660 bei üblichen Personalkreditzinsen von 12 % vom Restbetrag bei 24 Monatsraten vom fallenden Kapital schon die anlaufenden Zinsen S

2.560 ergäben, welche der Ratenkäufer sonst tragen müßte. Eine solche Kreditaktion sei aber dem Aktionsprospekt der Firma F***** nicht zu entnehmen. Die beanstandete Werbung sei von jedermann als marktschreierisch zu erkennen und werde im Kern auf die Behauptung einer im Vergleich zu den Mitbewerbern besonders preisgünstigen Einkaufsgelegenheit zurückgeführt werden. Niemand werde annehmen, daß ein Möbelhändler tatsächlich bei jedem einzelnen der zahlreichen angebotenen Waren immer und zu jeder Zeit die niedrigsten Preise haben werde. Den objektiven Tatsachenkern hingegen - daß nämlich die Beklagte im Vergleich zu ihren Mitbewerbern eine besonders günstige Einkaufsmöglichkeit biete - habe der Kläger mit dem Hinweis darauf, daß die Beklagte einen einzigen Artikel zu einem geringfügig höheren Preis als ein Mitbewerber verkauft habe, nicht entkräftet.

Gegen dieses Urteil wendet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Ersturteil wiederhergestellt werde.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht; sie ist auch berechtigt.

Dem Kläger ist darin zuzustimmen, daß der hier zu beurteilende Sachverhalt nicht mit jenem verglichen werden kann, der den Entscheidungen ÖBl 1984, 97 und ÖBl 1989, 45 zugrunde lag. Die dort beanstandete Werbeaussage "Wir sind immer billiger" wurde als "marktschreierische Anpreisung" gewertet - welche dann vorliegt, wenn eine Anpreisung von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht wörtlich genommen, sondern sogleich als nicht ernst gemeinte Übertreibung aufgefaßt und damit von jedermann unschwer auf ihren tatsächlichen Gehalt zurückgeführt wird -, weil niemand annehmen werde, ein Kaufmann habe immer und zu jeder Zeit bei jedem einzelnen von zahlreichen angebotenen Artikeln des täglichen Bedarfs die niedrigsten Preise. Hier aber hat die Beklagte im Zuge einer "Aktion vom 7.10. bis 31.10.1991" in ihrem Prospekt eine begrenzte Anzahl von Möbeln zu bestimmten Preisen angeboten und gleichzeitig behauptet, sie biete den "garantierten Tiefstpreis". Daß auch diese Aussage von niemandem ernst genommen würde, kann nicht gesagt werden; vielmehr mußte in den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt werden, die Beklagte verlange innerhalb der Aktionszeit für die einzelnen angepriesenen Waren "garantiert" den tiefsten Preis, der auf dem Möbelmarkt zu finden ist. Selbst wenn man annehmen wollte, daß ein Teil des Publikums den Hinweis der Beklagten auf den "garantierten Tiefstpreis" von vornherein für unglaubwürdig gehalten hätte, wäre für die Beklagte nichts zu gewinnen, ist doch im Zweifel immer eine ernst gemeinte Tatsachenbehauptung anzunehmen (ÖBl 1984, 73; ÖBl 1986, 102 ua).

Daß aber die Beklagte zumindest für einen der im Prospekt gezeigten Artikel einen höheren Preis als andere Mitbewerber verlangte, hat der Kläger schon damit bewiesen, daß die Firma F***** für die aus einem Doppelbett einem einem 6-türigen Kleiderschrank mit einer Spiegeltür bestehende Schlafzimmereinrichtung, für welche die Beklagte S 34.980 verlangt, den Jubiläumspreis von S 31.780 angeboten hat. Dazu kommt, daß die Firma F***** für diesen Preis auch noch zwei Nachtkästchen lieferte, während dem Angebot der Beklagten nicht oder nicht eindeutig zu entnehmen war, daß die - im Bild gleichfalls gezeigten - Nachtkästchen in den Preis einbezogen waren. Der im Werbeprospekt der Beklagten groß herausgestrichene Preis von S 31.980 bezieht sich auf ein Schlafzimmer mit einem bloß 5-türigen Schrank und ist daher nicht mit dem Preis der Firma F***** von S 31.780 zu vergleichen. Beträgt aber der Preisunterschied - unter Vernachlässigung der Nachtkästchen - S 3.200, dann wäre die beanstandete Werbeaussage der Beklagten auch dann nicht zu rechtfertigen, wenn man ihre günstigen Zahlungskonditionen berücksichtigen wollte. Im übrigen aber mußte zumindest ein nicht unbeträchtlicher Teil des Publikums die Werbung der Beklagten dahin verstehen, daß diese auf dem Möbelmarkt den niedrigsten Preis verlange und außerdem eine zinsenfreie Teilzahlung ermögliche. Verlangten aber Mitbewerber im maßgeblichen Zeitpunkt einen geringeren Preis als die Beklagte, dann ist der Hinweis auf den garantierten Tiefstpreis trotz der günstigen Teilzahlungskonditionen unrichtig. Diesem Irrtum kommt durchaus Bedeutung zu, weil nicht gesagt werden kann, daß alle Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise - von einzelnen Ausnahmen abgesehen - den angebotenen Ratenkauf in Betracht zögen und keinesfalls an die sofortige Begleichung des Kaufpreises dächten.

Auf die Frage, ob die von der Beklagten angegebenen Preise nur innerhalb der Aktionszeit oder ständig verlangt werden, kommt es nicht an; maßgebend ist vielmehr, daß die Werbung der Beklagten jedenfalls auch dahin verstanden werden konnte, daß nur während der Aktion der garantierte Tiefstpreis gelte. In diesem Fall erweckt aber die Ankündigung den Eindruck, daß während der Zeit vom 7. bis zum 31.10.1991 niemand - auch nicht im Zuge einer besonderen Aktion - billiger als die Beklagte sei. Die Entscheidung ÖBl 1984, 75 - Elektrogeräte-Bestpreisgarantie hatte insofern einen andersartigen Sachverhalt zum Gegenstand, als dort der Beklagte behauptet hatte, ständig für alle Waren den niedrigsten Preis zu bieten.

Dem Vorwurf des Klägers, die Beklagte habe es unterlassen, vor der beanstandeten Werbung zu untersuchen, ob nicht Mitbewerber gleiche Waren zu günstigeren Preisen anbieten, hat die Beklagte nur entgegengehalten, daß ihr Tiefstpreis im Zusammenhang mit der Teilzahlungsaktion zu sehen sei (S. 11); daß bei Veröffentlichung ihres Prospektes noch kein anderer Mitbewerber einen günstigeren Preis als sie selbst geboten hätte, hat die Beklagte hingegen nicht behauptet. Die Frage, ob die Beklagte auch dann gegen § 2 UWG verstoßen hätte, wenn ihre Werbeaussage erst nach der Veröffentlichung ihrer Ankündigung unrichtig geworden wäre, bedarf daher keiner Prüfung.

Gegen den Veröffentlichungsausspruch hat die Beklagte in ihrer Berufung nichts ins Treffen geführt; mit Recht hatte schon das Erstgericht das berechtigte Interesse des Klägers an der Aufklärung der Öffentlichkeit (§ 25 Abs 3 UWG) bejaht.

Aus diesen Erwägungen war in Stattgebung der Revision das Ersturteil wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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