European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133006
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Streitteile sind Medieninhaber von Tageszeitungen.
[2] Die Beklagte gewährte den Abonnenten ihrer Tageszeitung den Status „Bonus-Kunden“ und eröffnet ihnen damit die Angebote ihrer „Vorteilswelt“. Diese enthält „unterschiedliche Angebote für einen gegenüber regulären Marktkonditionen meist günstigeren und durchwegs in Österreich betreuten Bezug von Waren und Dienstleistungen des Verlags selbst sowie sorgfältig ausgewählter Kooperationspartner“. Die „Vorteilswelt“ enthält ca 80 Angebote (Spiele, Kleidungsstücke, Haushaltsgeräte etc), die in der Zeitung der Beklagten präsentiert werden. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Vorteilsangebote zum „BonusPreis“ sind Abonnements von Medienprodukten der Beklagten. Ohne diese Voraussetzung können die Angebote der „Vorteilswelt“ ebenfalls erworben werden, allerdings zu einem (gegenüber dem „BonusPreis“) zumeist höheren „Gastpreis“ sowie gegen Ersatz der (dem Bonus-Preis nicht hinzugeschlagenen) Versandkosten (zB Mikrowellen‑Wasserkocher: Bonus-Preis 12,90 EUR versandkostenfrei; Gastpreis: 15,90 EUR zuzüglich Versandkosten). Nur beim Erwerb von sämtlichen angebotenen Waren kann ein Abonnent eine Gesamtersparnis von 353,07 EUR erzielen.
[3] Die von der Beklagten angebotenen Abonnements kosten ab 19,80 EUR pro Monat (Printausgabe). Ein (ebenso zur Inanspruchnahme der Vorteilsangebote berechtigendes) dreimonatiges „Digital-Abo“ kostet insgesamt 13,90 EUR.
[4] Die Vorinstanzen wiesen das Sicherungsbegehren der Klägerin ab, wonach der Beklagten das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von Vorteilen, insbesondere von Ersparnissen von zumindest 353,07 EUR beim Erwerb von Waren und Dienstleistungen untersagt werden möge, sofern für die Erlangung dieser Vorteile der Abschluss eines Zeitungsabonnements notwendig ist und der Vorteil den Abonnementpreis bei weitem übersteige. Besondere Umstände, die eine unlautere Geschäftspraktik im Sinne der Rechtsprechung begründen könnten, lägen nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
[5] Mit ihrem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[6] In Abkehr von der älteren Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0077811) begründet nach der (vom Schrifttum gebilligten) neueren Judikatur des Senats der Umstand, dass bei einem „kopflastigen Vorspannangebot“ die Ersparnis bei der Nebenware höher ist als der Preis der Hauptware, für sich allein nicht die Unlauterkeit dieser verkaufsfördernden Maßnahme (4 Ob 129/13v, Tonträger-Edition = RS0129064 = MR 2013, 289 [zust Korn] = wbl 2014/16 [zust Schuhmacher] = ÖBl 2014/4 [zust Wiltschek] = ecolex 2014/28 [zust Frauenberger]; krit nur Burgstaller, Schrankenloser Kundenfang – Der sachlich kalkulierende Verbraucher entscheidet stets rational?!, ecolex 2014, 538). Solche Angebote können ohne Hinzutreten weiterer Umstände (Elemente der Druckausübung) nicht unter den Tatbestand der aggressiven Geschäftspraktik fallen, wobei Zugaben und Vorspannangebote grundsätzlich gleich zu behandeln sind. Es liegt auch kein Verstoß gegen die Generalklausel des § 1 Abs 1 Z 2 UWG vor. Insbesondere ist die Geschäftspraktik an sich nicht geeignet, eine rationale Entscheidung des Verbrauchers auszuschließen. Wenn der Verbraucher (nur) an der Nebenware Interesse hat und für die damit verbundene Ersparnis auch zum Bezug der Hauptware bereit ist, handelt er sogar höchst rational. Dass sich der Verbraucher dazu aus „sachfremden“, also nicht in der Qualität der Hauptware liegenden Gründen entscheidet, schadet für sich noch nicht. Es ist zweifelhaft, den Unlauterkeitsvorwurf (allein) darauf zu stützen, dass die Maßnahme den alleinigen Zweck gehabt hätte, kurzfristig die Auflage zu steigern (4 Ob 129/13v).
[7] Auch in jüngeren Entscheidungen zu Koppelungsangeboten (4 Ob 28/14t [Koppelung eines langfristig gebundenen Finanzprodukts mit hochwertigem Smartphone oder Tabletcomputer]; 4 Ob 100/13d [Zugabe eines hochwertigen Mobiltelefons zu einem Versicherungsprodukt mit langfristiger Bindung]) wurde darauf verwiesen, dass die Zugabe beim durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der eine dem Anlass angemessene hohe Aufmerksamkeit aufwendet, nicht dazu führt, dass er sich unter Ausschluss rationaler Erwägungen für ein Produkt entscheidet.
[8] Die Vorinstanzen sind bei Beurteilung der beanstandeten Ankündigung von den referierten Grundsätzen der Judikatur nicht abgewichen. Das betrifft insbesondere auch den Vorwurf des Verstoßes gegen § 1a UWG, der bereits in der Entscheidung 4 Ob 129/13v ausdrücklich verneint wurde (siehe ebenso auch 4 Ob 100/13d und 4 Ob 84/12z).
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