OGH 4Ob135/57

OGH4Ob135/5725.2.1958

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kisser und Dr. Meyer-Jodas sowie die Beisitzer Bergmann und Schrammel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef Ö*****, vertreten durch Dr. Helmut Mayrhofer, Sekretär der Arbeiterkammer in Salzburg, Auerspergstraße 11, wider die beklagte Partei Salzburger Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte, Salzburg, Faberstraße 19-23, vertreten durch Dr. Rupert Wöll, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 489,30 s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten vom 8.Juli 1957, GZ 3 Cg 1/57-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Salzburg vom 22.November 1956, GZ Cr 286/56-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte nach dem in der mündlichen Streitverhandlung am 6.11.1956 ausgedehnten Klagebegehren die Bezahlung eines Betrages von S 489,30 an von der beklagten Partei zu viel einbehaltener Lohnsteuer und brachte vor, daß er seit dem Jahre 1952 bei der beklagten Partei als Betriebsprüfer bedienstet sei. Anläßlich der Durchführung des Jahresausgleiches für die Jahre 1951, 1952 und 1953 sei ihm auf Grund einer durch das Finanzamt erfolgten Berechnung durch die beklagte Partei ein Betrag von S 489,30 für zu viel bezahlte Lohnsteuer gutgeschrieben und auch ausbezahlt worden. Im Jahre 1955 habe jedoch das Finanzamt festgestellt, daß die oben angeführte Lohnsteuerrückvergütung irrtümlich erfolgt sei. Durch einen Bescheid des Finanzamtes sei die beklagte Partei verpflichtet worden, den dem Kläger irrtümlich rückvergüteten Betrag zu ersetzen. Der Kläger habe aber im guten Glauben auf die Richtigkeit der seinerzeitigen Berechnung des Finanzamtes den ihm rückvergüteten Lohnsteuerbetrag bereits verbraucht. Die beklagte Partei sei demnach auch nicht berechtigt, vom Kläger diesen Betrag ersetzt zu verlangen bzw. von den Lohnbezügen des Klägers einzubehalten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den Klagstatbestand rechtlich dahin, daß die Grundsätze des Judikates Nr. 33 (neu) auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung zu finden hätten, da es sich nicht um einen irrtümlich ausbezahlten Lohnbetrag, sondern um einen Lohnsteuerbetrag handle. Der Kläger als Dienstnehmer sei selbst der Steuerschuldner. Da dem Kläger dieser irrtümlich zu viel ausbezahlte Betrag tatsächlich zugekommen sei, sei dieser auch gegenüber dem Finanzamt gemäß § 1431 ABGB verpflichtet, den Klagsbetrag an das Finanzamt zurückzubezahlen. Wenn sich das Finanzamt zur Einhebung des irrtümlich rückvergüteten Lohnsteuerbetrages des Dienstgebers bedient habe, so gebe dies dem Dienstnehmer noch keinen Anspruch darauf, daß nunmehr der Dienstgeber aus eigenen Mitteln diesen vom Dienstnehmer geschuldeten Lohnsteuerbetrag zu ersetzen habe. Daher erübrige sich auch eine Prüfung der Anwendbarkeit des § 1042 ABGB.

Der dagegen erhobenen Berufung der klagenden Partei wurde Folge gegeben und das Ersturteil dahin abgeändert, daß der Klage stattgegeben wird. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes seien zur Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes nicht die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1946 in der Fassung BGBl. Nr. 191/1951 anzuwenden, sondern die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1953, BGBl. Nr. 1/1954. Im Ergebnis seien diese Bestimmungen jedoch gleichartig wie die vom Erstrichter angewendeten Bestimmungen des § 38 des Einkommensteuergesetzes vom 27.2.1939, DRGBl. I S. 297, und der Lohnsteuerdurchführungsbestimmungen 1939 vom 10.3.1939, DRGBl. I S. 449. Denn nach § 72 des Einkommensteuergesetzes 1953 sei der Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug Steuerschuldner. Der Arbeitgeber hafte aber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Da vorliegend kein Fall einer amtswegigen Durchführung des Jahresausgleiches anzunehmen sei, konnte der Dienstgeber, nämlich die beklagte Partei, als für die Steuerschuld des Klägers haftend in Anspruch genommen werden. Die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1953 seien aber nur für das öffentlichrechtliche Verhältnis zwischen Steuergläubiger und Steuerschuldner sowie die Haftung für die Steuerschulden maßgebend. Im Innenverhältnis zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer sei jedoch die Klärung der Frage von entscheidender Bedeutung, ob der nach Durchführung des Jahresausgleiches für 1951, 1952 und 1953 dem Kläger zurückbezahlte Betrag Lohnsteuer oder Gehalt war. Da die Lohnsteuer immer nur einen Abzug vom Gehalt darstelle, erhalte der Dienstnehmer dann, wenn ihm zu viel abgezogene Lohnsteuer auf Grund des Jahresausgleiches zurückbezahlt werde, einen Teil seines Gehaltes, und zwar jenen, der ihm auf Grund der vor Durchführung des Jahresausgleiches unrichtig berechneten Lohnsteuer zu viel abgezogen worden war, vom Dienstgeber ausbezahlt. Auch der Umstand, daß dem Dienstnehmer bekannt war, warum er den Betrag von S 489,30 wieder ausbezahlt erhalten habe, könne die Gutgläubigkeit des Klägers nicht beseitigen. Der Kläger habe damit nur gewußt, daß ihm ein Gehaltsteil, der zuerst wegen zu hoher Berechnung der Lohnsteuer einbehalten worden war, nunmehr vom Dienstgeber ausbezahlt werde. Da somit der Kläger guten Glaubens gewesen sei, daß es sich um Teile des ihm zuerst widerrechtlich nicht ausbezahlten Gehaltes handle, habe er diesen, ihm als Gehalt ausbezahlten Betrag ohne weiteres verbrauchen können (§§ 1437, 329 ABGB). Es hätten daher auch auf diesen nachträglich ausbezahlten Gehalt des Klägers die Grundsätze des Judikates 33 (neu) Anwendung zu finden. Auch im Falle des Klägers als eines kleinen Angestellten der Gebietskrankenkasse stelle der Gehalt im wesentlichen nur das Existenzminimum dar, welches zur Deckung der täglichen Bedürfnisse erforderlich sei. Der Kläger sei daher auch nicht in der Lage gewesen, aus seinem Gehalt einen entsprechenden Rücklagefonds zu bilden. Eine noch vorhandene Bereicherung, die er herauszugeben hätte, sei demnach nicht vorhanden; denn durch die nachträgliche Auszahlung eines größeren Gehaltsteiles sei der Kläger veranlaßt worden, mit diesem erhaltenen Mehrbetrag größere Aufwendungen zu machen, um verschiedene Wünsche des täglichen Lebens, die er bis dahin zurückstellen mußte, befriedigen zu können. Dieser somit vom Kläger gutgläubig verbrauchte Betrag könne daher nach den Grundsätzen des zitierten Judikates nicht mehr von ihm zurückgefordert werden. Die Einbehaltung dieses Betrages im Abzugswege durch die beklagte Partei sei daher zu Unrecht erfolgt, weshalb dem Klagebegehren stattzugeben sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei, mit welcher das Urteil des Berufungsgerichtes seinem ganzen Inhalte nach unter Anrufung des Revisionsgrundes des § 503 Z 4 ZPO angefochten und der Antrag gestellt wird, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Kläger erstattete Revisionsbeantwortung, in welcher der geltend gemachte Revisionsgrund bekämpft und kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt wird.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Revision erhobene Rechtsrüge ist begründet. Ob im Hinblick auf die Übergangsbestimmung des § 106 Abs 2 Z 3 Einkommensteuergesetz 1953, wonach die bisher auf dem Gebiete der Einkommensteuer bestehenden Vorschriften noch für die vor dem 1.1.1954 endenden Lohnzahlungszeiträume anzuwenden sind, wenn die Einkommensteuer durch Jahresausgleich festgestellt wird, für die gegenständliche Entscheidung das Einkommensteuergesetz 1939, DRGBl. I S. 297, oder das Einkomemnsteuergesetz 1953, BGBl. Nr. 1/1954, anzuwenden ist, kann dahingestellt bleiben, da sowohl nach der früheren Rechtslage (§ 38 Abs 1 und 3 des Einkommensteuergesetzes 1939) als auch nach der derzeit bestehenden Rechtslage (§ 72 Einkommensteuergesetz 1953) der Arbeitnehmer, und zwar nicht nur in den Fällen seiner direkten Inanspruchnahme, alleiniger Steuerschuldner ist, während der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer haftet. Daß der Fall der Durchführung eines amtswegigen Jahresausgleiches vorliegt, wonach der Arbeitnehmer direkt in Anspruch zu nehmen wäre (§ 72 Abs 2 Z 2 EStG. 1953), wird vom Kläger in seiner Berufung selbst verneint (S. 17 d.A.). Da sich im vorliegenden Fall herausstellte, daß der Lohnsteuerausgleich für die Jahre 1951 bis 1953 unrichtig berechnet worden war, konnte demnach die beklagte Partei als Arbeitgeberin auf Grund ihrer gesetzlichen Haftung zur Nachzahlung der zu wenig entrichteten bzw. irrtümlich rückvergüteten Lohnsteuer verhalten werden. Wurde nun die Haftung der beklagten Partei für die nachträglich geforderte Lohnsteuer in Anspruch genommen, so ist sie in die Rechte des ursprünglichen Gläubigers (Republik Österreich) getreten und daher befugt, von dem Kläger als Steuerschuldner den Ersatz der bezahlten Schuld zu fordern (§ 1358 ABGB). Dieser Anspruch ist daher rechtlich nicht als solcher auf Rückzahlung irrtümlich ausbezahlten Lohnes (§ 1431 ABGB) zu werten, sondern behält seine rechtliche Qualifikation als Anspruch auf Nachzahlung zu wenig entrichteter Lohnsteuer bei, wenngleich die beklagte Partei nunmehr an Stelle des ursprünglichen Gläubigers getreten ist. Schon aus diesem Grund ist im vorliegenden Fall der im Judikat 33 (neu) ausgesprochene Rechtssatz, daß der Dienstgeber nicht berechtigt ist, vom Dienstnehmer einen irrtümlich ausbezahlten Lohnbetrag, den der Dienstnehmer gutgläubig in Empfang genommen und verbraucht hat, zurückzufordern, nicht anwendbar. Aber auch der im zitierten Judikat gleichfalls erörterte Gedanke der Berechtigung des redlichen Leistungsempfängers zum Verbrauch (§§ 1437, 329 ABGB), kann im vorliegenden Fall selbst bei Annahme des gutgläubigen Verbrauches der dem Kläger irrtümlich rückvergüteten Lohnsteuerbeträge schon deswegen nicht herangezogen werden, weil die Verneinung des Rückgriffsrechtes des Arbeitgebers bei geleisteter Nachzahlung vom Dienstnehmer geschuldeter Lohnsteuer eine teilweise Überwälzung der Einkommensteuer auf den Dienstgeber bedeuten und damit dem in § 5 der Einkommensteuernovelle 1946, BGBl. Nr. 203, ausdrücklich normierten Verbot einer solchen Überwälzung zuwiderlaufen würde. Wenn der Kläger schließlich in seiner Berufung auf einen ihm gegen die beklagte Partei zustehenden Schadenersatzanspruch verweist, der ihm in der Höhe des Rückgriffsanspruches zustehe, weil die Verpflichtung, die Lohnsteuer richtig einzubehalten, von der beklagten Partei nicht erfüllt wurde, so ist darauf zu verweisen, daß nach den Klagsangaben selbst der dem Kläger irrtümlich rückvergütete Lohnsteuerbetrag vom zuständigen Referenten des Finanzamtes Salzburg errechnet wurde, der Kläger aber eine Behauptung, daß die beklagte Partei an der unrichtigen Berechnung des Jahresausgleiches 1951 und 1953 ein Verschulden treffe, nicht aufgestellt hat. Hat aber die beklagte Partei entsprechend der Berechnung des Finanzamtes die Lohnsteuerrückvergütung an den Kläger vorgenommen, so kann darin ein Verschulden nicht erblickt werden. Da die beklagte Partei den nachzuzahlenden Lohnsteuerbetrag demnach mit Recht im Abzugswege einbehalten hat, erweist sich das Klagebegehren schon aus den obigen rechtlichen Erwägungen als unbegründet.

Ein Kostenspruch hatte zu entfallen, da Kosten von der im Revisionsverfahren siegreich gebliebenen beklagten Partei nicht verzeichnet wurden.

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