Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Zu Erben der ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorbenen Erblasserin sind ein Sohn und eine Tochter berufen. In der vom Gerichtskommissär abgehaltenen Verlassenschaftstagsatzung vom 9.9.1996 schritt Dr.Peter W*****, Rechtsanwalt in Weiz, "als unter Hinweis auf § 39 Abs 2 ZPO ausgewiesener Vertreter der erblasserischen Tochter" ein. Er erklärte, seine Mandantin entschlage sich ihres gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechtes für sich und ihre Nachkommen und stelle keine Forderungen an den Nachlaß, sie verzichte auch auf die Geltendmachung eines allfälligen Schenkungspflichtteiles hinsichtlich einer im Jahr 1972 dem Sohn geschenkten Liegenschaftshälfte.
Der Sohn gab zum gesamten Nachlaß eine unbedingte Erbserklärung aufgrund des Gesetzes ab.
Über Aufforderung des Gerichtes, eine Spezialvollmacht gemäß § 1008 ABGB vorzulegen bzw sich auf diese zu berufen, gab der Rechtsvertreter der Tochter dem Erstgericht bekannt, er berufe sich auf die "ihm erteilte Vollmacht".
Mit dem das Verlassenschaftsverfahren beendenden Beschluß vom 12.11.1996 nahm das Erstgericht unter anderem die Bevollmächtigung des Dr.Peter W***** "gemäß § 30 Abs 2 ZPO iVm § 1008 ABGB" durch die erblasserische Tochter (Punkt 1), sowie die von Dr.Peter W***** namens der erblasserischen Tochter abgegebene Erklärung, sich ihres gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechtes für sich und ihre Nachkommen zu entschlagen und an den Nachlaß keine Forderungen zu stellen (Punkt 2), verlassenschaftsbehördlich zur Kenntnis. Ferner nahm es die Erbserklärung des erblasserischen Sohnes zu Gericht an (Punkt 3).
Gleichzeitig erließ das Erstgericht die Einantwortungsurkunde und antwortete den Nachlaß dem Sohn ein.
In ihrem gegen beide Beschlüsse erhobenen Rekurs machte die erblasserische Tochter geltend, sie habe ihren Vertreter nicht zur Abgabe einer Erbsentschlagungserklärung bevollmächtigt. Dieser habe sich auch nicht auf eine Vollmacht nach § 1008 ABGB berufen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge.
Es veranlaßte die Einvernahme des Rechtsvertreters der Tochter, welcher ausführte, er berufe sich auf eine auch den Verzicht auf Erb- und Pflichtteilsansprüche umfassende Spezialvollmacht im Sinn des § 1008 ABGB. Seine Mandantin habe ihm im Zuge von letztlich erfolgreichen Vergleichsgesprächen über die Abfindung ihrer Erbs- und Pflichtteilsansprüche zumindest konkludent Vollmacht erteilt, "alle im Verlassenschaftsverfahren zur Durchsetzung oder Umsetzung dieser Vereinbarung notwendigen (Er)klärungen abzugeben". Er sei daher der Ansicht, die ihm erteilte Vollmacht sei eine Vollmacht im Sinn des § 1008 ABGB.
Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über S 50.000 und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, Fragen erheblicher Bedeutung im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG seien nicht zu lösen.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Tochter ist zulässig, weil das Rekursgericht seine amtswegige Prüfungspflicht zu Unrecht verneint hat. Er ist auch berechtigt.
Gemäß § 1008 ABGB bedarf die durch Bevollmächtigte erklärte unbedingte Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft einer besonderen, auf dieses Geschäft ausgestellten Vollmacht, die auch mündlich oder durch konkludente Handlungen erteilt werden kann (Strasser in Rummel ABGB2 Rz 15 zu § 1008 mwN). Sie ist dem Gericht urkundlich nachzuweisen. Schreitet allerdings ein Rechtsanwalt ein, ersetzt die Berufung auf die ihm erteilte Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis (§ 8 Abs 1 RAO und § 30 Abs 2 ZPO, der nach herrschender Rechtsprechung auch im Außerstreitverfahren angewendet werden kann, siehe JBl 1987, 258; RZ 1991/48, 9 ObA 89/93; Petrasch, ÖJZ 1985, 259), sofern sich der Vertreter ausdrücklich darauf beruft, eine besondere Vollmacht für die Abgabe einer Erbserklärung bzw für die Erbsentschlagung in diesem besonderen Verlassenschaftsverfahren erhalten zu haben (RZ 1991/48).
Der durch § 8 Abs 1 RAO und § 30 Abs 2 ZPO erleichterte Vollmachtsnachweis befreit das Gericht jedoch nur dann von der Prüfung, ob tatsächlich Vollmacht erteilt wurde, wenn sich nicht aus der Aktenlage Zweifel an einer solchen Vollmachtserteilung ergeben (SZ 57/131; Fasching Lehrbuch2 Rz 428).
Die über Veranlassung des Rekursgerichtes ergänzte Erklärung des einschreitenden Anwaltes, wonach er sich auf die ihm (seiner Auffassung nach konkludent erteilte) Spezialvollmacht berufe, war zwar geeignet, seine zunächst nur auf § 30 Abs 2 ZPO gestützte Erklärung zu verbessern. Sie läßt jedoch in ihrer Gesamtheit wie auch im Zusammenhang mit den Rekursausführungen und dem Inhalt der im Akt erliegenden Schreiben der erblasserischen Tochter konkrete Zweifel darüber aufkommen, ob diese ihrem Vertreter tatsächlich Vollmacht zur Abgabe einer Erbsentschlagungserklärung erteilt hatte, zumal sich der Vertreter selbst nur auf eine konkludent erteilte Vollmacht beruft.
Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes sind daher nach der Aktenlage amtswegige Erhebungen darüber, ob tatsächlich Vollmacht erteilt wurde, angezeigt.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und die Sache war an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
Das Erstgericht wird durch geeignete Erhebungen, insbesondere auch Einvernahme der erblasserischen Tochter, zu prüfen haben, ob diese ihrem Rechtsvertreter Vollmacht zur Abgabe einer Erbsverzichtserklärung erteilt hat.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)