Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:
"Das Klagebegehren des Inhaltes, die beklagte Partei sei schuldig, ab sofort im Zusammenhang mit dem Vertrieb des mit 'Das grüne Bett' bezeichneten Lattenrostbettes die Behauptung zu unterlassen, daß die Matratze 'aus Naturkautschuk' bestehe, wird abgewiesen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 205.451,60 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin S 25.981,10 Umsatzsteuer und S 49.565 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Beide Parteien erzeugen und verkaufen Liegemöbel. Die Beklagte wirbt mit einem Prospekt unter dem Titel "Das grüne Schlafen" und dem Untertitel "Das grüne Bett" ua für Betten mit einer Lattenrostkonstruktion. Darin behauptet sie ua folgendes:
"Das Grüne Bett von Wittmann wurde in mehrjähriger Forschungsarbeit entwickelt. Aus Massivholz, biologischem Firnis, Bienenwachs, Roßhaar, Schaf- und Baumwolle und geschäumtem Naturkautschuk entstand ein Bio-Bett, das sich beim Schlafen dem Körper anpaßt.
Es besteht aus einem patentierten 2-Reihen-Lattenrost und einer darauf abgestimmten Matratze aus Naturmaterialien, die für gesundes Körperklima und anatomisch richtiges Liegen sorgen. ...
Die Matratze kommt aus der Natur
Für wirklich gesunden Schlaf braucht der Mensch ungehinderten Feuchtigkeitsaustausch zwischen Hautoberfläche und den umgebenden Materialien. Schließlich gibt er beim Schlafen bis zu einem dreiviertel Liter Wasser pro Nacht ab. Die Unterlage muß daher aus atmungsaktiven Naturmaterialien sein. Beim Grünen Bett stehen zwei Matratzen zur Auswahl: Die Naturkautschuk-Matratze und die Naturkautschuk-Matratze mit Roßhaarauflage.
Matratze aus Naturkautschuk
Auf der Sommerseite mit Baumwollvlies, auf der Winterseite mit wärmendem Schafwollvlies abgedeckt. ..."
Der Rohstoff aller Latex-Schaummatratzen ist der milchige Saft des Gummibaums oder Erdöl; in beiden Fällen ist ein aufwendiger chemisch-technischer Prozeß samt dem Einsatz verschiedener Stabilisatoren, Emulgatoren, Katalysatoren, Treib- und Vernetzungsmittel notwendig, damit aus diesen Flüssigkeiten elastischer Schaum entsteht. Was unter "Naturlatex" auf den Markt kommt, hat meist einen Naturkautschukanteil von 30 bis 80 Prozent; der Rest ist synthetischer Latex.
Die von der Beklagten angepriesenen Matratzen sind aus "Naturkautschuk" im Sinne des technischen Fachausdruckes gemäß der Norm ISO 1629 (10.81) hergestellt und enthalten außer cis-1,4-Polyisopren rund 20 % Fremdsubstanz. Nach dieser Norm darf als "Naturkautschuk" nur ein Produkt bezeichnet werden, bei welchem der gesamte vorhandene Kautschuk Natur- und nicht synthetischer Kautschuk ist. Dieser macht aber nur etwa 80 % des gesamten Produktes aus; 20 % des fertigen Produktes sind nämlich notwendige Verarbeitungshilfen aus anderen Stoffen, so daß - bezogen auf das Gesamtprodukt - ein Naturkautschukanteil von 80 % der erwähnten Norm entspricht. Eine Ö-NORM für die Bezeichnung "Naturkautschuk" oder "Naturlatex" besteht nicht.
Mit der Behauptung, daß die Beklagte mit dem Gebrauch des Ausdrucks "Naturkautschuk" im Zusammenhang mit den in ihrem Werbeprospekt verwendeten Begriffen "grün", "bio" und "Natur" dem flüchtigen Leser den unrichtigen Eindruck vermittle, die Matratze bestehe aus einem reinen Naturprodukt, obwohl es eine "Naturkautschuk"-Matratze, die aus dem reinen und unverfälschten Naturprodukt gleichen Namens besteht, gar nicht gebe, sondern ein aufwendiger chemisch-technischer Prozeß zur Herstellung erforderlich sei, begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, ab sofort im Zusammenhang mit dem Vertrieb des mit "Das grüne Bett" bezeichneten Lattenrostbettes die Behauptung zu unterlassen, daß die Matratze "aus Naturkautschuk" bestehe.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Ihre Werbeaussage sei richtig. Ihre Matratzen enthielten tatsächlich nur Naturkautschuk und seien aus Naturlatex hergestellt. Sie sei nicht dazu verpflichtet, auf alle Eigenschaften ihrer Ware hinzuweisen.
Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Richtig sei zwar grundsätzlich, daß kein Mitbewerber verhalten werden könne, auf jede einzelne Eigenschaft seiner Ware hinzuweisen. Gebrauche er aber - wie die Beklagte - in Wettbewerbsabsicht einen bestimmten Hinweis auf eine zur Irreführung geeignete Weise, so müsse der Werbende auch dann dafür einstehen, wenn eine Offenlegung weder durch ein besonders Gesetz noch durch Verordnung gefordert werde. Der Naturkautschuk, den die Beklagte bei der Herstellung ihrer Matratzen verwendet, enthalte auch 20 % notwendige Verarbeitungshilfen aus anderen Stoffen. Bei der breiten Masse der mit technischen Fragen nicht vertrauten Konsumenten entstehe aber der Eindruck, die Beklagte biete etwas Besseres an als ihre Mitbewerber, nämlich ein reines Naturprodukt. Dieser Eindruck werde auch nicht dadurch abgeschwächt, daß die beanstandete Werbebehauptung nicht in besonders auffälliger Weise herausgestellt werde. Die Beklagte habe demnach gegen § 2 UWG verstoßen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Im Werbeprospekt der Beklagten würden ihre Schlafzimmereinrichtungen als "natürliche" und damit auch "gesunde" Produkte angepriesen. Als Folge der "Biowelle" habe die Werbung für "natürlich" hergestellte Erzeugnisse eine stark suggestive Wirkung. Aussagen über die Natürlichkeit eines Erzeugnisses seien in hohem Maße geeignet, den Kaufentschluß der Konsumenten zu beeinflussen. Da solche Angaben, soweit sie zur Irreführung geeignet sind, gefährlich seien, müsse ein strenger Maßstab angelegt werden. Im Hinblick auf die Ausführungen des Prospektes über das "Bio-Bett" sei die beanstandete Werbeaussage zweifellos geeignet, die angesprochenen Verkehrskreise in Irrtum zu führen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil davon verbinde mit der Werbeaussage die Vorstellung, daß die Matratze nur unter Verwendung reiner Naturprodukte hergestellt werde und nur "natürliche" Bestandteile enthalte. Gerade diese Vorstellung könne den Kaufentschluß in besonderem Maß beeinflussen. Da jedoch die von der Beklagten verwendete Kautschukmasse nicht nur aus Naturkautschuk, sondern auch zu 20 % aus notwendigen Bearbeitungshilfsstoffen bestehe, welche nicht als "natürliche Stoffe" angesehen werden könnten, sei die beanstandete Werbeaussage mißverständlich. Die Beklagte wäre zu einer näheren Aufklärung verpflichtet.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Unter "Kautschuk" versteht man einen makromolekularen Stoff, der gummielastisches Verhalten aufweist, sich also unter nur geringer Wärmeentwicklung schnell und beträchtlich strecken läßt und bei Wegfall der Zugkraft weitgehend in die ursprüngliche Dimension zurückgeht (Meyers Enzyklopädisches Lexikon in 25 Bänden9, Band 13, 559 rechte Spalte). Nach der Herkunft unterscheidet man Naturkautschuk und Synthese- oder Kunstkautschuk (Meyer aaO; Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden19, Band 11, 563 linke Spalte). Naturkautschuk im weiteren Sinn ist die zusammenfassende Bezeichnung für alle aus dem Milchsaft von Pflanzen hergestellten Elastomeren (= Stoffe gummiartiger Elastizität); Naturkautschuk im engeren Sinn nennt man das aus dem Milchsaft des Parakautschukbaums gewonnene Elastomereprodukt (Meyer aaO Band 16, 813 rechte Spalte; Brockhaus aaO). Synthesekautschuk (Kunstkautschuk) ist hingegen die zusammenfassende Bezeichnung für auf künstlichem Weg hergestellte Elastomere, die in ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften dem Naturkautschuk ähneln und sich wie dieser technisch verwenden lassen; sie können aus zahlreichen Ausgangsmaterialien, vor allem durch Polymerisation ungesättigter Verbindungen, daneben auch durch Polyaddition oder Polykondensation geeigneter Ausgangsprodukte hergestellt werden (Meyer aaO Band 23, 111 linke Spalte). Bei der Herstellung von Gummi werden dem Kautschuk Komponenten beigemischt - zB Plastiziermittel, Vulkanisiermittel, Vulkanisationsbeschleuniger, Alterungsschutzmittel udgl. -, welche man Kautschukhilfsmittel nennt (Meyer aaO Band 13, 559 rechte Spalte).
Die Behauptung der Beklagten, die Matratze für ihr "Grünes Bett" sei aus Naturkautschuk, ist nach den Feststellungen insofern objektiv richtig, als ihre Matratze tatsächlich keinen synthetischen Kautschuk enthält. Daß Kautschukprodukte, wie insbesondere Kautschukmatratzen auch Fremdstoffe (Kautschukhilfsmittel) aufweisen, ist keine Besonderheit der Erzeugnisse aus Naturkautschuk; das gilt vielmehr in gleicher Weise für Synthesekautschukprodukte.
Zu beachten ist freilich, daß auch eine an sich richtige Behauptung unter Umständen - insbesondere durch die Form, in die sie gekleidet wird, oder durch den Gebrauch irreführender Wendungen - gegen § 2 UWG verstoßen kann, und zwar dann, wenn ihr - trotz sachlicher Richtigkeit - von den Personen, an die sie sich wendet, etwas Unwahres entnommen werden kann (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 23; ÖBl 1977, 39; ÖBl 1984, 70 uva). Maßgebend ist stets, wie der verwendete Wortlaut vom Verkehr aufgefaßt und welche Bedeutung ihm beigelegt wird (ÖBl 1981, 48 uva). Der Beurteilung einer Ankündigung sind nicht einzelne Teile zugrunde zu legen, sondern der gesamte Text (ÖBl 1985, 101; ÖBl 1986, 159); entscheidend ist der Gesamteindruck der Ankündigung (ÖBl 1984, 97 uva) auf einen nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Kreise (SZ 44/176; ÖBl 1974, 110 ua).
Wie die Vorinstanzen insoweit richtig erkannt haben, ist demnach bei der Beurteilung der Irreführungseignung der beanstandeten Werbeaussage entgegen der Meinung der Beklagten sehr wohl der übrige Text des Werbeprospektes - also die Hinweise auf die natürliche Herkunft aller verwendeten Bestandteile ("Das Bett aus der Natur") - in die Betrachtung einzubeziehen. Daß dies - wie die Beklagte meint (S. 215 und 217) - im Hinblick auf die Fassung des Urteilsantrages unzulässig wäre, trifft nicht zu. Da die Klägerin die Irreführungseignung der beanstandeten Werbebehauptung ausdrücklich mit der im Prospekt der Beklagten zum Ausdruck kommenden "Bio-Werbung" begründet hat (S. 4), muß ihr Unterlassungsbegehren in diesem Sinn verstanden werden. Ob im Falle der Klagestattgebung der Spruch allenfalls nur zu verdeutlichen oder ein Mehrbegehren auf Verbot des Gebrauches der Bezeichnung "aus Naturkautschuk" schlechthin abzuweisen wäre, bedarf jedoch keiner Untersuchung, weil die Beklagte nicht gegen § 2 UWG verstoßen hat:
Da die Matratze der Beklagten tatsächlich aus keinem anderen als Naturkautschuk besteht, könnte ihrer Werbebehauptung, diese sei "aus Naturkautschuk", nur die Unvollständigkeit oder das Verschweigen wesentlicher Umstände vorgeworfen werden. Eine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit von Werbeaussagen besteht aber nicht, braucht doch der Werbende grundsätzlich nicht auf Nachteile seiner Ware hinzuweisen (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 773 Rz 47 zu § 3 dUWG; ÖBl 1985, 101 ua). Im Verschweigen einer Tatsache liegt (nur) dann eine irreführende Angabe, wenn eine Aufklärung des Publikums zu erwarten war (Hohenecker-Friedl 23; Baumbacher-Hefermehl aaO Rz 48; ÖBl 1982, 126). Eine Aufklärungspflicht kann sich aus der Bedeutung ergeben, die der verschwiegenen Tatsache nach der Auffassung des Verkehrs zukommt, so daß ihre Nichterwähnung geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen, was insbesondere dann zutrifft, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird (Baumbach-Hefermehl aaO; ÖBl 1981, 21; ÖBl 1985, 101; ÖBl 1982, 126). Nach ständiger Rechtsprechung verstößt überdies eine Werbemitteilung nur dann gegen § 2 UWG, wenn zwischen der irreführenden Werbung und dem Entschluß eines davon angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot des Werbenden näher zu befassen, ein Zusammenhang besteht (ÖBl 1979, 101; SZ 54/97; ÖBl 1991, 157 uva). Diese Voraussetzung muß aber hier verneint werden. Wer sich von der Werbung der Beklagten für eine "Naturkautschuk"-Matratze deshalb beeindrucken läßt, weil er diese für ein reines Naturprodukt hält, würde wohl kaum von seinem Kaufentschluß abstehen, wenn er die tatsächlichen Verhältnisse - also den Umstand, daß die Matratze nur Naturkautschuk enthält, dabei aber notwendigerweise auch fremde Stoffe Eingang gefunden haben - erfährt. Ihm müßte ja dabei bewußt werden, daß es - wie die Klägerin selbst vorgebracht hat (S. 4) - eine Naturkautschuk-Matratze als reines und unverfälschtes Naturprodukt gar nicht gibt und der sonst auf dem Markt angebotene "Naturkautschuk" auch keinen höheren Anteil an dem natürlichen Stoff (Naturlatex) hat. Nur ein ganz geringer, nicht maßgeblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise wird sich durch den Umstand, daß die Naturkautschuk-Matratze auch notwendige Verarbeitungshilfen enthält, vom Kauf einer solchen Matratze überhaupt abhalten lassen, um eine ganz andere Art von Matratze zu erwerben, zumal die in Frage kommenden Alternativen (siehe "Konsument 5/90: 'Über Matratzen' "), teilweise noch naturferner sind, zum Teil aber ganz andere Eigenschaften aufweisen.
Aus diesen Erwägungen waren die Urteile der Vorinstanzen in Stattgebung der Revision dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen wird.
Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jener über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf dieselbe Gesetzesstelle iVm § 50 ZPO.
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