OGH 4Ob122/85

OGH4Ob122/8516.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dr. Müller und Dr. Mezricky als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans G***, Angestellter, Bregenz, Zanderstraße 2, vertreten durch Dr. Ingobert Schuler, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei R*** X*** A*** Gesellschaft mbH in Wien 19., Nußdorfer Lände 29-31, vertreten durch Dr. Harald Foglar-Deinhardstein und Dr. Andreas Foglar-Deinhardstein, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 152.860,98 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 25. Juni 1985, GZ Cga 11/85-39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Feldkirch vom (23. Jänner 1985, richtig) 27. Dezember 1984, GZ Cr 110/82-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.185,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 960,- Barauslagen und S 565,95 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1. Jänner 1975 im Betrieb der beklagten Partei als Angestellter im Außendienst (Direktionsassistent im Bereich Marketing/Region West) mit dem Dienstort in Dornbirn beschäftigt. Er war hauptsächlich mit der Vermietung und dem Verkauf von Kopiergeräten der beklagten Partei sowie mit der Kundenbetreuung befaßt. Am 16. Oktober 1981 wurde er fristlos entlassen. Mit der Behauptung, daß diese Entlassung ohne rechtfertigenden Grund ausgesprochen worden sei, begehrt der Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von Kündigungsentschädigung (einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen), Urlaubsentschädigung und Abfertigung im Gesamtbetrag von S 152.860,98 netto sA.

Die beklagte Partei hat dieses Begehren nur dem Grunde nach bestritten. Der Kläger sei aus dem Grund des § 27 Z 1 AngG entlassen worden, weil er entgegen § 13 AngG und unter Mißachtung mehrerer ausdrücklicher Verbote der beklagten Partei von dritten Personen Provisionen angenommen habe. Einen weiteren Entlassungsgrund bilde der Umstand, daß der Kläger in mindestens vier Fällen dem Käufer oder Mieter eines Gerätes Zusagen gemacht habe, zu denen er nicht berechtigt war, wodurch der beklagten Partei ein Schaden von insgesamt S 315.800,-- entstanden sei; eine Ersatzforderung in dieser Höhe werde gegen die Klageforderung zur Aufrechnung eingewendet.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf die Klageforderung ein und wies - mit Endurteil - das Klagebegehren ab. Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens habe der Kläger in den Jahren 1979 und 1981 zumindest in zwei Fällen von Vertragspartnern der beklagten Partei Provisionen in der Höhe von zusammen über S 12.000,-- entgegengenommen und damit einen Entlassungstatbestand nach § 27 Z 1 AngG verwirklicht.

Das Urteil des Erstgerichtes wurde vom Kläger fristgerecht mit Berufung angefochten. In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 30. April 1985 brachte er ergänzend vor, daß die Außendienstmitarbeiter der beklagten Partei österreichweit, also auch in Vorarlberg, Leasingverträge abgeschlossen und für die Vermittlung dieser Verträge von den Leasingfirmen Provisionen erhalten hätten. Trotz Kenntnis dieses Umstandes habe die beklagte Partei bis zum (zweiten) Provisionsverbot vom 15. September 1981 daraus keine rechtlichen Konsequenzen gezogen oder auch nur in Aussicht gestellt. Damit sei jedoch das vorangegangene Provisionsverbot vom Mai 1979 durch die Duldung der Praxis der Außendienstmitarbeiter außer Kraft gesetzt worden.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Nachdem die beklagte Partei ihre Geräte zunächst nur vermietet hatte, begann sie in den Jahren 1976/77, sie auch im Wege der Leasing-Finanzierung zu verkaufen. Geschäftspartner im Rahmen dieser Abwicklung über Leasingverträge war ua die Leasing West Gesellschaft mbH & Co KG in Kufstein (im folgenden: Leasing-West). In einer mit der beklagten Partei geschlossenen "Rahmenvereinbarung" vom 26. September 1980 verpflichtete sich die Leasing-West, keine Zahlungen, aus welchem Titel immer, an Angestellte der beklagten Partei oder von diesen namhaft gemachte Personen zu leisten; eine Verletzung dieser Bestimmung sollte die beklagte Partei zur sofortigen Vertragsauflösung berechtigen.

Sowohl der Kläger als auch die beiden anderen Außendienstmitarbeiter Jakob B*** und Heinz A*** bezogen besonders von der Leasing-West für die Vermittlung von Finanzierungsgeschäften Provisionen. Es ist kein Fall bekannt, in welchem die beklagte Partei trotz Kenntnis eines konkreten Provisionsbezuges durch einen ihrer Außendienstmitarbeiter ein solches Verhalten geduldet oder gar gebilligt hätte.

Im Mai 1979 wurden alle Außendienstmitarbeiter der beklagten Partei in Österreich - also auch der Kläger - über ihre Vorgesetzten davon in Kenntnis gesetzt, daß eine Provisionsannahme von Leasingfirmen verboten sei; für den Fall eines Zuwiderhandelns wurden von der beklagten Partei "sofortige persönliche Konsequenzen" angedroht. Trotz dieses Verbotes kassierte der Kläger bis etwa Mitte des Jahres 1980 von den Leasing-Firmen auch weiterhin Provisionen, welche er auf ein Konto seiner Ehefrau überweisen ließ; diese deckte mit den Provisionseingängen ihre Verpflichtungen für einen im Leasing-Verfahren gemieteten PKW ab. Diese Vorgangsweise des Klägers wurde der beklagten Partei erst auf Grund des Vorbringens der Klage in diesem Rechtsstreit bekannt.

Schon im Jahr 1978 hatte der Kläger für die Vermittlung eines Kunden, welcher ein Kopiergerät der beklagten Partei mietete, von der Leasing-West eine Provision erhalten. Im Jahr 1981 tauschte dieser Kunde - abermals auf Vermittlung des Klägers - das 1978 erworbene Kopiergerät gegen ein neues aus; der Kläger erhielt dadurch automatisch eine neuerliche (Vermittlungs-)Provision. Am 15. September 1981 übermittelte die beklagte Partei ua auch ihrer Zweigstelle in Dornbirn ein Schreiben mit folgendem wesentlichen Inhalt:

"Provisionen von Leasing-Firmen.

Ich beziehe mich auf das IL von Herrn Rudavszky vom 16. Mai 1979 in der obigen Angelegenheit, zu dem Sie alle die Rückmeldung abgegeben haben, daß Ihre Mitarbeiter voll davon informiert sind, daß sie keinerlei Provisionen von Leasing-Firmen annehmen dürfen, und daß sie im Falle der Zuwiderhandlung mit sofortigen personellen Konsequenzen antworten würden.

Es reißen nun einerseits die Gerüchte darüber, daß trotz dieser klaren und eindeutigen Anweisung nach wie vor Provisionen genommen werden, nicht ab, und es sind in der letzten Zeit andererseits einige Fälle zur Kenntnis der GL gelangt, die darauf schließen lassen, daß diese Anweisung tatsächlich übertreten wird. Ich bitte Sie aus diesem Grund nochmals, in einer neuerlichen Besprechung Ihre Mitarbeiter zu belehren, daß wir eine Umgehung dieser eindeutigen und klaren firmenpolitischen Richtlinien nicht hinnehmen werden. ..."

Dieses Schreiben wurde dem Kläger am 15. September 1981 gegen schriftliche Bestätigung zur Kenntnis gebracht.

Am 8. Oktober 1981 langte bei der Dornbirner Zweigstelle der beklagten Partei ein mit 6. Oktober 1981 datiertes, an den Kläger "c/o Rank Xerox Austria, Kirchgasse Nr. 7, 6850 Dornbirn" adressiertes Schreiben der Leasing-West mit folgendem Wortlaut ein:

"Betrifft: Provisionsabrechnung

Sehr geehrter Herr Grabherr!

Hinsichtlich des von Ihnen zuletzt vermittelten Mietvertrages

erlauben wir uns folgende Provisionsabrechnung vorzunehmen:

LV 10 230 - Pircher Importvertrieb

6971 Hard S 80.440,--

davon 2 % Provision, das sind S 1.608,80.

Diesen Betrag werden wir mit gleicher Post auf Ihr Konto bei der Volksbank Dornbirn überweisen."

Dieses Schreiben wurde vom Zweigstellenleiter Helmut K*** unverzüglich an die beklagte Partei nach Wien weitergeleitet. K*** hatte es dem Kläger nicht gezeigt; er hielt ihm aber vor, daß er nun schriftliche Beweise dafür in Händen habe, daß der Kläger gegen das Verbot der Provisionsannahme verstoßen habe.

Der Betrag von S 1.608,80 wurde von der Leasing-West auf das Konto Nr. 300208952 0000 der Volksbank Dornbirn überwiesen und dort per 9. Oktober 1981 gutgeschrieben.

Am 16. Oktober 1981 langte in der Zweigstelle Dornbirn das an den Kläger gerichtete Entlassungsschreiben der beklagten Partei ein; es wurde dem Kläger noch am selben Tag ausgehändigt. Als Begründung für die Entlassung wurde der Verstoß gegen das Verbot der Annahme von Provisionen angeführt.

Am 19. Oktober 1981 - also erst nach der Entlassung - ließ der Kläger den Betrag von S 1.608,80 von seinem Konto bei der Volksbank Dornbirn stornieren und per 20. Oktober 1981 an die Leasing-West zurücküberweisen. Zwischen dem 8. Oktober und dem 19. Oktober 1981 hatten auf diesem Konto keine Bewegungen stattgefunden. Von diesen Feststellungen ausgehend, hielt auch das Berufungsgericht die Entlassung des Klägers für gerechtfertigt: Der Kläger habe nicht nur gegen § 13 AngG verstoßen, sondern zugegebenermaßen auch noch nach dem ausdrücklichen Verbot vom Mai 1979 weiterhin Provisionen von Leasing-Firmen angenommen. Daß die beklagte Partei dieses Verhalten geduldet oder gebilligt hätte, sei nicht erwiesen; ob es unter ihren Außendienstmitarbeitern üblich war, sei ohne rechtliche Bedeutung. Da der Kläger somit schon durch die Provisionsannahmen im Jahr 1979 und in der ersten Hälfte des Jahres 1980 den Entlassungsgrund nach § 27 Z 1 AngG verwirklicht habe, könnten die mit der Provisionsanweisung und -rücküberweisung vom Oktober 1980 verbundenen Fragen auf sich beruhen.

Dieses Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach vom Kläger mit Revision aus dem Grunde des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO bekämpft. Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Zahlungsbegehren stattgegeben werde. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 27 Z 1 AngG ist es als ein wichtiger Grund, der den

Arbeitgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, anzusehen, wenn

sich der Angestellte ohne Wissen oder Willen des Arbeitgebers von

dritten Personen unberechtigte Vorteile zuwenden läßt, insbesondere

entgegen der Bestimmung des § 13 AngG eine Provision oder sonstige

Belohnung annimmt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes

hat der Kläger trotz des ausdrücklichen, mit der Androhung

sofortiger persönlicher Konsequenzen verbundenen Verbotes der

beklagten Partei, von Leasingfirmen Provisionen anzunehmen, auch

nach dem Mai 1979 bis etwa Mitte des Jahres 1980 weiterhin von den

Leasingfirmen - besonders von der Leasing-West - Provisionen

kassiert und auf ein Konto seiner Ehefrau überweisen lassen. Daß er

damit einen Entlassungstatbestand nach § 27 Z 1 AngG verwirklicht

hat, wird auch in der Revision nicht mehr in Zweifel gezogen; der

Rechtsmittelwerber meint aber, daß die beklagte Partei diesen schon

zwei Jahre zurückliegenden Entlassungsgrund verspätet geltend

gemacht habe. Dem kann nicht gefolgt werden. Nach ständiger

Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes muß der Arbeitgeber die

Entlassung ohne Verzug, das heißt, sofort, nachdem ihm der

Entlassungsgrund bekannt geworden ist, aussprechen; er darf aber im

Prozeß noch weitere Entlassungsgründe geltend machen

("nachschieben"), die er erst später erfahren hat, sofern nur diese

Entlassungsgründe im Zeitpunkt der Entlassungserklärung tatsächlich

bereits gegeben waren. Der Grundsatz der Unverzüglichkeit gilt also

nur für den Ausspruch der Entlassung, nicht aber für die

Geltendmachung der hiefür maßgebenden Gründe; für diese genügt es,

daß sie vom Antragsgegner im Prozeß nachgewiesen werden. Eine

unrichtige Angabe von Entlassungsgründen in der Entlassungserklärung

schadet nicht, wenn im Prozeß ein tatbestandsmäßiger

Entlassungsgrund nachgewiesen worden ist

(Arb. 8037 = JBl. 1965, 629 = SozM I D 485;

Arb. 7843 = SozM I Ad 547; Arb. 9492 uva; Kuderna,

Entlassungsrecht 12).

Im vorliegenden Fall ist der Umstand, daß der Kläger schon in den Jahren 1979 und 1980 von Leasingfirmen verbotswidrig und daher widerrechtlich Provisionen angenommen hat, seiner Arbeitgeberin unstreitig erst durch das eigene Vorbringen des Klägers in diesem Rechtsstreit bekannt geworden. Die beklagte Partei konnte daher auch diese verbotswidrige Handlungsweise des Klägers nachträglich zur Rechtfertigung der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses heranziehen. Daß sie eine solche Provisionsannahme durch ihre Außendienstmitarbeiter und damit insbesondere auch durch den Kläger geduldet oder gar ausdrücklich gebilligt hätte, haben die Vorinstanzen nicht als erwiesen angenommen. Schon aus diesem Grund erweist sich die Entlassung des Klägers als gerechtfertigt, ohne daß es erforderlich wäre, auf die mit der Provisionsanweisung der Leasing-West vom Oktober 1981 zusammenhängenden, in der Revision ausführlich behandelten Fragen weiter einzugehen. Eine allfällige Verspätung der Entlassung auf Grund dieses letzten Vorfalles spielt dann für die rechtzeitige Geltendmachung der früheren Entlassungstatbestände keine Rolle.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte