Spruch:
Freizeit nach § 116 ArbVG ist zu gewähren, wenn die Veranstaltung unmittelbar der Erörterung betriebsbezogener und in den gesetzlichen Aufgabenbereich des Betriebsrates fallender Angelegenheiten dient. Hiebei ist auch zu berücksichtigen, daß der Betriebsrat gemäß § 39 Abs. 2 ArbVG die ihm bei der Verwirklichung der Interessenvertretung obliegenden Aufgaben im Einvernehmen mit den zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer wahrnehmen soll
Auf Gewerkschaftsveranstaltungen zur allgemeinen gewerkschaftlichen Schulung in sozial- und tarifpolitischen Fragen ist § 118 ArbVG und nicht § 116 ArbVG über eine Amtsfreistellung auch dann anzuwenden, wenn die vermittelten Kenntnisse zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen des Arbeitsverfassungsgesetzes notwendig sind
OGH 19. Oktober 1976, 4 Ob 118/76 (KG Leoben 1 Cg 6/76; ArbG Liezen Cr 40/75)
Text
Der Kläger ist Mitglied des Betriebsrates im Betrieb der beklagten Partei. In dieser Eigenschaft nahm er an folgenden eintägigen Veranstaltungen teil:
Am 11. Oktober 1974 an einer Informationskonferenz in Bruck/Mur, wozu der GB, Gewerkschaft der Arbeiter in der Land- und Forstwirtschaft, eingeladen hatte. Die Tagesordnung sah Kurzberichte über den Gewerkschaftstag und die Landarbeitsgesetznovelle, Aktuelles und Allfälliges vor. Gegenstand der Berichte und Erörterungen war die Vorbereitung des Gewerkschaftstages, die Verdienstzeitenanrechnung im Rahmen der zu erwartenden Landarbeitsgesetznovelle (Bundesgesetz vom 28. November 1974, BGBl. 781/1974), die generell schlechter werdende wirtschaftliche Situation in den Betrieben und die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf den Akkordsatz. Von diesem letzten Punkt war der Kläger jedoch nicht unmittelbar angesprochen, da im Betrieb der beklagten Partei eine Herabsetzung der Akkordsätze weder angekundigt noch beabsichtigt war. Es wurde auch über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle gesprochen, wenngleich zu diesen Zeitpunkt eine Einladung zu einer diese Spezialfrage zum Gegenstand habenden Tagung des ÖGB, Bezirkssekretariat Liezen, bereits versendet war.
Am 19. Dezember 1974 an einer Betriebsräteinformationsschulung in Liezen hinsichtlich der am 1. Jänner 1975 in Kraft tretenden Lohnsteuerreform, zu welcher das Bezirkssekretariat Liezen des ÖGB eingeladen hatte. Es wurden dabei in Form eines Referates und zusätzlicher Fragemöglichkeit an Hand einer Informationsfibel des Bundesministeriums für Finanzen einzelne Fragen der neuen Lohnsteuerregelung besprochen. Am 23. Jänner 1975 an einer Betriebsräteinformationsschulung in Liezen, zu welcher das Bezirkssekretariat Liezen des ÖGB eingeladen hatte. Dabei sprach der Leiter der Otto-Möbes-Schule Graz, Prof. DDr. Rupert G, über das Thema Wirtschafts- und Sozialpolitik. Bei diesem Vortrag waren nicht nur Betriebsräte aus dem Bereich der Land- und Forstwirtschaft, sondern auch solche aus anderen Branchen anwesend. Am 12. März 1975 an einer Konferenz der Betriebsratsobmänner der Steirischen Forst- und Sägebetriebe in Bruck/Mur, die vom ÖGB, Gewerkschaft der Arbeiter in der Land- und Forstwirtschaft, einberufen worden war. Dabei wurde über den Stand der im Zuge befindlichen Lohnrunde gesprochen, wobei insbesondere die veranstaltende Gewerkschaft bestrebt war, entsprechende Basisinformationen von ihren Mitarbeitern zu erhalten. Es wurde auch erörtert, ob bzw. in welcher Weise auf die Arbeitgeber Druck ausgeübt werden solle, um ein möglichst positives Verhandlungsergebnis zu erzielen. Der Kläger begehrt die Bezahlung des Arbeitsentgeltes für diese Tage, weil die beklagte Partei dem Kläger die zur Erfüllung seiner Obliegenheiten als Mitglied des Betriebsrates erforderliche Freizeit unter Fortzahlung des Entgeltes zu gewähren habe, aber eine Zahlung des Entgeltes für diese Tage ablehne. Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren nicht der Höhe nach, wohl aber dem Gründe nach, weil es sich bei den besuchten Veranstaltungen nicht um solche gehandelt habe, für die der Kläger Freizeit zur Erfüllung seiner Obliegenheiten als Betriebsratsmitglied verlangen könne. Diese Veranstaltungen seien vielmehr nach den Bestimmungen über die Bildungsfreistellung zu beurteilen. Um eine Bildungsfreistellung habe der Kläger aber nicht angesucht.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat im wesentlichen die Ansicht, daß gewerkschaftliche Schulungen (Informationsveranstaltungen) mit dem Zweck, die Betriebsratsmitglieder über tarif- oder sozialpolitische Fragen zu unterrichten, unter den Begriff "Bildungsfreistellung" fielen, wenn die erteilten Informationen grundsätzlicher Natur seien und ihre Weitergabe nicht zeitgebunden sei, nicht aber dann, wenn sie das Tagesgeschehen betreffen. Das ergebe sich daraus, daß der Bildungsfreistellung ein entsprechend langes Bewilligungsverfahren vorausgehe, was mit dem Bedürfnis nach Information zum Tagesgeschehen unvereinbar sei. Außerdem seien Bildungsveranstaltungen gemäß § 27 Abs. 2 BRGO solche von zusammenhängender, mehrtägiger Dauer; eine solche Dauer sei für Veranstaltungen zu einer zeitgebundenen Information nicht erforderlich. Es sei aber den Mitgliedern des Betriebsrates nicht zumutbar, für den Besuch solcher Veranstaltungen Freizeit zu verwenden, überdies hätten die einzelnen Betriebsratsmitglieder auch keinen Einfluß auf den Zeitpunkt, zu dem solche Veranstaltungen angesetzt werden. Daraus folge, daß den Mitgliedern des Betriebsrates die Freizeit zum Besuch solcher Veranstaltungen unter Fortzahlung des Entgeltes zu gewähren sei. Im vorliegenden Fall seien die Konferenzen vom 11. Oktober 1974 und vom 12. März 1975 als betriebsbezogen zu beurteilen, weil die Information über die gesamtwirtschaftliche Lage auf dem Sektor der Land- und Forstwirtschaft für den Betrieb der beklagten Partei bedeutsam gewesen sei und der Betriebsrat diese Informationen für die Vertretung der Dienstnehmerinteressen benötigt habe und auch bezüglich der schwebenden Lohnverhandlungen ein Informationsbedürfnis für den Kläger als Mitglied des Betriebsrates bestanden habe. Auch die Gegenstände der Konferenzen am 19. Dezember 1974 (Lohnsteuerreform) und am 23. Jänner 1975 (Referat zu Wirtschaft- und Sozialpolitik) hätten auch die Dienstnehmer der beklagten Partei betroffen, sodaß die bei diesen Konferenzen vermittelten Kenntnisse und Informationen dazu notwendig gewesen seien, daß der Betriebsrat seine Aufgaben ordnungsgemäß erledigen kann.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren nach Neudurchführung der Verhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGG ab. Es ging von demselben Sachverhalt wie das Erstgericht aus. Rechtlich war es der Auffassung, daß entscheidend sei, ob die Teilnahme des Klägers an den hier angeführten Veranstaltungen in Erfüllung seiner Obliegenheiten als Betriebsratsmitglied erfolgt sei oder ob darauf die Bestimmungen über die Bildungsfreistellung anzuwenden seien. Für die Abgrenzung sei maßgebend, ob die Veranstaltungen unmittelbar der Erörterung betriebsbezogener und in den gesetzlichen Aufgabenbereich des Betriebsrates fallender Angelegenheiten oder der allgemeinen Schulung gedient hätten. Für die erste Gruppe sei den Mitgliedern des Betriebsrates die erforderliche Freizeit unter Fortzahlung des Entgeltes zu gewähren. Die zweite Gruppe sei nach den Bestimmungen über eine Bildungsfreistellung zu behandeln. Zu dieser zweiten Gruppe gehörten jedenfalls die Konferenzen vom 19. Dezember 1974 (betreffend die Lohnsteuerreform) und vom 23. Jänner 1975 (betreffend die allgemeine Wirtschafts- und Sozialpolitik), weil ihnen die unmittelbare Betriebsbezogenheit fehlte. Das gelte auch für die Konferenz vom 11. Oktober 1974, weil es nicht Aufgabe des Betriebsrates sei zu Gesetzentwürfen allgemein Stellung zu nehmen und die schlechter werdende gesamtwirtschaftliche Lage im Betrieb der beklagten Partei keine Auswirkungen auf die Akkordsätze gehabt habe. Auch die Konferenz vom 12. März 1975 habe nicht zu unmittelbar den Betrieb betreffenden Erörterungen gedient. Alle vom Kläger besuchten Veranstaltungen seien daher nach den Vorschriften über eine Bildungsfreistellung zu beurteilen. Auf das zeitliche Ausmaß der Veranstaltungen komme es bei dieser Abgrenzung nach dem Gesetz nicht an; die vom Erstgericht bezogenen Bestimmungen der BRGO seien lediglich Ordnungsvorschriften. Es liege auch keine im Einvernehmen mit dem Dienstgeber erfolgte Bildungsfreistellung des Klägers vor weil der Kläger um eine solche nicht angesucht, sondern die Gewährung von Freizeit zur Erfüllung der Aufgaben als Mitglied des Betriebsrates verlangt habe. Da die beklagte Partei diese Freizeitgewährung gar nicht ablehnen konnte, könne daraus, daß sie dem Besuch der Veranstaltungen durch den Kläger nicht widersprochen habe, nicht abgeleitet werden, daß sie ihm (auch) unter dem Gesichtspunkt einer Bildungsfreistellung zugestimmt habe. Dem Kläger gebühre daher kein Entgelt für die Zeit der Arbeitsversäumnis durch den Besuch dieser Veranstaltungen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger macht im wesentlichen geltend, daß alle von ihm besuchten Veranstaltungen einen konkreten, aktuellen Bezug zu seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied gehabt hätten und ihm daher die für ihren Besuch erforderliche Freizeit unter Fortzahlung des Entgeltes zu gewähren gewesen sei.
Der Erörterung dieser Frage ist voranzuschicken, daß der im vorliegenden Fall anzuwendende § 133 Abs. 3 der steiermärkischen Landarbeitsordnung (LGBl. 319/1971) denselben Wortlaut hat wie § 16 Abs. 3 BRG (i. d. F. BGBl. 139/1971) und § 116 Arbeitsverfassungsgesetz (BGBl. 22/1974). Nach allen diesen Bestimmungen ist den Mitgliedern des Betriebsrates unbeschadet einer Bildungsfreistellung die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten erforderliche Freizeit unter Fortzahlung des Entgeltes zu gewähren. Dagegen hat gemäß § 118 ArbVG (und nach den entsprechenden Bestimmungen der angeführten Gesetze) jedes Mitglied des Betriebsrates Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung bis zu zwei Wochen innerhalb der Funktionsperiode zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen (unter Fortzahlung des Entgeltes), die von kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber veranstaltet oder von diesen übereinstimmend als geeignet anerkannt werden, wenn sie die Vermittlung von Kenntnissen zum Gegenstand haben, die der Ausübung der Funktion eines Betriebsratsmitgliedes dienen. Der Zeitpunkt der Freistellung ist im Einvernehmen zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat unter Vornahme einer Interessenabwägung zu vereinbaren; im Streitfall entscheidet darüber das Einigungsamt.
Dieses Bewilligungsverfahren wurde im vorliegenden Fall nicht eingeleitet, so daß ein Anspruch des Klägers auf Bezahlung der versäumten Arbeitszeit unter dem Gesichtspunkt einer Bildungsfreistellung nicht in Betracht kommt. Die widerspruchslose Gewährung der zur Erfüllung der Obliegenheiten als Mitglied des Betriebsrates erforderlichen Freizeit kann nämlich nicht als Ersatz des für die Gewährung der Bildungsfreistellung erforderlichen Einvernehmens zwischen Betriebsrat und Betriebsinhaber gewertet werden. Dies folgt schon daraus, daß die Freizeit zur Erfüllung der Obliegenheiten als Mitglied des Betriebsrates von diesem Mitglied selbst durch Anmelden in Anspruch zu nehmen ist, aber vom Betriebsinhaber gewährt werden muß, sofern die Tätigkeit als Mitglied des Betriebsrates "tunlichst ohne Störung des Betriebes" ausgeübt wird (§ 39 ArbVG, Floretta - Strasser, Kommentar zum ArbVG 781, 785; Spielbüchler, öRdA 1976, 55) hingegen erfolgt die Interessenabwägung bei Inanspruchnahme einer Bildungsfreistellung, über deren Zeitpunkt das Einvernehmen zwischen dem Betriebsinhaber und dem Betriebsrat (als Kollegialorgan) herzustellen ist, nach anderen Gesichtspunkten (Floretta, 798). Das Unterlassen eines Widerspruches gegen eine gemäß § 116 ArbVG, in Anspruch genommene Freizeit kann daher nicht dahin ausgelegt werden, daß der Betriebsinhaber diese Freizeit auch als Bildungsfreistellung gewährt habe und das nach § 118 ArbVG vorgesehene Einvernehmen darüber somit hergestellt worden sei. Mangels Herstellung dieses Einvernehmens kann aber auch die Bezahlung dieser Freizeit nicht unter Berufung auf § 118 ArbVG verlangt werden.
Es ist daher entscheidend, ob die vom Kläger in Anspruch genommene Freizeit als Amtsfreistellung im Sinn des § 116 ArbVG, zu entlohnen ist. Bei der Abgrenzung der Amtsfreistellung von der Bildungsfreistellung ist zunächst die Auffassung zu billigen, daß es wesentlich auf den Zweck und nicht auf die Dauer der Veranstaltung ankommt. Die Dauer der Veranstaltung ist nach dem Gesetz kein Abgrenzungsmerkmal. § 33 Abs. 1 BRGO (BGBl. 355/1974) ist gegen eine bloße Ordnungsvorschrift (Floretta, 799), aus der jedenfalls nicht abgeleitet werden kann, daß für den Besuch einer Veranstaltung, welche die dort angegebene Dauer nicht erreicht, schon wegen der kurzen Dauer der Veranstaltung bezahlte Freizeit nach § 116 ArbVG zu gewähren sei. Freizeit nach dieser Gesetzesstelle ist vielmehr dann zu gewähren, wenn die Veranstaltung unmittelbar der Erörterung betriebsbezogener und in den gesetzlichen Aufgabenbereich des Betriebsrates fallender Angelegenheiten dient. Hiebei ist auch zu berücksichtigen, daß der Betriebsrat gemäß § 39 Abs. 2 ArbVG, die ihm bei der Verwirklichung der Interessenvertretung obliegenden Aufgaben im Einvernehmen mit den zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer wahrnehmen soll. Freizeit gemäß § 116 ArbVG ist daher z. B. zu gewähren, wenn bei einer Gewerkschaftsveranstaltung den Betrieb betreffende Fragen für den Abschluß eines Kollektivvertrages besprochen werden sollen, nicht aber wenn die Gewerkschaftsveranstaltung der allgemeinen oder der allgemeinen gewerkschaftlichen Schulung (z. B. über sozial- und tarifpolitische Fragen) dient. Auf Veranstaltungen der letztgenannten Art sind die Vorschriften über die Bildungsfreistellung und nicht jene über eine Amtsfreistellung auch dann anzuwenden, wenn die vermittelten Kenntnisse zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen des Arbeitsverfassungsgesetzes notwendig sind (Floretta,784). Der weitergehenden Auffassung Spielbüchlers (49), der davon ausgeht, daß eine "Bildung" grundsätzlich sowohl im Rahmen einer Amtsfreistellung als auch im Rahmen einer Bildungsfreistellung vermittelt werden könne und die Abgrenzung nicht so sehr nach dem Inhalt der vermittelten Kenntnisse, sondern nach deren Aktualität und unmittelbaren Verwendbarkeit in der täglichen Betriebsratsarbeit zu ziehen sei, so daß für Veranstaltungen Freizeit nach § 116 ArbVG beansprucht werden könne, wenn ihr primärer Zweck die Vermittlung von Informationen und Kenntnissen als Hilfeleistung für konkrete Aufgaben ist, die demnächst bevorstehen, kann nicht beigetreten werden. Es erscheint nämlich schon der Ansatzpunkt für diese Auffassung, den Spielbüchler darin erblickt, daß die Freizeit nach § 116 ArbVG "unbeschadet einer Bildungsfreistellung nach § 118" zu gewähren sei, nicht überzeugend. Er verweist selbst darauf, daß der parlamentarische Ausschußbericht zu dieser Bestimmung (542 BlgNR, GP) diese Klausel so verstanden wissen will, daß das sonst zustehende Recht auf Teilnahme an Veranstaltungen unberührt bleibe, die nicht unmittelbar der Ausbildung dienten, und dem Ausschuß anscheinend daran gelegen gewesen sei, die Amtsfreistellung nicht durch die Bildungsfreistellung einzuengen. Spielbüchler vertritt die Auffassung, daß diese Absicht durch den gewählten Wortlaut der Bestimmungen der §§ 116 und 118 ArbVG nicht glücklich verwirklicht worden sei, aber man als Ergebnis davon ausgehen müsse, daß die Tatsache der Bildungsfreistellung und die Möglichkeit der Amtsfreistellung einander nicht beeinträchtigen sollen. Darin ist ihm durchaus zu folgen. Mehr als die Bedeutung einer solchen Klarstellung kann aber auch der erwähnten Klausel nicht beigemessen werden. Wenn sich auch die Unzulässigkeit einer Verweisung eines Betriebsratsmitgliedes, das Freizeit zur Erfüllung seiner Obliegenheiten gemäß § 116 ArbVG in Anspruch nimmt, auf die Möglichkeit einer Bildungsfreistellung schon aus der Verschiedenartigkeit des Zweckes der Amtsfreistellung einerseits und der Bildungsfreistellung andererseits ergibt, kann aus der Tatsache, daß durch die angeführte Klausel ausdrücklich klargestellt wurde, daß die Tatsache der Bildungsfreistellung und die Möglichkeit der Amtsfreistellung einander nicht beeinträchtigen sollen, doch nicht der Schluß gezogen werden, es müsse die Möglichkeit einer Überschneidung des Zweckes dieser beiden Arten von Freizeitgewährung vorausgesetzt werden. Es erscheint vielmehr die Auffassung systemgerechter, daß Freizeit nach § 116 ArbVG dann zu gewähren ist, wenn die Veranstaltung unmittelbar der Erörterung betriebsbezogener Angelegenheiten dient, und die Vermittlung von anderen Kenntnissen und Informationen auf die Bildungsfreistellung verwiesen wird. Für die Annahme, daß gewisse Veranstaltungen, die den gleichen Zweck haben, je nach der Aktualität des vermittelten Wissens nach den Bestimmungen über die Amtsfreistellung oder nach jenen über eine Bildungsfreistellung zu beurteilen seien, erscheinen die Anhaltspunkte, die das Gesetz bietet, nicht ausreichend. Die vom Kläger besuchten Veranstaltungen dienten aber nicht unmittelbar der Erörterung betriebsbezogener Angelegenheiten sondern der Vermittlung anderer Kenntnisse und Informationen. Die Konferenz vom 11. Oktober 1974 hatte Kurzberichte über den Gewerkschaftstag und Gesetze, sowie die allgemein schlechter werdende Situation in den Betrieben zum Gegenstand, wozu ausdrücklich festgestellt wurde, daß der Betrieb, in dem der Kläger tätig war, von dieser Verschlechterung nicht unmittelbar betroffen war, weil in diesem Betrieb an eine Änderung der Akkordsätze nicht gedacht war. Die Veranstaltungen vom 19. Dezember 1974 und vom 23. Jänner 1975 dienten der allgemeinen Information (über die Lohnsteuerreform und über das Thema "Wirtschafts- und Sozialpolitik"), somit nicht der Erörterung unmittelbar betriebsbezogener Angelegenheiten, wenn auch die erworbenen Kenntnisse bei der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied verwertet werden konnten. Die Betriebsrätekonferenz vom 12. März 1975 diente ebenfalls nicht der Erörterung unmittelbar betriebsbezogener Angelegenheiten, sondern dazu, der veranstaltenden Gewerkschaft Unterlagen für ihr weiteres Verhalten bei den Lohnverhandlungen zu verschaffen. Die gewonnenen Kenntnisse sollten also nicht eine Hilfeleistung für das weitere Verhalten der Organe der Arbeitnehmerschaft des Betriebes sein, deren Erfangung dem gesetzlichen Aufgabenbereich der Mitglieder dieser Organe zugeordnet werden könnte, sondern eine Hilfe für die außerbetriebliche Interessenvertretung. Die behandelten Angelegenheiten können daher auch nicht als unmittelbar betriebsbezogen angesehen werden.
Daraus folgt, daß der Anspruch des Klägers auf Entlohnung der für den Besuch dieser Veranstaltungen erforderlichen Freizeit vom Berufungsgericht mit Recht verneint wurde, so daß der Revision ein Erfolg zu versagen war.
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