OGH 4Ob114/61

OGH4Ob114/6129.8.1961

SZ 34/109

Normen

KO §2 Abs2
KO §46 Abs2 lita
KO §51
KO §2 Abs2
KO §46 Abs2 lita
KO §51

 

Spruch:

Ebenso wie die Jahresfrist des § 51 Abs. 1 KO. ist auch die 30tägige Frist des § 46 Abs. 2 lit. a KO. im Falle eines Anschlußkonkurses vom Tage der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens an zu rechnen (§ 2 Abs. 2 KO.)

Entscheidung vom 29. August 1961, 4 Ob 114/61.

I. Instanz: Arbeitsgericht Graz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Die Klägerin war vom 1. Jänner 1959 bis 31. März 1960 beim nunmehrigen Gemeinschuldner Dr. Josef S. als Angestellte beschäftigt. Über das Vermögen des Dr. S. wurde am 14. Dezember 1959 das Ausgleichsverfahren und am 2. Februar 1960 der Anschlußkonkurs eröffnet.

Die Klägerin begehrte die Zahlung des Gehaltes für die Zeit vom 14. November 1959 bis 31. März 1960 und der anteilsmäßigen Weihnachtsremuneration und Urlaubsbeihilfe im Gesamtbetrag von 13.414 S 92 g mit der Begründung, daß diese Ansprüche Masseforderungen seien, was der beklagte Masseverwalter bestreitet. Die Höhe des Klagebegehrens steht außer Streit.

Das Erstgericht entschied nach dem Klagebegehren.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge. Es führte im wesentlichen aus:

Die Lohnforderung der Klägerin betreffe drei zeitlich voneinander abzugrenzende Phasen, und zwar den Zeitraum vom 14. November 1959 bis zu der am 14. Dezember 1959 erfolgten Eröffnung des Ausgleichsverfahrens, den Zeitraum vom 14. Dezember 1959 bis zu der am 2. Februar 1960 erfolgten Eröffnung des Anschlußkonkurses, und den sich daran anschließenden Zeitraum bis 31. März 1960, Die Ansprüche der Klägerin für den letztgenannten Zeitraum seien Masseforderungen, weil die Klägerin in dieser Zeit der Konkursmasse Dienste geleistet habe. Für den mittleren Zeitraum ergebe sich die Qualifikation der klägerischen Forderung als Masseforderung aus der Bestimmung des § 46 Abs. 1 Z. 2 KO. und den vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung ArbSlg. 5729 entwickelten Grundsätzen. Für die Zeit bis zur Ausgleichseröffnung sei der Anspruch der Klägerin im Hinblick auf die Bestimmung des § 46 Abs. 2 KO. ebenfalls Masseforderung. Gemäß § 2 Abs. 2 KO. sei bei einem Anschlußkonkurs die 30tägige Frist des § 46 Abs. 2 lit. a KO. vom Tage der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens zurückzuberechnen. Für eine andere Art der Berechnung liege kein Anhaltspunkt vor. Die Konkurs- und Ausgleichsnovelle 1959, BGBl. Nr. 253, bezwecke nach ihren erläuternden Bemerkungen (Nr. 51 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, IX. GP.) eine Besserstellung der durch eine Insolvenz ihrer Dienstgeber gefährdeten Dienstnehmer.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Für die Zeit nach der Eröffnung des Anschlußkonkurses bekämpft der Revisionswerber den Anspruch der Klägerin als Masseforderung erkennbar nicht mehr. Es ist auch wohl nicht ernstlich zu bezweifeln, daß Ansprüche der Dienstnehmer auf laufende Bezüge für die Zeit nach der Konkurseröffnung Masseforderungen sind. Diesbezüglich kann auf die zutreffende Begründung der Untergerichte verwiesen und als weiteres Argument angeführt werden, daß dann, wenn Ansprüche der Dienstnehmer auf laufende Bezüge für die letzten 30 Tage vor der Konkurseröffnung als Masseforderungen gelten, umso mehr solche Ansprüche der Dienstnehmer für die Zeit nach Konkurseröffnung Masseforderungen sein müssen.

Nicht so eindeutig war die Rechtslage für Ansprüche der Dienstnehmer, die nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens und vor Eröffnung des Anschlußkonkurses entstanden sind. Hier hat jedoch der Oberste Gerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung ArbSlg. 5729 ausgesprochen, daß solche Entgeltansprüche als Masseforderungen und nicht als Konkursforderungen zu behandeln sind, und daß es keinen Unterschied macht, ob der Dienstnehmer vom Ausgleichsschuldner nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens aufgenommen oder nur weiterbeschäftigt wurde. Die in dieser Entscheidung entwickelten Gedankengänge werden durch die Konkurs- und Ausgleichsnovelle 1959 nicht beeinträchtigt, weil sich am Wortlaut der Bestimmung des § 46 Z. 2 KO. (nunmehr § 46 Abs. 1 Z. 2 KO.) durch die Novelle nichts geändert hat und auch die übrigen Bestimmungen der Novelle sich dem vom Obersten Gerichtshof eingenommenen Rechtsstandpunkt anpassen, worauf noch zurückzukommen sein wird. Die Ansicht des Revisionswerbers, die „ältere" Rechtsprechung sei durch die Novelle überholt, trifft daher nicht zu.

Die Revision verlegt das Schwergewicht ihrer Ausführungen auf den 30tägigen Zeitraum vor der Konkurseröffnung und meint dazu: Die Bestimmung über die Fristenberechnung des § 2 Abs. 2 KO. gelte keinesfalls für alle Fristen. Im § 46 Abs. 1 Z. 1 und 2 KO. sei ausdrücklich auf § 2 Abs. 2 KO. hingewiesen, während ein solcher Hinweis bei der Bestimmung des § 46 Abs. 2 lit. a KO. fehle, was eindeutig erkennen lasse, daß der Gesetzgeber die 30 Tage nur ab der tatsächlichen Konkurseröffnung habe gerechnet wissen wollen. Die Ausgleichsnovelle 1959 habe eine Besserstellung der Dienstnehmer nur im Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren bezweckt; deshalb seien die Ansprüche der Dienstnehmer auch verschiedentlich beschränkt.

Die zur Entscheidung stehende Frage läßt sich nicht beantworten, wenn nicht alle für die Entscheidung wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen berücksichtigt werden. In Betracht kommen hier in erster Linie § 2 Abs. 2. § 46 und § 51 Abs. 1 KO. Die einzelnen gesetzlichen Bestimmungen müssen so ausgelegt werden, daß sich dabei eine nach allen Richtungen befriedigende Lösung ergibt. Dies ist nur dann möglich, wenn im Ergebnis der von den Untergerichten vertretenen Rechtsansicht gefolgt wird. Dabei sind folgende Überlegungen maßgebend:

Im § 51 Abs. 1 KO. werden Dienstnehmerforderungen unter bestimmten Voraussetzungen in die erste Klasse der Konkursforderungen eingereiht, wobei in Lehre und Rechtsprechung kein Zweifel darüber besteht, daß die Berechnung der Jahresfrist im Falle eines Anschlußkonkurses von der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens und nicht erst von der Eröffnung des Konkurses an zu berechnen ist (vgl. Bartsch - Pollak, KO., AO., AnfO., 3. Aufl. II S. 283 Anm. 39). Die Konkurs- und Ausgleichsnovelle 1959 hat die einzelnen in die erste Klasse gehörigen Konkursforderungen näher erläutert, an der Bestimmung der Frist aber nichts geändert. Daher besteht auch kein Anlaß, die Jahresfrist des § 51 Abs. 1 KO. nunmehr anders als früher zu berechnen. Die Art der Fristberechnung ist nur auf Grund der Bestimmung des § 2 Abs. 2 KO. möglich, wonach die vom Tag der Konkurseröffnung zu berechnenden Fristen im Falle eines Anschlußkonkurses vom Tag der Eröffnung des Ausgleiches zu berechnen sind. Eine Ausnahme von der hier vorgeschriebenen Berechnungsart machen nur jene Fristen, bei denen sich die Rückverlegung auf die Ausgleichseröffnung nicht durchführen läßt, ohne zu praktisch unbrauchbaren Ergebnissen zu gelangen (etwa § 25 Abs. 1 und § 43 Abs. 2 KO; vgl. SZ. XXVIII 75).

Sind aber im Falle eines Anschlußkonkurses die Fristen in der Regel vom Tag der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens an zu berechnen, so muß diese Regel ebenso wie für die Jahresfrist des § 51 Abs. 1 KO. auch für die 30tägige Frist des § 46 Abs. 2 lit. a KO. gelten. Dies folgt schon aus dem Hinweis im § 51 Abs. 1 Z. 2 KO., "soweit sie nicht gemäß § 46 Masseforderungen sind oder als solche gelten". Diese Einschränkung wäre sinnlos, wenn die Frist des § 51 Abs. 1 KO. anders berechnet würde als die des § 46 KO., weil bei verschiedener Berechnung ein Überschneiden der beiden Fristen in den meisten Fällen gar nicht möglich wäre.

Die Zurückverlegung des Beginnes der in den §§ 51 Abs. 1 und 46 KO. genannten Fristen auf den Zeitpunkt der Ausgleichseröffnung verlangt aber auch zwingend, daß die zwischen der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens und der des Anschlußkonkurses entstandenen Entgeltansprüche des Dienstnehmers als Masseforderungen zu behandeln sind, wie bereits dargelegt wurde; sonst käme es zu ungeregelten Zwischenräumen, für welche eine Einstufung der Dienstnehmerforderungen in die eine oder andere Qualität nicht möglich wäre.

Es ist zwar richtig, daß sich ein ebenso kontinuierliches Bild ergibt, wenn die verschiedenen Fristen in keinem Fall vom Tag der Eröffnung des Ausgleiches, sondern immer erst vom Tag der Eröffnung des Anschlußkonkurses berechnet werden, doch ist dies mit dem Wortlaut und dem Sinn des Gesetzes nicht vereinbar. Aus § 46 Abs. 1 Z. 2 KO. folgt nämlich, daß die Entgeltansprüche der Dienstnehmer für die Zeit von der Ausgleichs- bis zur Konkurseröffnung Masseforderungen sind, und dies nicht auf Grund einer mit Hilfe des § 2 Abs. 2 KO. vorgenommenen Fristberechnung, sondern auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (vgl. oben). Auch wäre der Dienstnehmer, dessen Ansprüche für das letzte Jahr vor der Ausgleichseröffnung gemäß § 23 Z. 3 AO. bevorrechtet sind, im Falle eines Anschlußkonkurses für die Dauer des Ausgleichsverfahrens dieses Vorrechtes beraubt, wenn seine Forderung in die erste Klasse der Konkursgläubiger erst für das letzte Jahr vor der Eröffnung des Anschlußkonkurses eingereiht würde. Ist die Forderung des Dienstnehmers für die Zeit des Ausgleichsverfahrens (bis zur Eröffnung des Anschlußkonkurses) ohnehin Masseforderung, so wäre es sinnlos, durch besondere gesetzliche Bestimmung anzuordnen (§ 46 Abs. 2 lit. a KO.), daß seine Ansprüche für die letzten 30 Tage vor der Konkurseröffnung als Masseforderungen gelten.

Ebensowenig verfängt der Einwand des Revisionswerbers, daß im Abs. 1. nicht aber im Abs. 2 des § 46 KO. verschiedentlich auf § 2 Abs. 2 KO. hingewiesen wird; der Hinweis im § 46 KO. findet sich nämlich nur dann, wenn der Begriff "Anschlußkonkurs" verwendet wird. Da auch sonst das Gesetz bei der Bestimmung von Fristen, die von der Konkurseröffnung an zu berechnen sind, nicht auf § 2 Abs. 2 KO. hinweist, sind die vom Revisionswerber gezogenen Schlüsse nicht zwingend. Gerade damit, daß der Gesetzgeber die Bestimmung der Fristberechnung im Falle des Anschlußkonkurses allgemein gefaßt und vorangestellt hat, erübrigt sich bei den verschiedenen Bestimmungen über Fristen eine Einzelanordnung oder auch ein Hinweis auf § 2 Abs. 2 KO.

Die erläuternden Bemerkungen des Gesetzgebers zur Konkurs- und Ausgleichsnovelle sind nur insofern von Interesse, als ihnen entnommen werden kann, daß die Dienstnehmer gegenüber der bisherigen gesetzlichen Regelung, wie dies vor allem in der Rechtsprechung zum Ausdruck kam, nicht schlechter gestellt werden sollten.

Aus den angestellten Überlegungen folgt, daß das Klagebegehren begrundet ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte