OGH 4Ob10/67

OGH4Ob10/6728.2.1967

SZ 40/28

Normen

ZPO §236 (1)
ZPO §259 (2)
ZPO §236 (1)
ZPO §259 (2)

 

Spruch:

Für die Präjudizialität eines auf Zwischenantrag der beklagten Partei gemäß § 236 (1) (§ 259 (2)) ZPO. festzustellenden Rechtsverhältnisses ist maßgebend, welche ihrer mehreren Einwendungen das Gericht zur Grundlage seiner Entscheidung macht.

Entscheidung vom 28. Februar 1967, 4 Ob 10/67.

I. Instanz: Arbeitsgericht Graz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Mit der am 9. Juli 1966 eingebrachten Klage begehrte der Kläger von der beklagten Partei die Bezahlung von 3339.60S s. A. Er sei seit 10. November 1947 als Kraftfahromnibuslenker bei der beklagten Partei beschäftigt. Zufolge des Kollektivvertrages vom 23. Juni 1952 seien die Bediensteten der beklagten Partei in lohnrechtlichen Fragen mit den Bediensteten der Österreichischen Bundesbahnen gleichgestellt worden. Trotzdem habe der Kläger an Stelle der "Auswärtsgebühren" nach der DA. Z.: GS/776/2-61 nur einen monatlichen Pauschalbetrag von 550 S erhalten, wodurch sich für die Zeit vom 1. Juli bis 30. Oktober 1963 ein Minderbetrag von 3339.60 S s. A. ergebe.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung der Klage und wendete ein, daß wegen der anders gelagerten Verhältnisse bei der beklagten Partei am 4. März 1956 eine Vereinbarung der Personalvertretung ihrer Dienstnehmer mit der beklagten Partei geschlossen worden sei, wonach an Stelle der Regelung nach der DA. Z.: GS/776/2-61 über die Auswärtsgebühren eine pauschalierte Mehrleistungsentschädigung von ursprünglich 400 S, ab 1. August 1963 von 550 S, getreten sei. Diese Vereinbarung sei nie gekundigt worden und daher nach wie vor wirksam.

Bei der mündlichen Streitverhandlung am 20. Juli 1966 stellte die beklagte Partei folgenden Zwischenantrag auf Feststellung: "Es wird festgestellt, daß dem Kläger auf Grund der am 4. März 1956 vereinbarten Pauschalierung der Nebengebühren ein weitergehender Anspruch nach der DA. Z.: GS/336/2-61 nicht zusteht."

Das Erstgericht wies sowohl das Klagebegehren als auch diesen Zwischenantrag auf Feststellung ab. Es kam zu dem Ergebnis, daß der gültige Kollektivvertrag vom 23. Juni 1952 (22. Jänner 1948) keine Ermächtigung zum Abschluß einer Betriebsvereinbarung enthalte und weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigende Annahme dieser Vereinbarung durch den Kläger vorliege, sodaß die Vorschrift DA. Z.:

GS/776/2-61 jede andere Art der Verrechnung von Nebengebühren ausschließe. Der Anspruch des Klägers auf den eingeklagten Differenzbetrag für die Zeit von Juli bis Oktober 1963 sei jedoch nach § 38 Reisegebührenvorschrift erloschen. Der von der beklagten Partei gestellte Zwischenantrag auf Feststellung sei zwar zulässig, jedoch nicht begrundet, da die Vereinbarung vom 4. März 1956 für den Kläger nicht rechtswirksam sei. Die Prozeßkosten wurden gegenseitig aufgehoben.

Gegen dieses Urteil des Erstgerichtes erhob nur die beklagte Partei Berufung, und zwar insoweit, als ihr Zwischenantrag auf Feststellung abgewiesen und die Kosten gegenseitig aufgehoben wurden.

Das Berufungsgericht gab nach mündlicher Berufungsverhandlung der Berufung nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 15.000 S übersteigt. Es führte aus, daß ein Zwischenantrag auf Feststellung prozeßabhängig sei. Daraus folge, daß die Anfechtung oder die Entscheidung über einen Zwischenantrag auf Feststellung in dem Augenblick ausgeschlossen sei, in dem eine Fortführung des Prozesses über die Hauptsache durch den Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über das Klagebegehren verhindert werde. Dabei mache es keinen Unterschied, ob dieser Zwischenantrag vom Kläger oder vom Beklagten gestellt wurde. Auch der Beklagte könne nur dann ohne gleichzeitige Anfechtung der Entscheidung in der Hauptsache die Entscheidung über den Zwischenfeststellungsantrag bekämpfen, wenn die Entscheidung über das Klagebegehren wegen eines dagegen erhobenen Rechtsmittels irgend eines Prozeßbeteiligten noch nicht rechtskräftig geworden sei. Der Oberste Gerichtshof habe zwar in der Entscheidung Arb. 6304 die gesonderte Anfechtung mit der Begründung zugelassen, daß prozeßökonomische Gründe eine Überprüfung der Entscheidung über den Zwischenantrag, der die neuerliche Aufrollung des Streites über das präjudizielle Rechtsverhältnis in späteren Prozessen ersparen soll, erforderten. Dieser Ansicht vermöge sich aber das Berufungsgericht nicht anzuschließen und daher auch einer Behandlung der nur gegen die Entscheidung über den Zwischenfeststellungsantrag erhobenen Berufung nicht näherzutreten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei teilweise Folge, und änderte die Urteile der Untergerichte dahin ab, daß er den Zwischenfeststellungsantrag der beklagten Partei mit Beschluß zurückwies.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der von der beklagten Partei gestellte Zwischenantrag auf Feststellung war von Anfang an nicht präjudiziell für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites. Das ergibt sich schon daraus, daß das Klagebegehren aus einem Gründe abgewiesen wurde, der mit der Frage der Rechtswirksamkeit der Vereinbarung der Personalvertretung der Dienstnehmer mit der beklagten Partei vom 3. Juni 1956 nichts zu tun hat. Wäre Präjudizialität vorgelegen, hätte bei Abweisung des den Klageanspruch verneinenden Zwischenantrages auf Feststellung dem Klagebegehren Folge gegeben werden müssen. Präjudiziell ist gemäß § 236 (1) ZPO. (§ 259 (2) ZPO.) ein Rechtsverhältnis oder Recht dann, wenn von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über das Klagebegehren ganz oder zum Teile abhängt. Es ist nicht von Bedeutung, ob etwa der Beklagte gegen den Klagsanspruch mehrere Rechtsverhältnisse oder Rechte eingewendet hat und nach den Regeln der Logik jedes von ihnen selbständig für die Entscheidung über das Klagebegehren eine Vorfrage darstellt. Maßgebend ist nach § 236 (1) ZPO. vielmehr, welcher der mehreren Einwendungen des Beklagten die konkrete Entscheidung über das Klagebegehren die ausschlaggebende Bedeutung beigemessen und sie so zur alleinigen Grundlage des Erkenntnisses gemacht hat. Andere eingewendete Rechtsverhältnisse oder Rechte, die vom Gericht als Vorfrage für die Entscheidung nicht herangezogen und behandelt wurden, können trotz ihrer theoretischen Präjudizialität nicht zum Gegenstand eines Zwischenfeststellungsantrages gemacht werden. Der Sinn eines solchen Antrages liegt ja auch nur darin, den Prozeßaufwand für die Vorfragenbeantwortung allfälligen späteren Rechtsstreitigkeiten der Parteien dienstbar zu machen, nicht aber, einen solchen Prozeßaufwand über die Bedürfnisse des konkreten Rechtsstreites hinaus zu verursachen. Für die Rechtsmeinung, welcher Einwendung des Beklagten die streitentscheidende Bedeutung zukommt, ist die Auffassung des im Instanzenzug zuletzt befaßten Gerichtes maßgebend (vgl. zu diesen Fragen SZ. XXIX 65; nicht gegenteilig EvBl. 1955 Nr. 348; ähnlicher Auffassung wie hier wohl auch Fasching III, S. 128, 133, Sperl, S. 503, Neumann[4] II, S. 918).

Richtigerweise hätten daher die Untergerichte den von der beklagten Partei gestellten Zwischenantrag auf Feststellung mangels Präjudizialität mit Beschluß zurückweisen und nicht mit Urteil abweisen sollen. Wenn die beklagte Partei eine gerichtliche Entscheidung über den vom Kläger behaupteten Anspruch auf Auswärtsgebühren nach der DA. Z.: GS/776/2-61 über den Rahmen dieses Rechtsstreites hinaus erreichen wollte, so hätte sie eine Klage auf Feststellung einbringen müssen. Sie kann aber nicht verlangen, daß über einen für das Klagebegehren gar nicht präjudiziellen Anspruch weiter verhandelt und entschieden werde.

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