OGH 4Nc21/13w

OGH4Nc21/13w22.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel und Dr. Musger als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des M***** S*****, wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 2 JN, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Perg vom 25. Juli 2013, GZ 2 P 126/12f-47, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Sachwalterschaftssache des M***** S*****, an das Bezirksgericht Favoriten wird nicht genehmigt.

Text

Begründung

Der Betroffene ist ein malischer Staatsangehöriger, der in Österreich Asyl beantragt hatte. Bei Einleitung des Pflegschaftsverfahrens hielt er sich in einer im Sprengel des Bezirksgerichts Perg gelegenen „Betreuungsstelle“ auf. Später begab er sich nach Wien und war dort im Sprengel des Bezirksgerichts Favoriten gemeldet.

Nach Rechtskraft der Sachwalterbestellung übertrug das Bezirksgericht Perg die Zuständigkeit unter Hinweis auf den neuen Aufenthaltsort an das Bezirksgericht Favoriten. Dieses holte einen Bericht des Sachwalters ein, aus dem sich ergab, dass der Betroffene obdachlos und unsteten Aufenthalts ist. Kurzfristig war er in Schubhaft, an der Meldeadresse hat er jedenfalls keine Unterkunft. Die Meldung ist inzwischen auch nicht mehr aufrecht. Auf dieser Grundlage lehnte das Bezirksgericht Favoriten die Übernahme des Verfahrens ab. Das Bezirksgericht Perg legt die Akten zur Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Zuständigkeitsübertragung ist nicht zu genehmigen.

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse eines Minderjährigen oder sonst Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Grundsatz der perpetuatio fori - wonach jedes Gericht in Rechtssachen, die rechtmäßigerweise bei ihm anhängig gemacht wurden, bis zu deren Beendigung zuständig bleibt, wenn sich auch die Umstände, die bei Einleitung des Verfahrens für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgebend waren, während des Verfahrens geändert hätten (§ 29 JN) - durchbrochen werden. Diese Bestimmung bezweckt die Sicherstellung der wirksamsten Handhabung des pflegschaftsbehördlichen Schutzes. Eine Übertragung muss daher im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen sein (4 Nc 15/09d mwN).

§ 111 JN nimmt darauf Bedacht, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Pflegebefohlenen in der Regel zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung ist, weshalb die Pflegschaftsaufgaben grundsätzlich von jenem Gericht wahrgenommen werden sollen, in dessen Sprengel der Mittelpunkt ihrer Lebensführung liegt (RIS-Justiz RS0049144; RS0047027 [T10]).

Im vorliegenden Fall nahm das Bezirksgericht Perg - nach der Aktenlage zutreffend - an, dass sich der Betroffene im Sprengel des Bezirksgerichts Favoriten aufhalte. Inzwischen hat sich aber ergeben, dass er obdachlos und unsteten Aufenthalts ist. Selbst wenn er sich gelegentlich im Sprengel des Bezirksgerichts Favoriten aufhalten sollte, genügt das nicht für die Annahme, dass sich hier der Mittelpunkt seiner Lebensführung befände oder die Zuständigkeit gerade dieses Gerichts aus anderen Gründen in seinem Interesse wäre. Die Übertragung der Zuständigkeit ist daher nicht zu genehmigen.

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