OGH 3Ob95/95

OGH3Ob95/9513.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien

1.) Franz T*****, 2.) Eva T*****, beide vertreten durch Dr.Robert Müller, Rechtsanwalt in Hainfeld, wider die verpflichtete Partei Thomas A*****, vertreten durch Dr.Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, wegen Erwirkung vertretbarer Handlungen, infolge außerordentlichen Rekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom 7.März 1995, GZ 11 R 10, 11/95-25, womit der Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Hainfeld vom 2. November 1994, GZ E 1332/93k-19, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der verpflichteten Partei unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht (in Punkt I) den Rekurs des Verpflichteten als verspätet zurück, weil der angefochtene Beschluß des Erstgerichtes dem Vertreter des Verpflichteten am 7.11.1994 zugestellt, der dagegen erhobene Rekurs jedoch erst am 24.11.1994, somit nach Ablauf der 14-tägigen Rekursfrist (§ 78 EO, § 521 ZPO) dem Erstgericht überreicht worden sei. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der "ordentliche Revisionsrekurs" nicht zugelassen werde, weil eine Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Rekurs des Verpflichteten ist zulässig und berechtigt.

Laut Rückschein wurde dem Rechtsanwalt des Verpflichteten der erstgerichtliche Beschluß am 7.11.1994 durch Übergabe an einen Arbeitnehmer des Empfängers zugestellt; die Unterschrift auf der Übernahmsbestätigung ist unleserlich. Der Verpflichtete hat jedoch bereits im Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß vorgebracht, daß ihm dieser Beschluß am 11.11.1994 zugestellt worden sei. Bei dieser Sachlage durfte das Rekursgericht nicht ungeprüft von der Richtigkeit der Beurkundung auf den Rückschein ausgehen. Im Zusammenhang mit der Amtswegigkeit der Zustellung und ihrer Überprüfung ist nämlich der Nachweis von Unrichtigkeiten in der Beurkundung der Zustellung zulässig (§§ 87, 292 Abs 2 ZPO, § 78 EO). Es ist deshalb sowohl die Richtigstellung eines auf den Zustellausweis irrig angegebenen Zustelldatums als auch der Nachweis möglich, daß einem Rückscheinbrief trotz seiner Bezeichnung bestimmte Aktenstücke nicht beilagen (RZ 1977/26; GlUNF 428; SZ 18/174; RZ 1977/26). Allfällige Unrichtigkeiten in der Beurkundung der Zustellung (in Form des Rückscheines) sind von Amts wegen zu erheben und zu beachten. Eine wirksame Zustellung setzt voraus, daß der Rückscheinbrief die zuzustellende Ausfertigung der Entscheidung enthält. Ist dies nicht der Fall, kann mangels Zustellung die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen beginnen (RPflSlgE 1993/122).

Das Rekursgericht hätte somit vor der Zurückweisung des Rechtsmittels als verspätet dem Rekurswerber die Möglichkeit einräumen müssen, seine ausdrücklich im Rekurs aufgestellte Behauptung unter Beweis zu stellen, daß die Zustellung des angefochtenen Beschlusses später als auf dem Rückschein beurkundet erfolgt und der Rekurs somit rechtzeitig ist.

Im Rekurs an den Obersten Gerichtshof führte der Verpflichtete aus, daß der angefochtene Beschluß des Erstgerichtes und der im Parallelverfahren zwischen denselben Parteien ergangene Beschluß des Erstgerichtes vom 2.11.1994, E 1396/93x-17, vertauscht worden seien. Entgegen den Angaben auf den Rückscheinen sei am 7.11.1994 dieser Beschluß, nicht der angefochtene Beschluß zugestellt worden. Der angefochtene Beschluß E 1332/93x-19 sei hingegen dem Verpflichteten erst am 11.11.1994 zugestellt worden; der betreffende Rückschein habe jedoch die falsche AZ E 1396/93x des Erstgerichtes aufgewiesen.

Aufgrund der vom Obersten Gerichtshof veranlaßten Erhebungen, nämlich Einholung einer Stellungnahme der mit der Abfertigung beim Erstgericht befaßten VB Christine H***** sowie Einvernahme der Zeugin Martina B***** am 2.5.1995 durch das Erstgericht sowie der Zeugen ***** Hofrat Dr.Gerwald L***** und Richter ***** Dr.Wolfgang E***** am 29.6.1995 durch das Bezirksgericht St.Pölten als Rechtshilfegericht, steht fest, daß der angefochtene Beschluß des Erstgerichtes - entgegen den Angaben auf den Rückscheinen - nicht am 7.11.1994, sondern erst am 11.11.1994 dem Rechtsanwalt des Verpflichteten zugestellt wurde. Dies ergibt sich aus der Aussage der Zeugin Marina B*****, die in der Kanzlei des Vertreters des Verpflichteten die Sendung entgegen nahm.Sie machte bestimmte Angaben über die beiden Zustellvorgänge in den Parallelverfahren und legte das Tagsatzungen - und Fristenbuch vor, in dem sie die betreffenden Eintragungen vorgenommen hatte, aus denen sich die Richtigkeit der von ihr angegebenen Zustelldaten ableiten läßt.

Aus der Stellungsnahme der VB H***** ergibt sich kein konkreter Anhaltspunkt dafür, daß diese Angaben der Zeugin Martina B***** unrichtig wären. Aus dem Umstand, wann die Zustellungen der betreffenden Beschlüsse an den Betreibendenvertreter erfolgt sind, lassen sich keine Schlüsse auf die Daten der Zustellungen an den Verpflichtetenvertreter ziehen; dies gilt hier umsomehr, als die Zustellung an den Betreibendenvertreter über sein Fach beim Erstgericht, an den Verpflichtetenvertreter jedoch mit der Post erfolgt ist.

Aus der Einvernahme des Vorsitzenden und des Berichterstatters des Rechtsmittelsenates des Rekursgerichtes geht hervor, daß eine Prüfung des Zustellvorgangs im Parallelverfahren deshalb nicht erfolgt ist, weil der dort vom Verpflichteten erhobene Rekurs - ausgehend von der Abfertigung des angefochtenen Beschlusses des Erstgerichtes - jedenfalls als rechtzeitig zu beurteilen ist; obwohl der betreffende Rückschein schon damals nicht (mehr) im Akt erlag, war somit eine weitere Klärung dieses Zustellvorgangs nicht erforderlich.

Da somit der Verpflichtete die Rechtzeitigkeit seines Rekurses gegen den Beschluß des Erstgerichtes unter Beweis gestellt hat, wird der Rekurs vom Rekursgericht zu behandeln sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO, § 52 Abs 1 ZPO.

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