Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Revisionsbeantwortung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Nachdem der Übernahmsantrag der beklagten Partei im Verfahren zur Zwangsversteigerung eines Hauses genehmigt worden war und sie die Versteigerungsbedingungen erfüllt hatte, wurde ihr vom Erstgericht die zwangsweise Räumung des Hauses, insbesondere der vom Verpflichteten darin bewohnten Wohnung top Nr. 10-12, und die Übergabe an sie bewilligt. Dem Verpflichteten war die Bewilligung der Zwangsversteigerung am 21.4.1989 zu eigenen Handen zugestellt worden. Am 9.5.1989 vermietete er der Klägerin mit einem schriftlichen Mietvertrag die angeführte Wohnung. Der Mietvertrag wurde beim zuständigen Finanzamt angezeigt, eine Ausfertigung wurde dem Hausverwalter, der zugleich Geschäftsführer der beklagten Partei ist, übersandt. Am 20.6.1990 schloß der Verpflichtete mit der Klägerin, die er schon seit 1986 kannte, die Ehe und bewohnt gemeinsam mit ihr die angeführte Wohnung.
Die Klägerin begehrte, im Hinblick auf das ihr zustehende Mietrecht, auszusprechen, daß die Exekution durch zwangsweise Räumung bezüglich der Wohnung unzulässig sei.
Die beklagte Partei wendete ein, daß es sich für den Mietvertrag um ein Schein- bzw Umgehungsgeschäft handle. Der Verpflichtete und die Klägerin hätten den Vertrag bloß mit der Absicht geschlossen, die Gläubiger des Verpflichteten und den Erwerber der Liegenschaft zu schädigen. Sie hätten durch den Vertrag vor allem auch erreichen wollen, daß die Wohnung dem Verpflichteten weiterhin erhalten bleibe. Diese Vorgangsweise sei sittenwidrig und der Mietvertrag daher nichtig.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Verpflichtete sei durch die Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens am Abschluß eines Mietvertrages nicht gehindert gewesen. Der von ihm abgeschlossene Mietvertrag sei daher nicht ipso jure unwirksam. Die Devastationsklage und die Anfechtungsklage stünden nur den Pfandgläubigern zu.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, daß die (ordentliche) Revision zulässig sei. Es führte im Rahmen der rechtlichen Beurteilung der Sache aus, der dem Zwangsversteigerungsverfahren beigezogene Sachverständige sei nicht davon ausgegangen, daß an der den Gegenstand des Mietvertrages bildenden Wohnung kein Mietrecht bestehe, und er habe der Ermittlung des Ertragswertes die Zinsliste für Juli 1989, also für den ersten Monat, für den die Klägerin auf Grund der Zinsvorschreibungen der Hausverwaltung Mietzins entrichtete, zugrunde gelegt. Es könne daher nicht angenommen werden, daß der Bestandvertrag arglistig verschwiegen worden oder sittenwidrig sei. Im übrigen schloß es sich der im Ersturteil enthaltenen rechtlichen Beurteilung der Sache an.
Rechtliche Beurteilung
Die von der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Die von der Klägerin am 17.9.1992 zur Post gegebene Revisionsbeantwortung ist verspätet, weil die Gerichtsferien gemäß § 225 Abs 2 iVm § 224 Abs 1 Z 5 ZPO auf den Ablauf der hiefür offenstehenden Frist keinen Einfluß hatten, und diese daher im Hinblick auf die am 15.7.1992 vorgenommene Zustellung der Revision schon am 12.8.1992 endete.
Das Berufungsgericht hat zutreffend einen Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes unterlassen, weil dieser für die Zulässigkeit der Revision nicht maßgebend ist. Gemäß § 502 Abs 3 Z 2 ZPO gilt nämlich der vorangehende Abs 2 für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten nicht, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrages entschieden wird. Nun fällt zwar eine Exszindierungsklage nicht unmittelbar unter die angeführte Bestimmung. Hängt der Erfolg einer solchen Klage aber vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Bestandvertrages über die im § 560 ZPO bezeichneten Sachen und mit ihnen im Bestand genommenen beweglichen Sachen ab, so ist die Exszindierungsklage den unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten gleichzuhalten und es ist daher § 502 Abs 3 Z 2 ZPO analog anzuwenden (ähnlich zum vergleichbaren Fall einer Oppositionsklage, in dem der aus dem Gesetz gebührende Unterhalt strittig ist, 3 Ob 109/91).
Wie schon die Vorinstanzen richtig erkannten und in der Revision auch
eingeräumt wird, sind Mietverträge, die der Verpflichtete nach
Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens abschließt, nicht
allein deshalb unwirksam (EvBl 1984/119 = MietSlg 35.241; SZ 58/150;
SZ 59/206 = JBl 1987, 654 = ÖBA 1987, 415; SZ 62/76 = JBl 1989, 590 =
MietSlg 42/18 = WoBl 1990, 134 [Würth]; aM noch die in der Revision
bezogene Entscheidung MietSlg 23.728, die jedoch durch die jüngere Rechtsprechung überholt ist). Ferner steht dem Ersteher die Devastationsklage jedenfalls dann nicht zu, wenn er den vom Verpflichteten nach Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens abgeschlossenen Bestandvertrag gekannt hat (vgl hiezu SZ 61/126 und SZ 62/76 = JBl 1989, 590 = MietSlg 42/18 = WoBl 1990/134 [Würth]). Da die Revision auf die Möglichkeit einer Devastationsklage nicht gestützt wird, genügt der Hinweis auf diese Entscheidungen, zumal die beklagte Partei nicht behauptete und nach den Feststellungen auch nicht anzunehmen ist, daß der Verpflichtete den Abschluß des Mietvertrages verheimlicht habe.
Die beklagte Partei meint in der Revision, daß der Bestandvertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei. Nun bejaht der Oberste Gerichtshof zwar in der Entscheidung vom heutigen Tag zu 3 Ob 572/92 das Recht des Erstehers, die Sittenwidrigkeit eines vom Verpflichteten abgeschlossenen Bestandvertrages, in den er gemäß § 1121 iVm § 1120 ABGB eingetreten ist, geltend zu machen. Er sieht die Sittenwidrigkeit als gegeben an, wenn der Verpflichtete einen Bestandvertrag abschließt, der wegen ungewöhnlicher Bestimmungen den Wert der der Zwangsversteigerung unterworfenen Sache so weit verringert, daß jemand, der ein Gebot in der Höhe des geringsten Gebotes abgibt, mit einem Schaden rechnen muß, zumindest eine der Parteien des Vertrages dies beabsichtigt oder in Kauf nimmt und es der anderen Partei zumindest erkennbar ist. Es liege nämlich nicht bloß im Interesse bestimmter Gläubiger, sondern vor allem aus Gründen der Förderung des Kreditverkehrs und damit aus volkswirtschaftlichen Gründen auch im öffentlichen Interesse, daß die Möglichkeit, die Durchführung einer Zwangsversteigerung zu verhindern oder zu erschweren, weitgehend hintangehalten wird. Ein solcher Vertrag sei überdies geeignet, die Rechtspflege zu vereiteln und die Einrichtung der Zwangsversteigerung zu bedrohen, und verstoße daher gegen die öffentliche Ordnung; dies mache ihn aber ebenfalls sittenwidrig.
Auch unter diesem Gesichtspunkt ist jedoch der hier vom Verpflichteten mit der Klägerin abgeschlossene Bestandvertrag nicht sittenwidrig, weil aus den als Tatsachenfeststellung zu wertenden und unbekämpft gebliebenen Ausführungen des Berufungsgerichtes hervorgeht, daß er bei der Bestimmung des Schätzwertes berücksichtigt wurde. Einem Bietinteressenten konnte daher ein Schaden bei der Abgabe eines Gebotes nicht entstehen, und es war der Abschluß des Bestandvertrages somit nicht geeignet, die Zwangsversteigerung zu vereiteln oder zu erschweren. Möglich wäre nur ein Schaden für einen Pfandgläubiger oder betreibenden Gläubiger. Dies macht den Vertrag aber nicht sittenwidrig, und es kann sich überdies hierauf der Ersteher und in gleicher Weise derjenige, dessen Übernahmsantrag genehmigt wurde, nicht berufen. Das Argument der beklagten Partei, der Bestandvertrag sei in Schädigungsabsicht abgeschlossen worden, ist deshalb nicht zielführend, zumal auch besonders schädliche Bestimmungen nicht behauptet wurden.
Die beklagte Partei leitet die Sittenwidrigkeit auch noch daraus ab, daß der Mietvertrag dazu gedient habe, dem Verpflichteten die Weiterbenützung der Wohnung zu ermöglichen, obwohl er gemäß § 156 Abs 2 EO zu deren Räumung verpflichtet sei. Aus dieser Bestimmung geht aber nicht hervor, daß dem Verpflichteten jede weitere Benützung der Liegenschaft untersagt ist, also eine Benützung, die von einem hiezu berechtigten Dritten gestattet wird. Der Umstand, daß der Vertrag mit dem Ziel abgeschlossen wurde, dem Verpflichteten die Weiterbenützung der Wohnung zu ermöglichen, hat daher für sich allein die Sittenwidrigkeit nicht zur Folge. Dazu kommt hier noch, daß der Vertrag offensichtlich auch dazu diente, der Klägerin selbst die Benützung der Wohnung zu ermöglichen. Die Argumente der beklagten Partei überzeugen daher nicht.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)