OGH 3Ob88/59

OGH3Ob88/5913.4.1959

SZ 32/48

Normen

Allgemeine Haftpflichtversicherungsbedingungen §1
Allgemeine Haftpflichtversicherungsbedingungen §1

 

Spruch:

Für die Risikobegrenzung sind die Angaben im Versicherungsschein maßgebend.

Entscheidung vom 13. April 1959, 3 Ob 88/59.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger ist bei der beklagten Partei gegen die Folgen der gesetzlichen Haftpflicht aus der Gefahrenquelle "Dachdeckereibetrieb" versichert. Am 9. September 1955 verputzte der beim Kläger angestellte Dachdeckergehilfe Erich E. im Auftrag des Klägers die Feuermauer des Hauses Wien 7., N.-Gasse 54, unter Benützung eines Hängekorbes. Er stürzte dabei ab, weil sich die Seilwinde des Hängekorbes aus der Verankerung löste, und wurde schwer verletzt. Der Kläger wurde wegen der Übertretung nach § 335 StG. bestraft, weil er als zu solchen Arbeiten nicht befugter Gewerbsmann ein mangelhaftes und unvorschriftsmäßiges Gerüst, nämlich einen Hängekorb, der den Vorschriften nicht entsprach und außerdem unvorschriftsmäßig befestigt war, verwendete. Außerdem wurde der Kläger nach § 22 GewO. im Zusammenhalt mit § 132 lit. a GewO. bestraft, weil er durch die Durchführung der angeführten Verputzarbeiten gewerbsmäßig unbefugt Maurerarbeiten verrichtete. Mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien wurde er zum Ersatz des Aufwandes aus Anlaß desArbeitsunfalles des Erich E. an die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt verurteilt.

Der Kläger begehrt, die beklagte Versicherungsgesellschaft schuldig zu erkennen, ihm für den Schadensfall vom 9. September 1955 Versicherungsschutz zu leisten.

Das Erstgericht entsprach dem Klagebegehren. Es ging davon aus, daß sich der Unfall zwar bei keiner Dachdeckerarbeit, wohl aber im Dachdeckereibetrieb des Klägers ereignete. Es handle sich daher um einen Versicherungsfall, dessen Erscheinungsform der vertraglich vorgesehenen Versicherung entspreche.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In der Revision wird versucht, den Versicherungsschutz damit zu begrunden, daß die Haftpflichttatsache die unsachgemäße Montage des Hängekorbes gewesen sei und diese Montage eine Tätigkeit des Dachdeckers sei. Das Ereignis stehe mit der Frage, ob aus dem Hängekorb Dachdecker- oder Maurerarbeiten geleistet wurden, in keinem Zusammenhang. Das "Ursachenereignis" (die schlechte Montage) sei schon eingetreten gewesen, ehe mit den Arbeiten begonnen worden sei. Das Abstürzen des Korbes habe mit der Art der Arbeiten nichts zu tun gehabt. Es wäre auch eingetreten, wenn Erich E. die Feuermauer nicht verputzt, sondern z. B. mit Eternitplatten gedeckt hätte, was zu den Dachdeckerarbeiten gehöre. Daß er Maurerarbeiten leistete, sei eine zufällige, in keiner Weise kausale Begleiterscheinung gewesen. Die Arbeit sei auch im Dachdeckereibetrieb geleistet worden. Ob der Kläger dazu befugt gewesen sei, sei eine Frage der Gewerbeordnung. Der Versicherer könne deshalb den Versicherungsschutz nicht ablehnen, wenn die Übertretung der Gewerbeordnung weder kausal für den Unfall noch risikoerhöhend gewesen sei.

Den Revisionsausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Die Haftpflichtversicherung gewährt Versicherungsschutz für die gesetzliche Haftpflicht aus dem im Versicherungsschein angegebenen Eigenschaften, Rechtsverhältnissen oder Tätigkeiten des Versicherungsnehmers (§ 1 Z. 2a der Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen). Für die Risikobegrenzung sind die Angaben im Versicherungsschein maßgebend. Dort wurde als Gefahrenquelle der "Dachdeckereibetrieb (Jahreslohnsumme 200.524 S)" vereinbart. Damit beschränkt sich die Versicherung auf Haftpflichtfälle, die sich aus der Führung des Dachdeckereibetriebes für den Kläger ergeben können. Der Schutzbereich der Versicherung kann nur aus dem Inhalt des Versicherungsvertrages entnommen werden. Was zum Dachdeckereibetrieb zu zählen ist, ist mangels näherer Beschreibung im Versicherungsvertrag aus der Verkehrsübung zu ermitteln. Dabei ist in erster Linie auf den gewerberechtlichen Umfang des Dachdeckereigewerbes Rücksicht zu nehmen und nur dort, wo sich diesen Vorschriften nichts entnehmen läßt, zu beurteilen, ob eine Handlung noch dem Betrieb zugerechnet werden kann. Maurerarbeiten gehören im allgemeinen nicht zum Dachdeckereibetrieb. Das Berufungsgericht hat bereits darauf hingewiesen, daß nicht untersucht werden muß, ob etwa geringfügige Maurerarbeiten im Zusammenhang mit Dachdeckerarbeiten auch vom Dachdecker verrichtet werden können, weil hier ein solcher Zusammenhang nicht gegeben ist. Tatsächlich handelt es sich um eine Überschreitung der Gewerbebefugnis, also um Pfuscherarbeit, weshalb auch die Bestrafung durch die Gewerbebehörde erfolgte. Dem Kläger mangelte auf Grund der ihm zustehenden Gewerbeberechtigung die Fähigkeit zur Ausführung von Maurerarbeiten, wie auch das Arbeitsinspektorat in seinem Bescheid vom 12. September 1955 feststellte. Daß der Kläger solche ihm verbotene Maurerarbeiten in seinem Dachdeckereibetrieb verrichten würde, konnte der Versicherer in keiner Weise voraussehen, als er das Versicherungsrisiko für den Dachdeckereibetrieb übernahm. Solche Arbeiten gehören nicht zum Dachdeckereibetrieb und sind daher auch von dem für den Dachdeckereibetrieb gewährten Versicherungsschutz nicht umfaßt.

Der Versuch des Klägers, den Versicherungsschutz auf das im Dachdeckereibetrieb verwendete Arbeitsgerät abzustellen und den Versicherer auch dann haften zu lassen, wenn sich der Unfall infolge eines Mangels des Arbeitsgerätes, wenn auch außerhalb des normalen Tätigkeitsbereiches des betriebenen Gewerbes, ereignete, übersieht die Begrenzung des Risikos auf die dem Dachdeckereibetrieb eigenen Risken. Innerhalb dieses Betriebes wäre es gleichgültig, durch welches Gerät ein Unfall verursacht wurde, außerhalb des Betriebes aber ist es gleichgültig, ob der Unfall auf ein Arbeitsgerät zurückzuführen ist, das sonst im Betrieb verwendet wurde. Es nützt daher nichts, daß die unsachgemäße Montage des Hängekorbes die Ursache des Unfalles war und nicht die Maurerarbeit selbst, wenn sich die Tätigkeit nicht innerhalb des üblichen Dachdeckereibetriebes vollzog. Sicherlich kann nicht allgemein gesagt werden, daß jede Übertretung der Gewerbeordnung schon den Versicherungsschutz ausschließt. Die Verrichtung von Maurerarbeiten ohne dazugehörige Gewerbeberechtigung ist der Straftatbestand nach der Gewerbeordnung gewesen. Die Tatsache, daß Maurerarbeiten der fraglichen Art nicht zum Betrieb des Dachdeckereigewerbes gehören, ergibt den Versicherungsausschluß. Das versicherte Risiko ist nach dem Vertrag nicht die Verwendung von Hängekörben, sondern die Tätigkeit im Dachdeckereibetrieb. Nur im ersteren Fall hätte der Kläger mit seinen Revisionsausführungen recht.

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