Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"1. Die Vornahme der Exekution durch zwangsweise Räumung der von der am 10.September 1980 verstorbenen Hilda C gemietet gewesenen Wohnung Nr. 3 im Hause 1040 Wien, Kolschitzkygasse 4, ist unzulässig.
2. Die beklagte Partei hat der klagenden Partei binnen vierzehn Tagen zu ersetzen:
a) die mit 4.436,46 S (darin 305,66 S Umsatzsteuer und 310 S sonstige Auslagen) bestimmten Kosten erster Instanz,
b) die mit 3.614,88 S (darin 318,08 S Umsatzsteuer und 116 S sonstige Auslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und
c) die mit 2.195,68 S (darin 190,88 S Umsatzsteuer und 96 S sonstige Auslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens."
Text
Entscheidungsgründe:
Margaret(h)e D und Karoline B waren zu einem Viertel bzw. zu drei Viertel Miteigentümerinnen der Liegenschaft EZ 401 GB Wieden, Haus 1040 Wien, Kolschitzkygasse 4. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 20. August 1981, 43 K 108/81-2, wurde den genannten Miteigentümerinnen als betreibenden Parteien auf Grund der Aufkündigung des genannten Gerichtes vom 13.April 1981, ON 1, gegen die Verlassenschaft nach der am 10.September 1980 verstorbenen Hilda C die zwangsweise Räumung der von der Verstorbenen gemietet gewesenen Wohnung Nr. 3 im genannten Haus, bestehend aus einem Zimmer, zwei Kabinetten, Vorzimmer, Dienerzimmer und WC, bewilligt. In der am 22.Juni 1982 beim Erstgericht (als Bewilligungs- und Exekutionsgericht) eingebrachten "Klage auf Unzulässigkeit einer Exekution (§ 37 EO)" behauptete Theresia A, die keine eintrittsberechtigte Person nach Hilda C im Sinn des § 14 MRG ist, ihr stünden an dem von ihr bewohnten Räumungsgegenstand Rechte zu, welche die Räumung ihr gegenüber als ungerechtfertigt erscheinen ließen; Hilda C habe ihr diese Wohnung nämlich in einem Kodizill vom Juli 1979 vermacht. Karoline B und Justine E, die Nichte bzw. Schwester der verstorbenen Hilda C, hätten je zu deren halbem Nachlaß bedingte Erbserklärungen abgegeben und es sei ihnen die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft überlassen worden. Karoline B sei als erbserklärte Miterbin verpflichtet, das erwähnte Vermächtnis zu erfüllen, und als Mehrheitseigentümerin des Hauses dazu durch Abschluß eines Mietvertrages mit der Klägerin in der Lage und verpflichtet. Margaret(h)e D hätte dies als Minderheitseigentümerin zu dulden. Wegen dieses obligatorischen Anspruches gegen Karoline B auf mietweise Überlassung der von der Räumungsexekution betroffenen Wohnung sei die Räumungsexekution unzulässig. Die Klägerin begehrte daher, die Räumungsexekution "in Ansehung der der Klägerin an dieser Wohnung zustehenden Mietrechte" für unzulässig zu erklären und mit Rechtskraft des Urteils einzustellen. Margaret(h)e D und Karoline B beantragten die Abweisung dieses Begehrens und bestritten insbesondere das behauptete Legat, das übrigens nur einen obligatorischen Anspruch gäbe, der nicht zur Exszindierungsklage berechtigen würde. In der Tagsatzung vom 19.Oktober 1983 brachte die Klägerin vor, daß "in der gegenständlichen Sache" zwischen den Streitteilen beim Landesgericht für ZRS Wien zwei (weitere) Prozesse anhängig seien, und zwar zu 3 Cg 243/82 eine Räumungsklage der Margaret(h)e D und der Karoline B gegen die Exszindierungsklägerin und zu 3 Cg 359/82 deren Widerklage auf Übergabe des Bestandgegenstandes, Feststellung ihrer Mietrechte und Anerkennung des Legates. Margaret(h)e D und Karoline B hätten gegen die Exszindierungsklägerin auch (am 14.Juli 1983) zu 43 K 162/83 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien eine Aufkündigung zum 30. September 1983 eingebracht und damit deren Mietrecht schlüssig anerkannt. Dieses Verfahren werde unter 43 C 559/83 weitergeführt. Nachdem es die Verhandlung am 19.Oktober 1983 geschlossen hatte, wies das Erstgericht das Klagebegehren mit Urteil vom 20.Jänner 1984 mit der Begründung ab, Hilda C habe ihre Mietrechte der Klägerin nicht ohne Einwilligung der Vermieter mit der Rechtswirkung abtreten können, daß diese mit allen Rechten und Pfichten als neue Mieterin eintrete. Die Annahme der mit diesem Vermächtnis belasteten Erbschaft durch eine Miterbin, die zufällig auch Vermieterin sei, lasse sich insbesondere bei Bedachtnahme auf die bereits im April 1981 gegen die Verlassenschaft Hilda C eingebrachte Aufkündigung ebensowenig als schlüssige Einwilligung in das Mietrechtsvermächtnis deuten, wie die spätere Aufkündigung der Legatarin als deren stillschweigende Anerkennung als Mieterin. Da die Exszindierungsklägerin nicht als Mieterin anzusehen sei, sei ihr Begehren nicht gerechtfertigt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin am 20.Juni 1984 nicht Folge, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt, und daß die Revision zulässig sei.
Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, daß Mietrechte ohne Einwilligung des Vermieters durch Vermächtnis nicht übertragen werden könnten; daß die Hauseigentümer zugestimmt hätten, habe die Klägerin nicht einmal behauptet. Das Berufungsgericht wies darauf hin, daß Margaret(h)e D am 10.März 1983 gestorben ist und daß ihr Nachlaß auf Grund der rechtskräftigen Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien (vom 24.Mai 1983), 10 A 196/83, Karoline B als Alleinerbin eingeantwortet wurde, weshalb noch im Berufungsverfahren die Bezeichnung der beklagten Partei durch Entfall der seinerzeitigen Erstbeklagten richtigzustellen gewesen sei. Den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht mit der nicht einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Übergang eines Bestandverhältnisses auf Grund eines Legates.
Gegen das ihr am 17. Juli 1984 zugestellte Urteil des Berufungsgerichtes brachte die Klägerin am 24.September 1984 eine Revision ein, die vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 12. Dezember 1984, 3 Ob 137/84-24, als verspätet zurückgewiesen wurde. Mit erstgerichtlichem Beschluß vom 14.Mai 1985, ON 32, wurde der Klägerin jedoch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist bewilligt.
Daraufhin erstattete die Beklagte, die schon gegen die als verspätet zurückgewiesene Revision eine fristgerechte Revisionsbeantwortung eingebracht hatte, eine weitere Revisionsbeantwortung. Darin behauptet sie unter anderem, daß der Hauptmietzins plus F der 78 m 2 großen Wohnung ohne Umsatzsteuer 72,70 S betrage, so daß der Wert des Streitgegenstandes nach § 58 JN 60.000 S nicht übersteigen könne. Deshalb sei die Revision unzulässig.
Da der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschied, nicht in einem Geldbetrag bestand, hatte das Berufungsgericht nach § 500 Abs 2 Z 2 und 3 ZPO in seinem das Urteil erster Instanz ganz bestätigenden Urteil auszusprechen, ob der davon betroffene Wert des Streitgegenstandes 60.000 S übersteigt, allenfalls ob der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Auf die Berechnung des Wertes des Streitgegenstandes hatte es die §§ 54 bis 60 JN sinngemäß anzuwenden, ohne allerdings unter anderem an die Geldsumme gebunden zu sein, welche die Klägerin in der Berufung als Wert des Streitgegenstandes angegeben hatte, nämlich mehr als 60.000 S.
Entgegen der Meinung der Revisionsgegnerin hat das Berufungsgericht bei seinem Ausspruch, daß der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt, keine gesetzliche Bewertungsvorschrift verletzt, so daß der Oberste Gerichtshof an diesen Ausspruch gebunden ist (Umkehrschluß aus § 508 a Abs 1 ZPO; Fasching ZPR, Rz 1830).
Im vorliegenden Fall ist nicht das Bestehen eines Pacht- oder Mietverhältnisses der Exszindierungsklägerin an der von der Räumungsexekution betroffenen Wohnung streitig, sondern, ob das von der Klägerin behauptete Vermächtnis ein Recht darstellt, das die bewilligte Räumung dieser Wohnung nach § 37 EO unzulässig machen würde. Deshalb war das Berufungsgericht nicht an die Bewertungsvorschriften des § 58 JN gebunden.
Die nicht schon nach § 502 Abs 2 bzw. 3 ZPO jedenfalls unzulässige Revision ist auch entsprechend dem diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach Abs 4 Z 1 leg. cit. zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist auch begründet.
Mit dem in den Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Karoline B gegen die beklagte und widerklagende Partei Theresia A wegen Räumung (3 Cg 243/82 des Landesgerichtes für ZRS Wien) und Erfüllung eines Legates (3 Cg 359/82 des Landesgerichtes für ZRS Wien) ergangenen Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 28.März 1985, 6 Ob 550, 551/84, wurde Karoline B schuldig erkannt, Theresia A als Mieterin der Wohnung Nr. 3 im Hause 1040 Wien, Kolschitzkygasse 4, zu den gleichen Vertragsbestimmungen anzuerkennen, wie sie für die am 10.September 1980 verstorbene Hilda C seinerzeit in Geltung standen, und das Klagebegehren, Theresia A sei schuldig, binnen 14 Tagen Karoline B die genannte Wohnung von ihren Fahrnissen geräumt zu übergeben, abgewiesen.
Der Oberste Gerichtshof begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß Theresia A nach dem Willen Hilda C unter anderem deren Wohnung erhalten sollte. Die Erbinnen nach Hilda C, also auch Karoline B, der ihr Nachlaß zur Hälfte eingeantwortet wurde, waren daher verpflichtet, das Vermächtnis zu erfüllen und Theresia A die gleiche Rechtsstellung als Mieterin der Wohnung zu verschaffen, welche Hilda C besessen hatte. Theresia A sollte daher ein
obligatorisches Recht eingeräumt werden, das ihr Karoline B, die nicht nur Miterbin, sondern auch Mehrheitseigentümerin des Hauses ist, in dem sich die Wohnung befindet, allein verschaffen konnte, weil es sich beim Abschluß eines Bestandvertrages zu ortsüblichen Bedingungen um eine Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung handelt. War Karoline B berechtigt und
verpflichtet, Theresia A die gleiche Stellung als Mieterin der Wohnung einzuräumen, wie sie Hilda C zustand, dann ist das Begehren Theresia AS auf Anerkennung als Mieterin berechtigt und das Räumungsbegehren Karoline BS nicht berechtigt, weil diesem die Verpflichtung zur Einräumung der Mietrechte an Theresia A entgegensteht. Daran war auch die seinerzeitige Minderheitseigentümerin Margaret(h)e D gebunden.
Diese rechtskräftige Entscheidung ist für den Exszindierungsprozeß präjudiziell, weil damit über das von der Exszindierungsklägerin behauptete Recht, das die Vornahme der Exekution unzulässig machen würde, also über die im Exszindierungsprozeß entscheidende Vorfrage, mit für Gericht und Parteien bindender Wirkung abgesprochen wurde (Fasching ZPR, Rz 1501, 1517 ff).
Der Entscheidung über die Exszindierungsklage ist daher zugrunde zu legen, daß die nunmehr alleinige Exszindierungsbeklagte die Exszindierungsklägerin als Mieterin der von der Räumungsexekution betroffenen Wohnung anzunehmen hat und daß die Exszindierungsklägerin deshalb nicht verpflichtet ist, diese Wohnung der Exszindierungsbeklagten geräumt zu übergeben.
Damit steht aber auch das von der Exszindierungsklägerin behauptete Recht, welches die Vornahme der Räumungsexekution gegen sie unzulässig macht, bindend fest.
Der Räumungsvollzug umfaßt nach ständiger Rechtsprechung in ausdehnender Auslegung des § 568 ZPO alle, aber auch nur die Personen, die Rechte an dem zu räumenden Objekt lediglich von der verpflichteten Partei ableiten. Solchen Personen, die selbständige Rechte auf Grund eines zwischen ihnen und der betreibenden Partei bestehenden direkten Rechtsverhältnisses haben, steht hingegen die Möglichkeit offen, dem Räumungsvollzug mit einer Klage nach § 37 EO entgegenzutreten. Der dritte Benützer einer von der verpflichteten Partei zu räumenden Wohnung kann sich daher zum Beispiel auf einen mit dem betreibenden Gläubiger abgeschlossenen Mietvertrag berufen und diesen zum Rechtsgrund einer Exszindierungsklage machen (Heller-Berger-Stix I 464; SZ 27/278; EvBl 1965/29; ÖRZ 1969, 135; MietSlg. 35.829 u.a.).
Der der Exszindierungsklägerin gegen die Räumungsexekution betreibende beklagte Partei, die als eingeantwortete Miterbin nach Hilda C und Eigentümerin des Hauses, in der sich die Wohnung, auf die sich das Räumungsverfahren bezieht, befindet, Vermächtnisschuldnerin ist, zustehende Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses durch Einräumung der Mietrechte an dieser Wohnung ist ein selbständiges Recht der Klägerin gegen die Beklagte im oben erwähnten Sinn, das ihr Exszindierungsbegehren rechtfertigt. Der Revision war daher Folge zu geben. Die Urteile beider Vorinstanzen waren im klagestattgebenden Sinn abzuändern. Die Kostenentscheidungen beruhen auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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