Normen
ABGB §523
ABGB §829
ABGB §833
ABGB §1380
ZPO §11 Abs1
ZPO §14
ZPO §204
ABGB §523
ABGB §829
ABGB §833
ABGB §1380
ZPO §11 Abs1
ZPO §14
ZPO §204
Spruch:
Die Miteigentümer einer Liegenschaft bilden bei Klagen auf Einräumung einer Grund- oder Hausservitut eine notwendige und einheitliche Streitgenossenschaft.
Ein Vergleich, den einzelne von mehreren eine notwendige und einheitliche Streitgenossenschaft bildende Beklagte mit dem Kläger schließen, ist bei der Urteilsfällung gegen die anderen Streitgenossen wirkungslos.
Die Handlung des einzelnen Streitgenossen ist unbeachtlich und wirkt auch nicht für ihn selbst.
Entscheidung vom 10. März 1954, 3 Ob 8/54.
I. Instanz: Bezirksgericht Bad Ischl; II. Instanz: Kreisgericht Wels.
Text
Die Kläger sind Eigentümer der Liegenschaft EZ. 339, Katastralgemeinde G., bestehend aus den Parzellen Nr. 253, Wohnhaus Nr. 188 und 413/4. Sie haben gegen die vier Eigentümer der Nachbarliegenschaft EZ. 551, Katastralgemeinde G., bestehend aus den Parzellen 417/1, 435, Wohnhaus Nr. 327, zwei Klagen eingebracht. Das Begehren der ersten Klage geht dahin, die beklagten Parteien zu ungeteilter Hand schuldig zu erkennen, jenen Teil des Daches des Zubaues zu ihrem Hause Nr. 327, G., der in den Luftraum hineinragt, der sich über dem Grund des Hauses der Kläger Nr. 188 befindet, zu entfernen. Das Petit der zweiten Klage ist darauf gerichtet, die beklagten vier Miteigentümer der Liegenschaft Nr. 551, zur ungeteilten Hand zur Duldung zu verurteilen, daß die Kläger als Eigentümer der Liegenschaft EZ. 339, das sich auf der Parzelle 413/4 sammelnde Regenwasser auf die Parzelle 417/1 ableiten, ferner, die beklagten vier Miteigentümer schuldig zu erkennen, bei Zwangsfolge zu erklären, daß sie in die grundbücherliche Eintragung dieser Dienstbarkeit der Ableitung dieses Regenwassers in die für das dienende Gut bestehende Grundbucheinlage willigen.
Das Erstgericht hat bei der über diese Klage anberaumten Tagsatzung am 6. März 1953 die beiden Rechtssachen zu gemeinsamer Verhandlung verbunden. Zu dieser Tagsatzung ist für drei der beklagten Miteigentümer deren gesetzlicher Vertreter sowie ein Rechtsanwalt mit einer namens der drei Minderjährigen ausgestellten Vollmacht erschienen. Die viertbeklagte Miteigentümerin ist trotz ausgewiesener Vollmacht nicht erschienen. Über seine Bitte wurde der Rechtsanwalt gemäß § 38 ZPO. auch für die Viertbeklagte zugelassen, und erhielt den Auftrag, die Vollmacht binnen acht Tagen nachzureichen.
Bei der Tagsatzung haben die Beklagten die Klagebegehren bestritten. Vom Gericht wurde ein Lokalaugenschein vorgenommen, die Parteien ließen sich in Vergleichsverhandlungen ein und ersuchten schließlich um Protokollierung eines Vergleiches.
Dieser Vergleich wurde in der Folge vom Bezirksgericht Bad Ischl vormundschaftsbehördlich genehmigt.
Mit Schreiben vom 2. Juni 1953 teilte der Rechtsanwalt mit, daß die Viertbeklagte ihm nicht Vollmacht erteile, und den bei der Hauptverhandlung an Ort und Stelle in Goisern geschlossenen Vergleich nicht akzeptiere. Er vertrete daher in den beiden Verfahren nur die minderjährigen Erst- bis Drittbeklagten.
Das Erstgericht erklärte darauf mit Beschluß ONr. 6, das in dieser Rechtssache bisher abgeführte Verfahren einschließlich des am 6. Mai 1953 abgeschlossenen Vergleiches als nichtig.
Gegen diesen Beschluß erhoben die Kläger Rekurs. In Stattgebung des Rekurses wurde der angefochtene Beschluß hinsichtlich der drei Erstbeklagten behoben und der Antrag der Kläger auf Zuspruch von Rekurskosten abgewiesen. Das Rekursgericht war der Ansicht, daß, gleichviel, ob notwendige Streitgenossenschaft zwischen den Beklagten bestunde, der Vergleich eine Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten gemäß § 1380 ABGB. herbeigeführt habe, vom Abschluß des Vergleiches an seien die vier Beklagten nicht mehr einheitliche Streitgenossen gewesen, nach § 14 ZPO. erstrecke sich nur die Wirkung eines gefällten Urteiles auf sämtliche Streitgenossen, nicht aber die Wirkung eines von einem Teil ihres abgeschlossenen Vergleiches.
Der Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes wurde von den drei Erstbeklagten mit Revisionsrekurs angefochten.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs nicht Folge und bestätigt den Beschluß des Rekursgerichtes mit der Maßgabe, daß der Beschluß ONr. 6 auch gegenüber der Viertbeklagten aufgehoben wird.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs ist, soweit er die Wiederherstellung des erstrichterlichen Beschlusses begehrt, also hinsichtlich seines angestrebten Erfolges, unbegrundet. Der Oberste Gerichtshof teilt aber im wesentlichen die vom Erstgericht und die vom Revisionsrekurs vertretene Rechtsansicht.
Gemäß § 361 ABGB. sind Miteigentümer in Beziehung auf das Ganze für eine einzige Person anzusehen. Daraus wird mit vollem Recht der Schluß gezogen, daß dann, wenn die Einräumung einer Grunddienstbarkeit auf eine im Miteigentum stehende Liegenschaft begehrt wird, das Klagebegehren gegen sämtliche Verpflichtete bei sonstiger Abweisung des Klagebegehrens zu richten sei. Für Hausservituten, wie sie hier geltend gemacht werden, muß dasselbe gelten. Von den beiden von den Klägern gegen vier Miteigentümer der Nachbarliegenschaft angestrengten Klagen hat nur die eine die Einräumung oder Feststellung einer Servitut zum Gegenstand; aber auch das Petit der anderen Klage auf Entfernung eines Teiles des Daches des Hauses der Beklagten hat im Sinne des § 361 ABGB. "das Ganze" zum Gegenstand. Es besteht danach auch hier zwischen den Beklagten das Verhältnis notwendiger und einheitlicher Streitgenossenschaft.
Der Oberste Gerichtshof vermag die Auffassung des Rekursgerichtes nicht zu teilen, daß bei notwendiger Streitgenossenschaft zwar nur ein Urteil einheitlich gefällt werden könne, daß aber die notwendige Streitgenossenschaft nicht ausschließe, daß einzelne Streitgenossen für sich allein einen Vergleich schließen. Diese Auffassung wird durch die Erwägung widerlegt, daß bei Anerkennung der Ansicht des Rekursgerichtes sich ein unlöslicher Gegensatz ergeben würde. Denn gegenüber jenen Beklagten, die einen Vergleich nicht schließen, müßte dann doch ein Urteil gefällt werden. Dieses Urteil könnte nach der Natur der Sache doch nur gegen alle Beklagten wirken.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes hat daher das Erstgericht die Sache richtig beurteilt, wenn es einerseits eine unzertrennliche Streitgenossenschaft der Beklagten angenommen, und anderseits aus diesem Umstand den Schluß gezogen hat, daß der nur von einem Teil der Beklagten geschlossene Vergleich wirkungslos bleibt. Allerdings ist dem Rekursgericht insoweit beizupflichten, als es - allerdings aus einer anderen Rechtsansicht heraus - die Meinung vertritt, daß eine Nichtigerklärung des Vergleiches im Sinne des § 7 ZPO. nicht gerechtfertigt war. Der Vergleich brauchte auch deshalb nicht für nichtig erklärt zu werden, um den weiteren Gang des Verfahrens zu ermöglichen. Der Vergleich ist einfach als nicht vorhanden zu betrachten, er ist unbeachtlich. Ebenso wie Anerkenntnis, Verzicht und Vergleich von den Kollektivvertretern einer Partei nur gemeinsam vorgenommen werden können, ist für die fingierte Parteieinheit - bei notwendiger Streitgenossenschaft - nur gemeinsame Disposition zulässig. Die Handlung des Einzelnen ist unbeachtlich; nicht nur, daß sie nicht für alle Genossen eine auf ihr beruhende Prozeßerledigung mit sich bringt, wirkt sie auch nicht für den Handelnden selbst.
Die Viertbeklagte ist säumig gewesen; ihre Säumnis ist aber dadurch, daß ihre Streitgenossen das Klagebegehren bestritten haben, beseitigt. Der von den drei Erstbeklagten geschlossene Vergleich ist wegen des Mangels der Mitwirkung der Viertbeklagten in Anbetracht des Verhältnisses notwendiger Streitgenossenschaft unbeachtlich. Es ist daher nunmehr einfach das Verfahren durch Anberaumung einer neuen Tagsatzung fortzusetzen.
Da zwischen den Beklagten eine einheitliche Streitgenossenschaft besteht, kann sich die Nichtigerklärung des Verfahrens nicht auf den einen erstrecken, auf den anderen aber nicht. Es war daher der Beschluß des Rekursgerichtes mit der Änderung zu bestätigen, daß der das bisherige Verfahren für nichtig erklärende Beschluß zur Gänze, also gegenüber allen Beklagten, zu beseitigen war.
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