Spruch:
Ohne Zustimmung der Nacherben kann auf das Substitutionsgut nur zugunsten von Nachlaßschulden Exekution geführt werden. Der Exekutionstitel muß in diesem Fall noch gegen den Erblasser oder die Verlassenschaft erwirkt worden sein
Gegen den Vorerben ersiegte Prozeß- und Exekutionskosten aus der Erwirkung eines Exekutionstitels über eine Nachlaßschuld stellen keine Nachlaßschuld dar. Durch die von den Nacherben unwidersprochene Aufnahme einer Forderung gegen die Verlassenschaft in das Inventar geben die Nacherben weder ein Anerkenntnis noch eine Erklärung der Zustimmung zu einer künftigen Exekution auf das Substitutionsgut ab
OGH 7. September 1976, 3 Ob 84/76 (KG Leoben R 269/76; BG Liezen E 536/76)
Text
Mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 20. Dezember 1974 wurde die Verpflichtete (dort Beklagte) schuldig erkannt, dem betreibenden Gläubiger (dort Kläger) 136 531.80 S samt Anhang zu bezahlen.
Das Erstgericht wies den Antrag des betreibenden Gläubigers auf Grund dieses Urteiles, der Rechtsmittelentscheidungen des Oberlandesgerichtes Graz und des OGH, sowie mehrerer Beschlüsse des Erstgerichtes zur Hereinbringung von 136 531.80 S samt 4% Zinsen seit 4. August 1970, sowie der Prozeß- und Exekutionskosten (Gesamtbetrag: 194 643.43 S), die Exekution mittels zwangsweiser Pfandrechtsbegründung durch bücherliche Einverleibung des Pfandrechtes an der den Verpflichteten gehörigen Liegenschaft EZ 415 KG L zu bewilligen, mit der Begründung ab, daß das Eigentumsrecht der Verpflichteten durch die im Testament vom 1. Feber 1966 angeordnete fideikommissarische Substitution zugunsten ihrer Kinder, Eva, Andrea, Ulrike und Bernhard beschränkt sei. Da der betreibende Gläubiger den Exekutionstitel gegen die Vorerbin nach der Einantwortung des Nachlasses erworben habe, sei die Zustimmung der Nacherben zur Belastung des Substitutionsgutes entweder durch Urkunden nach § 9 EO oder im Prozeßweg nachzuweisen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des betreibenden Gläubigers Folge und bewilligte in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses die beantragte zwangsweise Pfandrechtsbegründung. Die Exekution auf die mit dem Substitutionsband belastete Liegenschaft sei zur Hereinbringung einer vom Erblasser eingegangenen Schuld zulässig, denn der Erblasser könne seinen Nachlaß durch keine wie immer geartete Verfügung von der gesetzlichen Haftung für die ihn treffenden Verbindlichkeiten befreien. Aus den vom betreibenden Gläubiger vorgelegten Urkunden und dem Verlassenschaftsakt A 50/70 des Erstgerichtes ergebe sich mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit, daß die betriebene Forderung gegen die Erblasserin Friederike A entstanden und durch die Einantwortung des Nachlasses auf die Verpflichtete übergegangen sei. Die Nacherben hätten spätestens bei der Verlassenschaftsabhandlung von der Forderung Kenntnis erhalten und deren Einreihung unter die Nachlaßpassiven widerspruchslos hingenommen.
Der Oberste Gerichtshof stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 613 ABGB kommt dem Vorerben bei der fideikommissarischen Substitution das eingeschränkte Eigentumsrecht mit den Rechten und Pflichten eines Fruchtnießers zu. Wie schon das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, leitet die Rechtsprechung aus der Rechtsstellung des Vorerben die Unzulässigkeit der Veräußerung des Substitutionsgutes ab (JBl. 1957, 618; SZ 38/58; SZ 41/97). Da ein solches Veräußerungsverbot im Zweifel auch das Belastungsverbot enthält, kann ohne Zustimmung der Nacherben weder ein vertragliches noch ein exekutives Pfandrecht an der mit der Substitution belasteten Liegenschaft eingetragen werden (SZ 41/97). Eine Ausnahme besteht für Nachlaßschulden; zur Hereinbringung solcher Schulden kann nach Lehre und Rechtsprechung Exekution auf das von der Substitution betroffene Vermögen geführt werden, weil dadurch das reine Erbschaftsvermögen, der alleinige Gegenstand des Rechtes des Nacherben, nicht vermindert wird (Heller - Berger - Stix, 907; Weiß in Klang[2] III, 409; GLUNF 622; SZ 46/28). Wurde der Exekutionstitel noch gegen den Erblasser oder die Verlassenschaft erwirkt, so ist damit die Statthaftigkeit der Exekution auf das Substitutionsvermögen dargetan. Soll aber die Exekutionsführung auf Grund eines erst gegen den Vorerben erworbenen Exekutionstitels stattfinden, muß die Zustimmung des Nacherben gemäß § 9 EO nachgewiesen oder im Prozeßweg erzwungen werden (Heller - Berger - Stix, 908; SZ 46/28). Im gegebenen Fall wurde der Nachlaß der am 29. April 1970 verstorbenen Friederike A, zu dem die in Exekution gezogene Liegenschaft gehörte, der Vorerbin am 18. Feber 1971 während der Verhandlung erster Instanz über die ursprünglich gegen die Verlassenschaft gerichtete Klage auf Ersatz der vom betreibenden Gläubiger als Mieter in der Zeit von 1959 bis 1970 auf die Nachlaßliegenschaft gemachten Aufwendungen (§§ 1037, 1097 ABGB) eingeantwortet. Das Rekursgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß es sich unzweifelhat um eine Nachlaßschuld handelt,eine Verbindlichkeit, die die Erblasserin aus ihrem Vermögen zu leisten gehabt hätte (§ 548 ABGB). Der Revisionsrekurs vermag dagegen nichts Stichhältiges vorzubringen. Da aber die Exekutionstitel aus der Zeit nach der Einantwortung des Nachlasses stammen, bedarf die Belastung Substitutionsgutes mit einem Pfandrecht im Sinne der vorstehenden Ausführungen der Zustimmung der Nacherben. Die Ansicht des Rekursgerichtes, daß dieser Nachweis durch die "Titelurkunden" (gemeint: das Titelurteil und der Verlassenschaftsakt A 50/70 des Bezirksgerichtes Liezen) erbracht sei, kann nicht geteilt werden. Die Nacherben haben dadurch, daß sie der Aufnahme der Schuld in das Inventar nicht widersprochen haben, weder der Vorerbin noch dem betreibenden Gläubiger gegenüber anerkannt, daß es sich um eine Nachlaßschuld handelt. Von einem Anerkenntnis oder gar einer Zustimmung zu einer künftigen Exekution auf das Substitutionsgut kann schon deshalb keine Rede sein, weil von der Vorerbin im Verlassenschaftsverfahren besonders darauf hingewiesen wurde, daß die Forderung des betreibenden Gläubigers dem Gründe und der Höhe nach bestritten werde. Mangels Nachweises der Zustimmung der Nacherben ist daher ungeachtet des Umstandes, daß sich aus den Gründen des Exekutionstitels hinsichtlich der Hauptforderung die Eigenschaft der Nachlaßschuld ergibt, die beantragte Exekution unzulässig. Die Prozeß- und Exekutionskosten, zu deren Hereinbringung die Exekution beantragt wurde, stellen keinesfalls Nachlaßschulden dar, denn sie sind gegen die Erblasserin, sondern nur gegen die Vorerbin entstanden. Hinsichtlich dieser Kosten ist die Unzulässigkeit der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung schon aus diesem Grund zu verneinen.
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