Spruch:
Bei Ersatzansprüchen wegen Unterhaltes eines vermeintlich ehelichen Kindes nach § 1042 ABGB. hat der außereheliche Vater zu beweisen, daß der Kläger auf den Rückersatz auch dann verzichtet hätte, wenn er den wahren Sachverhalt gekannt hätte.
Entscheidung vom 11. April 1960, 3 Ob 82/60.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger Anton P. und Katharina P. sind seit 2. Februar 1939 verheiratet. Katharina P. gebar am 26. Februar 1949 ein Kind, das den Namen Maria erhielt, im Geburtenbuch als eheliches Kind eingetragen und im Haushalt des Klägers bis 4. Juni 1957 verpflegt wurde. Auf Grund einer im Jänner 1956 erhobenen Bestreitungsklage wurde mit Urteil des Erstgerichtes vom 23. November 1956, 32 Cg 22/56-14, festgestellt, daß das Kind nicht aus der Ehe des Klägers mit der Mutter des Kindes stamme. Dieses Urteil wurde vom Berufungsgericht am 8. Februar 1957 bestätigt und ist seit 16. März 1957 rechtskräftig. In der Folge wurde gegen den Beklagten eine Klage auf Feststellung der außerehelichen Vaterschaft beim Bezirksgericht Oberwart zu C 244/57 eingebracht und gegen den Beklagten am 4. Juni 1957 ein Anerkenntnisurteil gefällt.
Der Kläger brachte am 12. Mai 1958 beim Erstgericht die Klage ein, mit der er unter Berufung auf § 1042 ABGB. die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 19.800 S s. A. als Ersatz der von ihm in der Zeit von der Geburt des Kindes bis zum 4. Juni I957 erbrachten Unterhaltsleistungen begehrt. Er habe erst am 5. März 1955 von seiner Frau erfahren, daß das Kind nicht von ihm, sondern vom Beklagten stamme.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf, wies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft fortzusetzen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach § 1042 ABGB. hat derjenige, der für einen anderen einen Aufwand macht, den dieser nach dem Gesetz selbst hätte machen müssen, das Recht, den Ersatz zu fordern. Nach der ständigen Rechtsprechung kann ein Anspruch nach § 1042 ABGB. nur von dem erhoben werden, der zur Zeit, als er den Aufwand machte, den Willen hatte, Ersatz zu verlangen. Dieser Wille, Ersatz zu verlangen (animus obligandi, Verpflichtungswille, Forderungswille), ist Voraussetzung für die Geltendmachung eines Anspruches nach § 1042 ABGB. Er bedarf aber keines Beweises durch die klagende Partei, er ist im Zweifel anzunehmen. Der Wille, jemanden aus einer Verpflichtung zu entlassen oder auf einen Ersatz zu verzichten, kann nicht von vornherein angenommen werden. Die Beweislast dafür, daß der Aufwand vom Kläger in der Absicht gemacht wurde, ihn endgültig aus eigenen Mitteln zu tragen, hat der Beklagte. Diese Grundsätze müssen auch dann gelten, wenn der Kläger aus unverschuldetem Irrtum einen Aufwand gemacht hat, zu dem er sich selbst verpflichtet hielt, obwohl die Verpflichtung nach der wahren Rechtslage den Beklagten getroffen hätte. In diesem Fall ist der geleistete Aufwand des Klägers nur eine Folge des Irrtums, nicht aber das Ergebnis seines Willensentschlusses, den Beklagten aus der Haftung für den Ersatz zu befreien oder auf den Ersatz zu verzichten. Der Beklagte hat in diesem Fall zu beweisen, daß der Kläger auf den Rückersatz auch dann verzichtet hätte, wenn er den wahren Sachverhalt gekannt, sich also nicht in einem Irrtum befunden hätte. Dieser Verzicht könnte vor oder nach Kenntnis des wahren Sachverhaltes erfolgt sein (vgl. EvBl. 1958 Nr. 96, 6 Ob 63/58, 5 Ob 569/59).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger als vermeintlicher ehelicher Vater den Unterhalt der mj. Maria von der Geburt am 26. Februar 1949 bis 4. Juni 1957 (Anerkenntnis der außerehelichen Vaterschaft durch den Beklagten) geleistet. Er erfuhr von dem Ehebruch seiner Frau erst am 5. März 1955, der Prozeß über die Bestreitung der ehelichen Geburt dauerte vom 11. Jänner 1956 bis 8. Februar 1957, das Bestreitungsurteil wurde am 26. März 1957 rechtskräftig. Es kam dann zur Klage gegen den Beklagten wegen Feststellung der außerehelichen Vaterschaft, das Verfahren wurde am 4. Juni 1957 mit Anerkenntnisurteil beendet. Nach § 166 Abs. 2 ABGB. war zur Verpflegung des außerehelichen Kindes Maria vorzüglich der Beklagte als außerehelicher Vater verbunden. Der Kläger hat daher seit der Geburt des Kindes bis 4. Juni 1957 dadurch, daß er für den Unterhalt des Kindes aufkam, einen Aufwand gemacht, für den der Beklagte entsprechend seiner Leistungsfähigkeit hätte aufkommen müssen. Da auch nach der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes die bisherigen Verfahrensergebnisse zu einer Urteilsfällung nicht hinreichen, konnte dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge gegeben werden. Aus dem Umstand, daß der Kläger die Klage erst am 12. Mai 1958 eingebracht hat, kann allein nicht auf einen mangelnden Verpflichtungswillen oder auf einen Verzicht auf Ersatz geschlossen werden; der Kläger konnte zweckmäßigerweise den Bestreitungsprozeß und den Vaterschaftsprozeß abwarten. Daß er dann noch zehn Monate mit der Klagseinbringung zuwartete, fällt weiter nicht ins Gewicht.
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