Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 8.318,70 S (darin 1.920 S Barauslagen und 581,70 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Impugnationsklägerin ist durch einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 8. 1. 1982, GZ 19 Cg 134/81-3, verboten, in ihrem Geschäftslokal, insbesondere in dessen Auslagen, Elektrogeräte auszustellen, ohne die für diese geforderten Preise ersichtlich zu machen.
In ihrem beim Titelgericht am 21. 2. 1983 eingebrachten Exekutionsantrag behauptete der impugnationsbeklagte Verband, seine Gegnerin handle der einstweiligen Verfügung nach wie vor und laufend zuwider. Überprüfungen am 10. 1. und 15. 2. 1983 hätten ergeben, dass ein erheblicher Teil der im Geschäftslokal ausgestellten Elektrogeräte nicht mit einem Preisschild versehen gewesen sei.
Das Titelgericht bewilligte die beantragte Exekution zur Erwirkung der gebotenen Unterlassungen.
Das Exekutionsgericht Wien verhängte mit Beschluss vom 8. 3. 1983, GZ 19 E 2382/83-2, wegen des im Exekutionsantrag dargelegten Zuwiderhandelns eine Geldstrafe von 30.000 S.
Gegen die Exekutionsbewilligung erhob die Verpflichtete in einer am 14. 4. 1983 beim Bewilligungsgericht angebrachten, mit 200.000 S bewerteten Klage die Einwendung, niemals, insbesondere nicht am 10. 1. und 15. 2. 1983, gegen die einstweilige Verfügung verstoßen zu haben. Alle im Geschäftslokal und in dessen Auslagen ausgestellten Waren seien immer mit den geforderten Preis deutlich versehen und versehen gewesen. Die für die Vollstreckbarkeit maßgebenden Tatsachen seien daher nicht eingetreten. Die Impugnationsklägerin beantragt daher, die Exekution für unzulässig zu erklären.
Der beklagte Verband beantragt die Abweisung dieses Begehrens. Er bestreitet das Vorbringen der Klägerin und behauptet, dass am 10. 1. 1983 nur etwa die Hälfte der ausgestellten Geräte mit Preisschildern versehen gewesen sei, während am 15. 2. 1982 (richtig 1983) zwei ausgestellte Fernsehgeräte und ungefähr 10 Radio-Portables und Radiorecorder kein Preisschild getragen hätten.
Das Erstgericht wies das Impugnationsbegehren ab.
Trotz eines umfangreichen Beweisverfahrens konnte es nicht feststellen, ob am 10. 1. und 15. 2. 1983 alle im Geschäftslokal der Klägerin ausgestellten Elektrogeräte mit den dafür geforderten Preisen ausgezeichnet waren, welche der einander widersprechenden Parteienbehauptungen also richtig sei. Da es der Klägerin nicht gelungen sei, die nach Ansicht des Erstgerichts für ihr Obsiegen notwendigen Tatsachen zu beweisen, habe sie die Folgen dieser Beweislosigkeit zu tragen.
Das Berufungsgericht gab dem Impugnationsbegehren statt.
Es übernahm die Feststellung, es könne nicht festgestellt werden, dass am 10. 1. und 15. 2. 1983 im Geschäftslokal der Klägerin ausgestellte Geräte nicht mit den dafür geforderten Preisen versehen waren, nicht aber die weitere Feststellung, es könne auch nicht festgestellt werden, dass an diesen Tagen alle im Geschäftslokal der Klägerin ausgestellten Geräte mit dem dafür geforderten Preis versehen waren.
In der rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, dass die Klägerin nach der einstweiligen Verfügung eine Unterlassungspflicht im engeren Sinne treffe. Die Exekution zur Erwirkung solcher Unterlassungen sei zu bewilligen, wenn der betreibende Gläubiger ein Zuwiderhandeln (nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels) behaupte. Der Verpflichtete könne sich dagegen nur mit Impugnationsklage wehren. Da er aus dem Exekutionsantrag erst nachträglich erfahre, für welche Zeiträume ihm Verstöße vorgeworfen werden, wäre er gezwungen, dauernd und lückenlos Beweise für sein Wohlverhalten zu sammeln, um einer möglichen künftigen Exekutionsführung zu begegnen. Dies wäre unzumutbar. Eine diesbezügliche Beweislast sei unserer Rechtsordnung fremd. Werde für die Exekutionsbewilligung nach § 355 EO entgegen der allgemeinen Vorschrift des § 7 Abs 2 EO vom betreibenden Gläubiger nicht der Nachweis des Zuwiderhandelns des Verpflichteten gegen ein Unterlassungsgebot gefordert, so könne dies nicht auch noch dazu führen, dem Verpflichteten im Impugnationsprozess einen unzumutbaren negativen Beweis aufzubürden. Es sei vielmehr vom Impugnationsbeklagten der Nachweis des Zuwiderhandelns zu fordern, während vom Impugnationskläger nach § 1298 ABGB der Beweis zu erbringen wäre, dass ihn oder andere im Betrieb seines Unternehmens handelnde Personen kein Verschulden am Verstoß gegen das Unterlassungsgebot treffe. Dazu berief sich das Berufungsgericht ausdrücklich auf die in ÖBl 1976, 27 veröffentlichte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die Beweislast für das Zuwiderhandeln gegen die Unterlassungspflicht im engeren Sinn den betreibenden Gläubiger treffe. Da der beklagte Verband diesen Beweis nicht erbracht habe, sei das Impugnationsbegehren berechtigt.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands seiner Entscheidung 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige, und dass die Revision zulässig sei. Bei der Frage der Beweislast im einen Unterlassungsanspruch betreffenden Impugnationsprozess handle es sich um eine grundsätzliche Rechtsfrage, die nur in den höchstgerichtlichen Entscheidungen RZ 1959, 16 und ÖBl 1976, 27, gelöst worden sei.
Dagegen richtet sich die Revision des beklagten Verbands wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen auf Abänderung durch Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung, allenfalls auf Aufhebung und Zurückverweisung zwecks neuerlicher Entscheidung nach Beweiswiederholung.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Das Rechtsmittel ist nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung der erheblichen Rechtsfrage abhängt, welche Partei im Impugnationsprozess im Zuge einer Exekution nach § 355 EO das Zuwiderhandeln bzw Nichtzuwiderhandeln zu beweisen hat, welcher Frage im Hinblick auf den später dargestellten Gegensatz zwischen der diesbezüglichen höchstgerichtlichen Rechtsprechung und einem Teil der Lehre, mit der sich die genannte Rechtsprechung noch nicht auseinandersetzen konnte, zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Während bei den anderen Exekutionen der Grund für den Exekutionsantrag darin liegt, dass der Verpflichtete die geschuldete fällige Geldforderung oder Handlung nicht erbracht hat, sodass durch die Exekution eine Leistung erzwungen werden soll, verhält sich der zu einer Duldung oder Unterlassung Verpflichtete solange titelgemäß, als er die verbotene Handlung unterlässt bzw die Vornahme einer Handlung duldet, also nichts tut.
Die im Ersten Abschnitt des Ersten Teiles der Exekutionsordnung enthaltenen Allgemeinen Bestimmungen (§§ 1 bis 78) nehmen auf diesen wesentlichen Unterschied kaum Bedacht. Das gilt insbesondere für den die materielle Vollstreckbarkeit des titulierten Anspruchs regelnden § 7 Abs 2, dessen Satz 1 für zu erzwingende Geldforderungen oder positive Handlungen passt. Die Exekutionsordnung enthält daher keine besondere Regelung darüber, welche materiellen Voraussetzungen - abgesehen von den in § 7 EO genannten Inhaltserfordernissen des Titels - für die Vollstreckbarkeit eines Duldungs- und Unterlassungsanspruchs gegeben sein müssen.
Voraussetzung für die materielle Vollstreckbarkeit solcher Ansprüche ist ein Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel nach Eintritt seiner Vollstreckbarkeit. Auch für die Exekution nach § 355 EO gilt der Grundsatz, dass die Exekutionsführung gegen den sich titelgemäß verhaltenden Verpflichteten unzulässig ist. Das Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel ist daher eine bejahende Bedingung für den Eintritt der materiellen Vollstreckbarkeit iSd § 7 Abs 2 Satz 2 EO, die allerdings vom betreibenden Gläubiger im Bewilligungsverfahren nicht nachgewiesen, wohl aber konkret und schlüssig behauptet werden muss (§ 3 Abs 2 EO). Der Verpflichtete muss genau wissen, welches Zuwiderhandeln ihm vorgeworfen wird, damit er gegen die Exekutionsbewilligung entsprechende Einwendungen nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erheben kann (Heller-Berger-Stix I 433 f und III 2578 f, 2584 ff und 2596; nunmehr ständige Rechtsprechung: ÖBl 1984, 51; JBl 1982, 605; SZ 51/19 ua).
Die von einem Teil der Lehre (Heller-Berger-Stix III 2585 und 2596 und Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht2 68), allerdings ohne Begründung und möglicherweise für andere Impugnationsfälle vertretene Meinung, der Verpflichtete habe im Verfahren nach § 36 EO nicht nur zu behaupten, sondern auch zu beweisen, dass er nicht zuwidergehandelt habe, wird vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt.
In der Entscheidung RZ 1959, 16 wurde darauf hingewiesen, dass die betreibende Partei, also die Impugnationsbeklagte, die Beweislast für das Zuwiderhandeln treffe. Schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen sei in der Regel derjenige beweispflichtig, der eine positive Behauptung aufstelle. Für das Exekutionsverfahren seien insbesondere die §§ 3 und 55 EO maßgebend.
Dieser Rechtssatz wurde in ÖBl 1976, 27 ausdrücklich aufrecht erhalten.
Davon, dass es sich bei den Ausführungen des Obersten Gerichtshofs zur Beweislast in den zitierten Entscheidungen - wie der Revisionswerber vermeint - um obiter dicta handeln würde, kann keine Rede sein.
Dass Peter G. Mayr - wie das Berufungsgericht meint - die letztgenannte Entscheidung in seiner Glosse JBl 1982, 605 kritisiert hätte, lässt sich seinen Ausführungen, in denen die Entscheidung ÖBl 1976, 27 überhaupt nicht erwähnt wird, nicht unbedingt entnehmen.
Während das Zuwiderhandeln gegen eine Duldungs- oder Unterlassungsverpflichtung nach den §§ 890 f dZPO vor der Entscheidung über den Exekutionsantrag, vor der der Schuldner zu hören ist, nicht nur behauptet sondern auch bewiesen werden muss, genügt es nach österreichischem Recht, wie schon erwähnt, für die Exekutionsbewilligung (vgl § 3 EO), dass der betreibende Gläubiger das Zuwiderhandeln im Exekutionsantrag konkret und schlüssig behauptet.
Nur wenn der Verpflichtete weiß, welches Verhalten ihm vorgeworfen wird, kann er entsprechende Einwendungen nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erheben.
Im Impugnationsstreit ist es dann in erster Linie Sache des Beklagten, das im Exekutionsantrag behauptete Zuwiderhandeln des Verpflichteten zu beweisen. Dies entspricht der Grundregel der Beweislast, dass jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen beweisen muss. Wer ein Recht für sich in Anspruch nimmt, muss alle rechtsbegründenden Tatsachen beweisen. Wer sich hingegen darauf beruft, dass ein Recht nicht wirksam oder wieder beseitigt worden sei, muss die rechtshindernden oder vernichtenden Tatsachen beweisen (Grundsatz der sog. „subjektiven Günstigkeit der Norm“). Das ist die Konsequenz der allgemeinen Überlegung, dass derjenige, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, wohl dessen Entstehungsursachen zu beweisen hat, dass ihm aber im Regelfall nicht zugemutet werden kann, auch noch zu beweisen, dass keine zusätzlichen Hinderungsumstände vorliegen (Fasching, Lehrbuch ZPR RZ 882).
Wenn während eines Exekutionsverfahrens zur Erwirkung von Duldungen oder Unterlassungen vom Verpflichteten mittels Klage eingewendet wird, dass er die vom betreibenden Gläubiger behauptete Zuwiderhandlung nicht begangen habe, bestreitet er iSd § 36 Abs 1 Z 1 EO, dass die für die Fälligkeit oder Vollstreckbarkeit des Anspruchs maßgebenden Tatsachen, also die Voraussetzungen für die materielle Vollstreckbarkeit des Anspruchs, eingetreten seien.
Nach den oben dargelegten Beweislastregeln trifft daher den beklagten betreibenden Gläubiger in diesem Fall die Beweislast dafür, dass die materielle Vollstreckbarkeit seines betriebenen Anspruchs eingetreten ist.
Dieser Fall ähnelt hinsichtlich der Beweislastverteilung einer negativen Feststellungsklage, bei der auch der Beklagte die Entstehung des Rechts zu beweisen hat (vgl zB SZ 26/116).
Selbst wenn die Frage der „subjektiven Günstigkeit“ bei den das Zuwiderhandeln bestreitenden Impugnationsprozesses nicht zweifelsfrei für den beklagten betreibenden Gläubiger zu beantworten wäre, wäre bei der Verteilung der Beweislast der Umstand zu berücksichtigen, dass der betreibende Gläubiger diesen Beweis bei objektiver Beurteilung der Sach- und Beweislage regelmäßig viel leichter erbringen kann als der Verpflichtete einen „Negativbeweis“. (Ähnlich zB SZ 50/20; wenn einer Partei die entsprechenden Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihr daher nicht nur leicht möglich, sondern nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben.)
Er hat das Zuwiderhandeln ja schon im Exekutionsantrag konkret und schlüssig zu behaupten und wird einen solchen Antrag vernünftigerweise nicht schon beim bloßen Verdacht, sondern erst dann stellen, wenn er das Zuwiderhandeln im zu befürchtenden Impugnationsstreit auch beweisen kann.
Auch ist es wesentlich leichter zu beweisen, dass jemand etwas getan hat, als dass er etwas nicht getan hat (Vermeidung des Negativbeweises). Den diesbezüglichen wohlbegründeten Überlegungen des Berufungsgerichts ist daher zuzustimmen.
Auch darauf, dass die Entscheidung ÖBl 1981, 45 nicht die Beweislast im Impugnationsprozess betrifft, wurde schon vom Berufungsgericht zutreffend hingewiesen.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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