OGH 3Ob80/02i

OGH3Ob80/02i18.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der führenden betreibenden Partei Franz K*****, vertreten durch Dr. Walter Solic, Rechtsanwalt in Kaindorf-Leibnitz, und einer weiteren betreibenden Partei, wider die verpflichtete Partei Helmut P*****, vertreten durch Mag. Klemens Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 143.456,17 Euro sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei und der Liegenschaftshälfteeigentümerin Lieselotte P*****, vertreten durch Mag. Klemens Mayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 7. Februar 2002, GZ 4 R 27/02y-48, womit der Rekurs der verpflichteten Partei und der Liegenschaftshälfteeigentümerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Feldbach vom 20. Dezember 2001, GZ 1 E 25/02s-33, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei wird zurückgewiesen. Dem Revisionsrekurs der Liegenschaftshälfteeigentümerin wird hingegen Folge gegeben und der angefochtene Beschluss aufgehoben, soweit der Rekurs der Liegenschaftshälfteeigentümerin zurückgewiesen wurde. Dem Rekursgericht wird aufgetragen, über den Rekurs der Liegenschaftshälfteeigentümerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden, wobei auf die Kosten ihres Revisionsrekurses Bedacht zu nehmen ist.

Text

Begründung

Das Erstgericht bewilligte mit Beschluss vom 9. März 2001 auf Antrag der betreibenden Partei L***** AG gegen die Verpflichteten Helmut P***** und Lieselotte P***** die Exekution durch Zwangsversteigerung einer je zur Hälfte in deren Eigentum stehenden Liegenschaft. Auf Antrag zweier weiterer betreibender Parteien wurde danach gegen den damaligen Erstverpflichteten die Zwangsversteigerung seines Hälfteanteils bewilligt; diese betreibenden Parteien traten der mit Beschluss vom 9. März 2001 bewilligten Zwangsversteigerung bei, jedoch nur in Ansehung des Hälfteanteils des damaligen Erstverpflichteten.

Mit Versteigerungsedikt vom 6. November 2001 beraumte das Erstgericht die Versteigerungstagsatzung für den 20. Dezember 2001 an. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 29. November 2001 schob das Erstgericht auf Antrag der führenden betreibenden Partei die mit Beschluss vom 9. März 2001 bewilligte Zwangsversteigerung gemäß § 200a EO aufgrund einer Zahlungsvereinbarung auf. Das Erstgericht wies in diesem Beschluss darauf hin, dass Franz K***** nunmehr führende betreibende Partei sei und der Versteigerungstermin 20. Dezember 2001 aufrecht bleibe, sofern die auf Antrag der beiden weiteren betreibenden Gläubiger bewilligte Exekution nicht eingestellt bzw aufgeschoben werde.

Bei der Versteigerungstagsatzung am 20. Dezember 2001 erschien nur ein Bieter, dem die gesamte Liegenschaft mit dem in dieser Tagsatzung verkündeten Beschluss um das Meistbot von 987.000 S (halber Schätzwert: § 151 Abs 1 EO) mit dem Vorbehalt der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zugeschlagen wurde. Ausfertigungen dieses Beschlusses wurden dem Verpflichteten und der Eigentümerin der irrtümlich ebenfalls zugeschlagenen Liegenschaftshälfte, die bei der Versteigerungstagsatzung nicht anwesend gewesen waren, am 7. Jänner 2002 zugestellt. Das Rekursgericht wies deren Rekurs zurück, wobei es beide Rekurswerber als verpflichtete Parteien bezeichnete; es sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die Frage der Rekurslegitimation nach § 187 EO hinreichend geklärt sei. In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, nach § 187 Abs 1 EO setze das Recht zum Rekurs gegen die Erteilung des Zuschlags voraus, dass der Rekurswerber im Versteigerungstermin anwesend gewesen sei, wobei dies auch für den Verpflichteten gelte. Durch die Bezeichnung der Exekutionssache im maßgeblichen Protokoll über die Versteigerungstagsatzung mit "ON 1" sei klargestellt, dass diese im Verfahren der L***** AG gegen beide Verpflichtete durchgeführt worden sei und das Erstgericht den bekämpften Beschluss in diesem Verfahren (und nicht etwa in einem der Beitrittsverfahren) gefasst hat. Die Verpflichteten seien bei der Versteigerungstagsatzung nicht anwesend gewesen und hätten keinen Widerspruch erhoben, weshalb ihr Revisionsrekurs unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Verpflichteten ist nicht zulässig, jener der Liegenschaftshälfteeigentümerin ist zulässig und berechtigt.

Bei der Ermittlung des Entscheidungsgegenstands iSd § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 1 und Z 1a ZPO ist bei der Entscheidung darüber, ob der Zuschlag zu erteilen oder zu versagen ist, bei einem Rekurs des Verpflichteten vom Betrag des Meistbots oder vom Schätzwert der Liegenschaft, wenn dieser - wie hier - höher ist, auszugehen (EvBl 2000/170 ua; Jakusch in Angst, EO, § 65 Rz 25; Rassi in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 65 Rz 46, je mwN; Angst in Angst, EO, § 187 Rz 8).

Die Berechtigung zum Rekurs gegen den Beschluss über die Erteilung des Zuschlags hängt von den geltend gemachten Rekursgründen ab. Nach § 187 Abs 1 EO sind zur Geltendmachung von Gründen, die auch einen Grund für den Widerspruch (§ 184 EO) bilden, nur die Personen berechtigt, die auch zur Erhebung des Widerspruchs berechtigt sind, dies grundsätzlich unter der weiteren Voraussetzung, dass sie im Versteigerungstermin anwesend waren und dort Widerspruch erhoben haben; dies gilt auch für den Verpflichteten (Angst aaO § 187 Rz 1 mwN).

Die in § 187 EO normierten Einschränkungen des Rekursrechts können aber schon begrifflich nur für Personen gelten, die vom Versteigerungstermin zu verständigen waren. Der vom Verpflichteten verschiedene bücherliche Eigentümer, dessen Liegenschaft irrig versteigert wird, ist durch § 187 EO nicht vom Rekurs gegen die Zuschlagserteilung ausgeschlossen (SZ 17/92).

Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rekurses gegen die erstinstanzliche Zuschlagserteilung ist somit ausschlaggebend, ob der Rekurswerber Verpflichteter oder ein vom Versteigerungstermin nicht zu verständigender Dritter ist.

Im vorliegenden Fall hat der Erstrevisionsrekurswerber jedenfalls die Stellung des Verpflichteten, und zwar auch nach Aufschub des vom ursprünglich führenden betreibenden Gläubiger betriebenen Zwangsversteigerungsverfahrens gemäß § 200a EO; gegen ihn wurden nämlich zwei weitere Exekutionen durch Zwangsversteigerung seines Hälfteanteils bewilligt, die nach dem ausdrücklichen Hinweis des Erstgerichts von dem Aufschub nicht betroffen waren. Der außerordentliche Revisionsrekurs des Verpflichteten ist somit mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, weil sein Rekursrecht nach der klaren Rechtslage von der Erhebung eines Widerspruchs gegen den Zuschlag in der Versteigerungstagsatzung abhängt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nicht nur der Hälfteanteil des Verpflichteten, sondern die gesamte Liegenschaft versteigert wurde. Der Verpflichtete ist nämlich nicht dadurch beschwert, dass ein Liegenschaftsanteil, der nicht in seinem Eigentum steht, versteigert wird.

Im Aufschiebungsbeschluss hat das Erstgericht auch klar darauf hingewiesen, dass nunmehr nicht der bisher führende betreibende Gläubiger, auf dessen Antrag die Exekution aufgeschoben wurde, sondern der erste beigetretene betreibende Gläubiger nunmehr führender betreibender Gläubiger ist. Die Ansicht des Rekursgerichts, das Erstgericht habe das von ihm aufgeschobene Verfahren weitergeführt, ist verfehlt. Aus dem Hinweis auf "ON 1" im Kopf des Protokolls über die Versteigerungstagsatzung und in der Urschrift des Beschlusses über die Erteilung des Zuschlags lässt sich dies keineswegs ableiten. Dafür, dass der Erstrichter die von demjenigen betreibenden Gläubiger, dessen Antrag auf Aufschiebung nach § 200a EO er bewilligte, betriebene Zwangsversteigerung dennoch weitergeführt hätte, besteht kein Anhaltspunkt. Der Erstrichter hat vielmehr die vom früheren ersten beigetretenen betreibenden Gläubiger betriebene Zwangsversteigerung fortgeführt, dabei jedoch übersehen, dass in diesem Verfahren - wie auch im weiteren Beitrittsverfahren - nur die Zwangsversteigerung einer Liegenschaftshälfte beantragt und bewilligt worden war.

Die zweite Revisionsrekurswerberin als Eigentümerin der irrtümlich versteigerten und zugeschlagenen Liegenschaftshälfte war in diesem Zwangsversteigerungsverfahren nicht verpflichtete Partei; sie wurde auch nach Aufschub der Zwangsversteigerung, die auch gegen sie als Zweitverpflichtete geführt worden war, nicht davon verständigt, dass ihre Liegenschaftshälfte dennoch versteigert würde. Sie stellt somit einen vom Verpflichteten verschiedenen bücherlichen Eigentümer dar, dessen Liegenschaftsanteil irrig mitversteigert wurde; für sie gilt somit nicht der Rechtsmittelauschluss des § 187 EO (SZ 17/92). Das Rekursgericht hat somit ihren Rekurs zu Unrecht zurückgewiesen. Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und dem Rekursgericht eine Entscheidung in der Sache aufzutragen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO, § 52 ZPO.

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