OGH 3Ob77/54

OGH3Ob77/5424.3.1954

SZ 27/77

Normen

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz §74
JN §1
Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz §74
JN §1

 

Spruch:

Der Grundsatz, daß für die selbständige Geltendmachung der Kosten eines Verwaltungsverfahrens der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen sei, gilt dann nicht, wenn der Anspruch auf Ersatz von Verfahrenskosten aus der Übertretung einer privatrechtlichen Vereinbarung abgeleitet wird.

Entscheidung vom 24. März 1954, 3 Ob 77/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Frohnleiten; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Am 2. Oktober 1952 schlossen die Parteien in einem wegen Aufwertung eines Bestandzinses geführten Rechtsstreit einen gerichtlichen Vergleich. In P. 5 dieses Vergleiches verpflichtete sich der in dem damaligen und in diesem Rechtsstreit Beklagte, die einverständlich mit 10.000 S festgelegten Vertretungskosten bis 5. Jänner 1953 zu bezahlen. Laut P. 6 des Vergleiches erklärten beide Streitteile, daß sämtliche wie immer gearteten Ansprüche und Forderungen bis einschließlich 30. September 1952 verglichen seien.

Der Beklagte brachte am 20. September 1952 eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen einen Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung als Preisbehörde ein, womit diese einen Antrag des Beklagten auf Festsetzung des angemessenen Zinses für die von ihm im Hause der Klägerin gemieteten Räumlichkeiten zurückgewiesen hatte. Die Klägerin forderte durch ihren Vertreter, nachdem sie vom Verwaltungsgerichtshof am 27. Oktober 1952 als mitbeteiligte Partei zur Einbringung einer Gegenschrift eingeladen worden war, den Beklagten mit Schreiben vom 26. November und 16. Dezember 1952 auf, die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zurückzuziehen. Der Beklagte erklärte, diesem Begehren nicht zu entsprechen, weil er daran interessiert sei, die Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes kennenzulernen. Selbstverständlich werde der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf den abgeschlossenen Vergleich keinerlei praktische Bedeutung mehr zukommen. Die Klägerin brachte darauf fristgerecht eine Gegenschrift beim Verwaltungsgerichtshof ein, worauf der Beklagte am 9. Jänner 1953 die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zurückzog.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten Zahlung eines Betrages von 1500 S als Kosten der von ihr im Verwaltungsgerichtshofverfahren eingetrachten Gegenschrift.

Das Erstgericht erkannte den Klagsanspruch als dem Gründe nach zu Recht bestehend.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil in dem Sinn, daß der Klagsanspruch nicht zu Recht bestunde und wies für den Fall der Rechtskraft das Klagsbegehren kostenpflichtig ab.

Der Oberste Gerichtshof stellte das Ersturteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Oberste Gerichtshof ist im Gegensatz zum Berufungsgericht der Ansicht, daß die Klägerin den Ersatz der 1500 S unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes verlangen kann. Der Oberste Gerichtshof hat allerdings wiederholt ausgesprochen, daß für die selbständige Geltendmachung von Verwaltungsverfahrenskosten der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen sei und hiefür nur der Verwaltungsweg offenstunde. In keinem dieser Fälle, in denen sich der Oberste Gerichtshof zu dieser Rechtsansicht bekannt hat (vgl. SZ. XVIII/41, JBl. 1936, S. 193, EvBl. 1953, Nr. 143 = SZ. XXVI/26), hat es sich aber darum gehandelt, daß ein Ersatzanspruch aus der Übertretung einer privatrechtlichen Vereinbarung abgeleitet wurde. Im vorliegenden Fall wird aber von der Klägerin, und nach den Ergebnissen des Verfahrens mit Recht, gerügt, daß der Beklagte sich an die im Vergleich übernommenen Verpflichtungen nicht gehalten hat und daß ihr daraus ein Schaden in der Höhe der Vertretungskosten erwachsen ist, die sie ihrem Anwalt für die Verfassung der Gegenäußerung an den Verwaltungsgerichtshof entrichten mußte. Der Beklagte hat sich im Punkt 6 des Vergleiches ebenso wie die Klägerin ausdrücklich damit einverstanden erklärt, daß sämtliche wie immer gearteten Ansprüche und Forderungen bis 30. September 1952 verglichen sein sollten. Damit ist die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes in einer Angelegenheit, die durch den Vergleich bereits erledigt war, nicht nur überflüssig geworden, es verstößt vielmehr diese Anrufung zum Zwecke, eine Angelegenheit, die bereits vergleichsweise erledigt war, vom Verwaltungsgerichtshof entscheiden zu lassen, auch gegen die im Punkt 6 des Vergleiches übernommene Verpflichtung, die bisher aufgetretenen Streitigkeiten als erledigt zu behandeln. Wenn der Beklagte auch erklärt hat, die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nur aus beruflichem Interesse weiter zu verfolgen, und weiter erklärt hat, es werde dem Ausgang der Beschwerde keine praktische Bedeutung zukommen, so hätte er trotzdem auf das wiederholte Verlangen der Klägerin die Beschwerde nicht aufrechterhalten dürfen. Hiezu hätte er nach Abschluß des Vergleiches des Einverständnisses der Klägerin bedurft. Die Aufrechterhaltung der Beschwerde hat somit gegen den Vergleich verstoßen. Was nun die Frage betrifft, ob das Verhalten des Beklagten für den von der Klägerin behaupteten Schaden kausal war, so vermag sich der Oberste Gerichtshof der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß infolge der Erklärung des Beklagten die Klägerin gegen die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nichts zu unternehmen brauchte, nicht anzuschließen. Wenn jemand als beteiligte Partei vom Verwaltungsgerichtshof zur Erstattung einer Gegenäußerung aufgefordert wird, so ist es sein gutes Recht, diese Möglichkeit wahrzunehmen und einer ihm ungünstigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vorzubeugen zu trachten. Daß die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, wie immer sie ausgefallen wäre, irgendwie geeignet gewesen wäre, die durch den Vergleich herbeigeführte Rechtslage zu ändern, kann von vornherein nicht ausgeschlossen werden.

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