Spruch:
Der Verpflichtete aus einem Unterlassungstitel hat grundsätzlich ein Zuwiderhandeln gegen die Unterlassungspflicht hintanzuhalten. Erfolgt das Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel durch einen Beauftragten im Rahmen der ihm erteilten Aufträge, hat dies daher der Auftraggeber zu verantworten. Nur wenn das Zuwiderhandeln außerhalb des erteilten Auftrages liegt, hat der Auftraggeber hiefür nicht einzustehen. Die Impugnationsklage ist auch zulässig, wenn nur die Voraussetzungen für die Erlassung einer Strafverfügung nach § 355 EO bestritten werden
OGH 16. 8. 1972, 3 Ob 76/72 (KG Krems a d Donau R 40/72; BG Persenbeug C 94/71 )
Text
Auf Grund des rechtskräftigen Endbeschlusses des Erstgerichtes vom 24. 4. 1968 sind die Klägerinnen schuldig, sich jeder Störung eines von den Beklagten genutzten Grundstreifens der KG D zu enthalten. Mit Beschluß vom 17. 12. 1969 bewilligte das Erstgericht den Beklagten wider die Klägerinnen zur Erwirkung der Unterlassung aller Handlungen, die diesem Endbeschluß widersprechen, die Exekution und drohte für den Fall weiterer Störungshandlungen die Verhängung einer Geldstrafe von S 1000.- an. Mit Schriftsatz vom 13. 10. 1971 beantragten die Beklagten, ihnen die Exekution zur Erwirkung der Unterlassung aller dem vorgenannten Endbeschluß widersprechenden Handlungen durch Verhängung der mit Beschluß vom 17. 12. 1969 angedrohten Geldstrafe von S 1000.- sowie durch Androhung und Verhängung weiterer Geldstrafen oder Haft zu bewilligen. Gleichzeitig begehrten die Beklagten, ihnen zur Hereinbringung der Kosten ihres Exekutionsantrages die Fahrnisexekution zu bewilligen. Ihr Begehren begrundeten die Beklagten damit, daß die Klägerinnen am 18. 9. 1971 durch von ihnen bestellte Fuhrleute mit einem Traktor Holz über den vorgenannten Grundstücksstreifen führen ließen. Mit Beschluß vom 19. 10. 1971 verhängte das Erstgericht über die Klägerinnen eine Geldstrafe von S 1000.-, drohte für den Fall weiteren Zuwiderhandelns eine Geldstrafe von S 5000.- an und bewilligte den Beklagten zur Hereinbringung ihrer Exekutionskosten von S 310.80 die Fahrnisexekution. Diese Exekutionskosten wurden von den Klägerinnen bereits bezahlt.
Mit ihrer Klage begehrten die Klägerinnen "die Exekutionsbewilligung des Erstgerichtes vom 19. 10. 1971 aufzuheben und nach rechtskräftiger Entscheidung über die Klage die Exekution einzustellen". Der Holztransport vom 18. 9. 1971 sei über ausdrückliche Weisung der Zweitklägerin ohne Inanspruchnahme des im Besitz der Beklagten befindlichen Grundstreifens erfolgt. Sollten die mit dem Holztransport beauftragten Arbeiter entgegen dieser Weisung den vorgenannten Grundstreifen dennoch benützt haben, so hätten dies die Klägerinnen nicht zu vertreten. Die Beklagten bestritten das Klagsvorbringen und behaupteten ihrerseits, daß die Klägerinnen am 18. 9. 1971 durch von ihnen angestellte Arbeiter Holz über den vorgenannten Grundstreifen transportieren ließen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen ließ die Zweitklägerin am 18. 9. 1971 durch drei Arbeiter (Franz P, Johann und Ludwig H) aus ihrem an den im Besitz der Beklagten stehenden Grundstreifen angrenzenden Wald Holz zur öffentlichen Straße transportieren. Diesen Arbeitern wurde von der Zweitklägerin ausdrücklich die Benützung des Grundstreifens der Beklagten untersagt. Zuerst brachten die Arbeiter das Holz mit einem Pferd vom Wald zur Landesstraße, wo sie es auf einen Traktor umluden. Bei diesen Arbeiten ging das vor zwei Bloche gespannte Pferd des Ludwig H durch und lief über den Grundstreifen der Beklagten, wodurch Schleifspuren entstanden.
Das Erstgericht war der Auffassung, daß die Klägerinnen eine zufällige Benützung des Grundstreifens der Beklagten durch ein Tier nicht behauptet hätten, weshalb darauf wegen der herrschenden Eventualmaximenicht eingegangen werden könne. Die Klägerinnen könnten dieses Sachverhalt nur mit einer neuen Klage nach "§ 35 EO" geltend machen. Den Beweis dafür, daß die Benützung des Grundstreifens auftragswidrig erfolgt sei, hätten die Klägerinnen nicht erbracht, die überdies alle Störungshandlungen ihrer Dienstnehmer zu vertreten hätten. Das Klagebegehren sei demnach nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die über die Klägerinnen verhängte Geldstrafe von S 1000.- und die Androhung einer Geldstrafe von S 5000.- bei weiterem Zuwiderhandeln für unzulässig erklärte. Gleichzeitig sprach es aus, daß der von der Berufung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 1000- übersteigt. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß keine Oppositions-, sondern eine Impugnationsklage nach § 36 EO vorliege und gab daher dem Urteilsspruch die dieser Klage entsprechende Fassung. Entgegen den Ausführungen des Erstgerichtes liege in der Behauptung der Klägerinnen, daß weder sie noch die bei ihnen beschäftigten Arbeiter dem Unterlassungsgebot zuwider gehandelt hätten, die Einwendung, daß die Klägerinnen das Entkommen des von den Arbeitern verwendeten Pferdes und die hiedurch bedingte Störung des Besitzes der Beklagten nicht zu vertreten hätten. Diese Einwendung sei auch berechtigt, weil Störungshandlungen, die vom Vertreter gegen den erklärten Willen des Vertretenen vorgenommen werden, diesem nur dann zuzurechnen seien, wenn ihm zumutbar sei, seinen Willen in die Tat umzusetzen, um die Störungshandlung effektiv zu verhindern. Die Klägerinnen hätten aber ihren Arbeitern ausdrücklich verboten, zum Holztransport den im Besitz der Beklagten stehenden Grundstreifen zu benützen.
Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache an das Gericht 1. Instanz zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Beizupflichten ist den Ausführungen des Berufungsgerichtes, daß es sich bei der von den Klägerinnen erhobenen Klage nicht um eine Oppositionsklage nach § 35 EO, sondern um eine Impugnationsklage nach § 36 EO handle. Die Klägerinnen behaupten nämlich nicht, daß der vollstreckbare Anspruch erloschen sei, sondern nur, daß die Voraussetzungen für den auf Grund der Exekutionsbewilligung erlassenen Vollzugsbeschluß (neuerliches Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel) nicht gegeben gewesen wären (Neumann - Lichtblau[4], 433 f). Die Impugnationsklage kann nämlich auch dann erhoben werden, wenn nur die Voraussetzungen für die Erlassung einer Strafverfügung nach § 355 EO bestritten werden (Neumann - Lichtblau[4], 434, SZ 6/30).
Mit Recht bekämpfen hingegen die Revisionswerber die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, wonach die Klägerinnen das behauptete Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel durch die von ihnen mit der Holzbringung beauftragten Fuhrleute nicht zu vertreten hätten. Der Verpflichtete aus einem Unterlassungstitel hat grundsätzlich ein Zuwiderhandeln gegen die Unterlassungspflicht hintanzuhalten (GlUNF 7266). Erfolgt daher das Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel durch einen Beauftragten im Rahmen der ihm erteilten Aufträge, so hat dies der Auftraggeber zu verantworten (GlUNF 7266). Nur wenn das Zuwiderhandeln des Bevollmächtigten außerhalb des ihm erteilten Auftrages liegt, hat hiefür der Auftraggeber nicht einzustehen. Das Berufungsgericht beurteilte die Verantwortlichkeit der Klägerinnen für den behaupteten Verstoß ihrer Fuhrleute gegen die Unterlassungspflicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Besitzstörung und nicht der hier in Betracht kommenden Unterlassungsvollstreckung. Die von ihm vertretene Rechtsansicht würde Unterlassungstitel weitgehend entwerten, weil der betreibende Gläubiger niemals wissen kann, welche Aufträge der Verpflichtete seinen Bevollmächtigten erteilt hat.
Hier erfolgte das Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel durch die von den Klägerinnen beauftragten Fuhrleute, die in deren Interesse die Holzbringung besorgten. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes haben daher die Klägerinnen das Verhalten ihrer Fuhrleute zu vertreten. Die Erstklägerin haftet überdies auch für den von ihrem gesetzlichen Vertreter (Zweitklägerin) den Fuhrleuten erteilten Auftrag.
Obwohl von den Beklagten behauptet wurde, daß ein Zuwiderhandeln gegen gegen den Exekutionstitel durch die Fuhrleute der Klägerinnen bei der Holzbringung mit einem Traktor erfolgte, stellte das Erstgericht fest, daß das Pferd des Ludwig H scheute und mit zwei Holzblochen über den vorgenannten Grundstreifen der Beklagten lief. Das Erstgericht traf somit Feststellungen, die über die Parteibehauptungen hinausgingen. Derartige über das Parteienvorbringen hinausgehende Feststellungen sind an sich zulässig und bei der rechtlichen Beurteilung zu beachten (Fasching III, 280, SZ 21/123, JBl 1964, 208, RZ 1967, 105, ZVR 1971/106). Im Hinblick auf diese überschießenden Feststellungen erweist sich aber die Sache als nicht spruchreif. Wohl kann es keinem Zweifel unterliegen, daß objektiv ein Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel vorliegt. Für eine Exekutionsbewilligung zur Erwirkung einer Unterlassung und für die Verhängung der Beugemittel nach § 355 Abs 1 EO ist aber erforderlich, daß das Zuwiderhandeln zumindest fahrlässig erfolgte (Neumann - Lichtblau[3], 1108, FN 1, Pollak, System, 1032, GlUNF 7266, RZ 1959, 16, 3 Ob 360/53). Zur Klärung dieser Frage reichen die Feststellungen der Unterinstanzen nicht aus. Der Umstand, daß das Pferd des Ludwig H scheute, besagt noch keineswegs, daß ihn am Zuwiderhandeln gegen die Unterlassungspflicht kein Verschulden trifft. Hiezu wären Feststellungen darüber erforderlich gewesen, ob Ludwig H ein Scheuen des Pferdes durch geeignete Maßnahmen hätte verhindern können und ob dazu Anlaß bestand. Insbesondere wäre zu prüfen gewesen, ob es sich um ein wildes oder ein gutmütiges Pferd gehandelt hat und ob Ludwig H die für die Holzbringung mit einem Zugtier im konkreten Falle erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen beachtet hat.
Die Urteile der Unterinstanzen enthalten keine Feststellungen in dieser Richtung und mußten daher der Aufhebung verfallen. Da zur Klarstellung der Sach- und Rechtslage eine ergänzende Verhandlung in erster Instanz erforderlich ist, war auch das Ersturteil aufzuheben und die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen.
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