Normen
Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung §2 Abs2
4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art8 Nr. 11
Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung §2 Abs2
4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art8 Nr. 11
Spruch:
Zur Haftung eines "Geschäftsführers" einer noch nicht registrierten Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Entscheidung vom 22. Jänner 1958, 3 Ob 7/58.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die "A." Strick- und Wirkwarenfabrik GesmbH. wurde im Zusammenhang mit der NS. Machtergreifung aufgelöst und am 30. April 1940 im Handelsregister gelöscht. Einem Rückstellungsantrag der Rückstellungsberechtigten wurde stattgegeben und die "A." nach dem
5. RückstellungsG. wiedererrichtet. Der von der Beklagten gestellte Antrag auf Eintragung der wiedererrichteten GesmbH. im Handelsregister wurde vom Registergericht - nach der Behauptung der Beklagten im Jahre 1956 - rechtskräftig abgewiesen. Der Vertreter einer Rückstellungsberechtigten Dr. K. bestellte mit Schreiben vom 1. September 1953, in welchem ausgeführt wurde, daß sich die "A."
Strick- und Wirkwarenfabrik GesmbH. im Stadium der Wiedererrichtung befinde, die Beklagte namens der "A." zur Geschäftsführerin mit einem Monatsgehalt von 4500 S. Die Beklagte trat im Rechtsverkehr als Geschäftsführerin der "A." auf. Sie verwendete im rechtsgeschäftlichen Verkehr Firmenpapier mit der Aufschrift "A."
Strick- und Wirkwarenfabrik GesmbH., unterfertigte Geschäftsschreiben mit ihrem Namen und setzte ihren Namenszug dem Stampiglienaufdruck mit dem Firmenwortlaut bei. Die Beklagte gab auf diese Weise namens der "A." Speditionsaufträge über Transporte nach Johannesburg an die Klägerin auf. Der Klägerin war nicht bekannt, daß die "A." nicht registriert ist. Es wurden ihr auch keine Umstände bekannt, die Anlaß für Zweifel an der rechtlichen Existenz der "A." hätten aufkommen lassen.
Die Klägerin begehrt (eingeschränkt) 12.892 S 55 g für Speditionsaufträge, welche von der Beklagten namens der "A." der Klägerin erteilt worden seien. Die Beklagte bestritt ihre Haftung, die Forderungen dem Gründe und der Höhe nach und wendete eine Gegenforderung in der Höhe der Klagsforderung aus dem Titel des Schadenersatzes ein. Die Beklagte habe der Klägerin 735.5 kg importiertes Garn zurückgestellt und die Klägerin angewiesen, die darauf entfallenden, vom Zollamt zurückzuzahlenden Beträge an Zoll und Ausgleichssteuern dem Unternehmen gutzuschreiben. Es handle sich um den Betrag von 13.480 S. Mit diesem Betrag wäre die Klagsforderung zur Gänze getilgt.
Nachdem ein stattgebendes erstgerichtliches Urteil vom Berufungsgericht zur Klarstellung des Sachverhaltes aufgehoben worden war, erkannte nun das Erstgericht, daß die Klagsforderung mit dem Betrage von 6191 S 80 g zu Recht bestehe, mit dem Betrage von 6700 S 75 g jedoch nicht zu Recht bestehe, die Gegenforderung der Beklagten nicht zu Recht bestehe, und sprach die Beklagte schuldig, 6191 S 80 g der Klägerin zu bezahlen. Die Beklagte hafte nach § 2 Abs. 2 GesmbHG. für jene Aufträge, welche sie namens der nicht registrierten "A." erteilt habe. Ein Nachweis, daß die Beklagte selbst handelnd aufgetreten sei, sei jedoch nur hinsichtlich von zwei Fakturen zu erweisen gewesen, nicht jedoch hinsichtlich der übrigen Fakturen. Einige Fakturen seien zwar für Zollzwecke akontiert worden; die Beklagte sei auch die allein entscheidungsbefugte Person innerhalb der "A." gewesen. Die Akontierungen wiesen auf das Vorliegen von Aufträgen hin. Das Gericht halte es auch für ausgeschlossen, daß die Klägerin ihre Leistungen ohne Auftrag erbracht hätte, doch sei nicht zu beweisen, daß die Aufträge durch persönliches Handeln der Beklagten erteilt worden wären. Die Gegenforderung bestehe nicht zu Recht, weil der fakturierte Saldo eine Gutschrift berücksichtige, die weitaus höher sei als die Gegenforderung.
Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil neuerlich auf, diesmal unter Rechtskraftvorbehalt. Die Beklagte hafte, soweit sie handelnd aufgetreten sei. Ob sie weisungsgebundene Angestellte gewesen sei, sei nicht entscheidend. Für die Speditionsaufträge nach Johannesburg, wofür Speditionskosten in der Höhe von 6191 S 80 g aufgelaufen seien, stehe außer Streit, daß die Beklagte persönlich den Auftrag gegeben habe. Es gebe jedoch noch eine zweite Gruppe von Geschäften, nämlich die Einfuhr von Wollgarn von der französischen Firma V. & Cie. Diesbezüglich habe das Erstgericht lediglich festgestellt, daß die französische Lieferfirma die Waren an die Klägerin für die "A." mit der Weisung übersendet habe, die Waren nur gegen Übergabe einer auf den Warenwert lautenden Tratte auszufolgen. Fakturiert sei die Fracht von der österreichischen Grenze nach Wien worden. Die Klägerin habe der "A." das jeweilige Eintreffen der Ware avisiert und die Ware gegen eine von der Beklagten mit der Firmenstampiglie der "A." unterfertigte Tratte ausgeliefert. Diese Feststellungen reichten jedoch keineswegs hin, um den Sachverhalt rechtlich beurteilen zu können. Es könne die französische Lieferfirma die Verpflichtung zur Verzollung der Ware oder sogar zur Lieferung loco Wien getroffen haben. In diesem Falle wären die Rechte der Klägerin verschieden, je nachdem ob sie Spediteurin und zugleich Frachtführerin oder nur Spediteurin gewesen sei. Es könne aber auch sein, daß die Klägerin namens der "A." beauftragt worden sei, die Waren zu verzollen oder von der schweizerischen Grenze nach Wien zu transportieren. Es wäre aber auch denkbar, daß sich der Auftrag auf beide Umstände bezogen habe. Jedenfalls müsse die Klägerin den Inhalt des Auftrages nachweisen. Erst wenn feststehe, welche Verbindlichkeit die "A." getroffen hätte, wenn sie als Gesellschaft existent geworden wäre, könne die weitere Frage beantwortet werden, in welchem Umfang die Beklagte namens der "A."
gehandelt habe. Hiebei werde davon ausgegangen werden können, daß die Beklagte als Geschäftsführerin die Geschäfte mit der Klägerin abgewickelt und die Ware in Empfang genommen habe. Die vom Erstgericht festgestellten Umstände könnten für ein Handeln der Beklagten sprechen, es sei denn, daß jemand anderer namens der Gesellschaft gegen den Auftrag der Beklagten mit der Klägerin unterhandelt und von ihr Waren übernommen habe. Bezüglich der geringfügigen Stempelbeträge sei der Sachverhalt mangels entsprechender Behauptungen der Klägerin ebenfalls noch aufklärungsbedürftig. Auch hinsichtlich der Gegenforderung würden die erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen sein.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Beklagte hält es für verfehlt, wenn das Berufungsgericht annehme, eine Geschäftsführerin könne bestellt werden, bevor die Gesellschaft existent geworden sei. § 9 GesmbHG. sei eine bloße Ordnungsvorschrift und besage, auf welche Art die Eintragung vorzunehmen sei. Damit sei aber nicht gesagt, daß der in Aussicht genommene Geschäftsführer bereits Geschäftsführerfunktion habe. Dies ist unrichtig. Wenn nur der Geschäftsführer die Anmeldung zum Register vornehmen kann, die Anmeldung durch eine andere Person vom Registerrichter zurückgewiesen werden müßte, muß bereits vor der Eintragung ein Geschäftsführer für die Gesellschaft bestellt werden, dessen Bestellung natürlich durch die Eintragung der Gesellschaft bedingt, bis zu diesem Zeitpunkt aber in Schwebe ist. Dieser Geschäftsführer ist auch befugt, alle jene Geschäfte namens der Gesellschaft vorzunehmen, die zur Entstehung der Gesellschaft notwendig sind, die mit dem Gründungsvorgang zusammenhängen, all dies natürlich nur namens der erst entstehenden Gesellschaft. Nicht befugt ist aber dieser Geschäftsführer zu solchen Geschäften, die dem künftigen Betrieb der Gesellschaft dienen sollen. Schließt er dennoch solche Geschäfte, geht er über die ihm durch das Gesetz eingeräumte Vertretungsmacht hinaus und bindet die Gesellschaft nicht, sondern haftet persönlich, es wäre denn, daß dem Vertragspartner bekannt war, daß die Gesellschaft noch nicht besteht.
Wenn sich die Beklagte auf die Bestimmungen der §§ 15 bis 28 GesmbHG. über die Stellung des Geschäftsführers beruft, so geht dies schon deshalb fehl, weil diese Bestimmungen, wie die Rekurswerberin selbst ausführt, die Existenz der Gesellschaft voraussetzen. Im übrigen ist es gleichgültig, ob der Geschäftsführer Angestellter der Gesellschaft oder Gesellschafter ist, weil sich durch dieses interne Verhältnis die Stellung des Geschäftsführers nach außen nicht ändert.
Die Rekurswerberin erachtet sich auch dadurch beschwert, daß das Berufungsgericht meint, die Zitierung des Art. 55 AHGB. in § 2 Abs. 2 GesmbHG. sei durch Art. 8 Nr. 11 der 4. EVzHGB. ersetzt worden. Obwohl diese Frage nicht prozeßentscheidend ist, sei dazu folgendes bemerkt: Nach Art 3 der 4. EVzHGB. erhält in Vorschriften des österreichischen Rechtes, in denen auf Bestimmungen verwiesen wird, die durch diese Verordnung aufgehoben oder abgeändert werden - und dazu gehört nach Art. 13 Abs. 2 Z. 1 der genannten Verordnung auch das bisher in Österreich geltende allgemeine Handelsgesetzbuch -, die Verweisung ihren Inhalt aus der entsprechenden neuen Vorschrift. Im Sinne des Art. 3 der 4. EVzHGB. ist daher die Verweisung im § 2 Abs. 2 GesmbHG. auf Art. 55 AHGB. nunmehr so zu lesen, als ob es dort "Art. 8 Z. 11 der 4. EVzHGB." heißen würde.
Richtig folgert die Rekurswerberin, daß die Haftung nach § 2 Abs. 2 l. c. nur dann eintritt, wenn der Handelnde falsus procurator war. Diese Rechtsmeinung wird in Deutschland bestritten. Für unser Rechtsgebiet hat es aber mit Rücksicht auf die Zitierung des Art. 8 Z. 11 der 4. EVZHGB. dabei zu bleiben. Wer aber Betriebsgeschäfte für eine nicht eingetragene, daher rechtlich nicht existierende Gesellschaft mit beschränkter Haftung abschließt, handelt ohne Vertretungsmacht, weil er zu solchen Geschäften gesetzlich nicht befugt ist. Er ist also ein falsus procurator und haftet als solcher. Dabei kommt es nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 l. c. nicht auf die interne Stellung des Handelnden an, sondern eben nur auf die Tatsache des rechtsgeschäftlichen Handelns für die nicht eingetragene Gesellschaft. Es ist deshalb gleichgültig, wie noch einmal betont sei, ob der handelnde Geschäftsführer Angestellter der im Entstehen begriffenen Gesellschaft oder Gesellschafter ist. Beide haften dem gutgläubigen Dritten gegenüber vollkommen gleich. Es haftet eben jedermann, der im Rahmen der zukünftigen GesmbH. im Rechtsverkehr nach außen auftritt. Wie das Berufungsgericht richtig ausführt, ist es auch einerlei, ob dieser Geschäftsführer selbst handelt oder ein solches Handeln veranlaßt. Auf das rein äußerliche Moment, wer dem Dritten gegenüber aufgetreten ist, kann nicht das entscheidende Gewicht gelegt werden.
Bei der Vorschrift des § 2 Abs. 2 GesmbHG. handelt es sich auch nicht um eine Art Strafsanktion, wie die Rekurswerberin meint, sondern, wie das Berufungsgericht richtig ausführt, um eine Schutzbestimmung zugunsten des Dritten, der im Vertrauen auf die Existenz der Gesellschaft abgeschlossen hat und dem durch diese Vorschrift ein Vertragspartner geschaffen werden soll, aber auch um ein Druckmittel, damit der Geschäftsführer veranlaßt werde, ehestmöglich die Eintragung vornehmen zu lassen, und zum Teil auch um einen Schutz für die zu grundende Gesellschaft. Ist es aber keine Strafbestimmung, fallen alle Erwägungen der Rekurswerberin, die sie aus der gegenteiligen Annahme zieht, weg.
Ob neben der Beklagten auch noch andere Personen zur ungeteilten Hand für diese Forderung haften, ob die Beklagte in der Lage ist, gegen andere Personen Regreß zu nehmen, ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen. Entscheidend ist nur, daß die Beklagte nicht namens der Gründer, sondern namens der nicht existierenden GesmbH. gehandelt hat.
Was die immer wieder ins Treffen geführte Gutgläubigkeit anlangt, so sei auch hiezu Stellung genommen, obwohl nach Art. 8 Z. 11 der 4. EVzHGB. auch jener falsus procurator haftet, dem der Mangel seiner Vertretungsmacht nicht bekannt war. Der Beklagten wurde bereits im Anstellungsschreiben zur Kenntnis gebracht, daß sich die Gesellschaft im Stadium der Wiedererrichtung befinde. Ihr war also bei der Anstellung bekannt, daß die Gesellschaft erst im Entstehen begriffen war, aber noch nicht Bestand. Sie meldete nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes die Gesellschaft selbst zur Eintragung an, wußte daher auch, daß die Gesellschaft nicht eingetragen war. Sie bringt darüber hinaus vor, daß sie gegen Ende 1955 über die Nichtexistenz der Gesellschaft belehrt worden sei. Sie hat aber gerade die beiden Aufträge, hinsichtlich deren in erster Instanz bereits eine Verurteilung erfolgte, erst im März 1956 namens der Gesellschaft erteilt, also ganz bewußt für eine nicht existierende GesmbH. Obwohl, wie gesagt, die Gutgläubigkeit hier nicht prozeßentscheidend ist, sei dies wegen der steten Behauptung, daß die Beklagte gutgläubig sei und deshalb nicht hafte, erwähnt. Die Untergerichte sind daher mit Recht von der grundsätzlichen Haftung der Beklagten in jenen Fällen ausgegangen, in welchen die Beklagte handelnd aufgetreten ist.
Wenn sich sodann die Rekurswerberin den einzelnen Geschäften zuwendet und ausführt, es bestunden zwei Gruppen von Geschäften, so ist dies richtig. Wenn sie aber weiter ausführt, daß bei der ersten Gruppe namens der Gesellschaft abgeschlossen worden sei, daher die Gesellschafter hafteten, so ist dies, wie bereits ausgeführt, unrichtig. Hinsichtlich der zweiten Gruppe von Geschäften geht die Rekurswerberin von einem Sachverhalt aus, welchen das Berufungsgericht als möglich hingestellt hat, der aber nicht erwiesen ist. Richtig ist, daß die Beklagte nicht in einem größeren Umfang haften könnte als die Gesellschaft selbst, wenn sie existent geworden wäre. Da aber der Sachverhalt nicht eindeutig feststeht, vermag der Oberste Gerichtshof zu dieser Frage nicht Stellung zu nehmen. Der Sachverhalt wird tatsächlich hinsichtlich der zweiten Gruppe von Geschäften in der vom Berufungsgerichte aufgezeigten Weise festzustellen sein. Ob hiezu weitere Beweise aufgenommen werden müssen oder ob die bereits aufgenommenen Beweise, insbesondere im Hinblick auf die Angaben der Beklagten in ihrer Parteiaussage, ausreichen, muß den Tatsacheninstanzen überlassen bleiben. Es sei in diesem Zusammenhang nur darauf verwiesen, daß eine Behauptung in der Richtung, daß jemand anderer entgegen den Weisungen der Beklagten Aufträge für die "A." erteilt und Waren in Empfang genommen habe, von der Beklagten nie aufgestellt wurde.
Völlig zu Recht erfolgt die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils schon wegen des nicht festgestellten Sachverhaltes hinsichtlich der Gegenforderung der Beklagten. Daß die Zollakontierungen, also die Zahlungen der "A.", mit den im Auftrage geforderten Gutschriften nicht ident sind, ist wohl klar. Hier ist das Erstgericht von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen. Ebenso richtig ist es, daß der Beklagten, die aus den Aufträgen für die Gesellschaft haftet, auch eine aus diesen Aufträgen entspringende Gegenforderung zustehen müßte.
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