OGH 3Ob71/72

OGH3Ob71/726.7.1972

SZ 45/79

Normen

EO §355
EO §355

 

Spruch:

Mit Verhängung einer Strafe gemäß § 335 Abs 1 EO beginnt im Verlaufe des Vollzuges ein neuer Zeitabschnitt, eine neue Stufe des verschärften Zwanges, in dem die Verhängung einer Strafe für ein weiteres Zuwiderhandeln in einem früheren Zeitabschnitt nicht mehr zulässig ist

Die zeitlichen Abschnitte des Exekutionsvollzuges werden durch die Daten der Fassung der Vollzugsbeschlüsse (Verhängung der Strafen) bestimmt

OGH 6. 7. 1972, 3 Ob 71/72 (KG Wiener Neustadt R 104/72; BG Ebreichsdorf E 457/71)

Text

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 23. 3. 1971 wurde dem betreibenden Gläubiger gegen die Verpflichtete zur Erwirkung der Unterlassung jeglicher Störungen seines Besitzes auf Entnahme von Wasser aus dem Werkskanal 1404/1 die Exekution bewilligt. In dem am 10. 5. 1971 eingebrachten Schriftsatz ON 8 behauptet der betreibende Gläubiger, die Verpflichtete unterlasse es weiterhin beharrlich, den Wasserspiegel des Werkskanals gespannt zu halten, sodaß ihm die Entnahme von Wasser aus diesem Kanal weiterhin unmöglich sei; er beantragte daher gegen die Verpflichtete eine Geldstrafe von S 10.000.- oder Haft in der Dauer von 14 Tagen zu verhängen, ihr den Erlag einer Sicherheit von S 100.000.- für den durch ferneres Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel entstehenden Schaden aufzutragen und zur Hereinbringung der Verfahrenskosten die Fahrnisexekution zu vollziehen. Zu diesem Antrag wurde zunächst die Verpflichtete schriftlich einvernommen. Ihre Äußerung langte am 8. 7. 1971 beim Erstgericht ein. In zwei weiteren, am 23. und 30. 7. 1971 beim Erstgericht eingelangten Schriftsätzen ON 12 und 13 behauptete der betreibende Gläubiger ein neuerliches Zuwiderhandeln der Verpflichteten am 21. 7. 1971 bzw 26. 7. 1971; er beantragte daher die Verhängung der Haft in der Dauer von 3 Wochen bzw 6 Wochen.

Mit Beschluß vom 30. 7. 1971 verhängte das Erstgericht auf Grund des ersten Strafvollzugsantrages (ON 8) gegen die Verpflichtete ua eine Strafe von S 10.000.- "oder" Haft in der Dauer von 14 Tagen und drohte ihr für den Fall des weiteren Zuwiderhandelns Haft in der Dauer von 3 Wochen an. Gleichzeitig forderte es die Verpflichtete zur Äußerung über die Strafvollzugsanträge ON 12 und 13 mit EForm 143 auf. Die Äußerung vom 4. 8. 1971 langte am 9. 8. beim Erstgericht ein. Infolge Rekurses der Verpflichteten setzte das Rekursgericht im Beschluß vom 13. 9. 1971. GZ R 297/71-20. die mit Beschluß des Erstgerichtes vom 30. 7. 1971 verhängte Strafe auf eine Geldstrafe von S 5000.- herab.

Mit Beschluß vom 2. 3. 1972 wies das Erstgericht die am 23. und 30. 7. 1971 eingebrachten Anträge des betreibenden Gläubigers auf Verhängung der Haft in der Dauer von 3 bzw 6 Wochen ab und verhielt den betreibenden Gläubiger zum Ersatz der Kosten der Äußerung des Verpflichteten vom 4. 8. 1971. Es vertrat hierbei im wesentlichen die Ansicht, diese Strafen könnten nicht verhängt werden, weil sie der Verpflichteten bisher nicht angedroht worden seien.

In Abänderung dieses Beschlusses verhängte das Rekursgericht gegen die Verpflichtete wegen des in den beiden Anträgen ON 12 und 13 behaupteten Zuwiderhandelns je eine Geldstrafe von S 5000.-. Es vertrat hiebei die Ansicht, wegen eines jeden Zuwiderhandelns könne eine Strafe verhängt werden, selbst wenn über einen früheren Strafantrag noch nicht entschieden worden sei; der Androhung einer Strafe bedürfe es nicht. Im übrigen hielt es das Verhängen von Haftstrafen hier nicht für angemessen.

Der Oberste Gerichtshof stellte den Beschluß des Erstgerichtes mit der Abänderung wieder her, daß der Antrag des Verpflichteten auf Ersatz seiner Äußerungskosten abgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wenn das Exekutionsgericht über den Antrag, gegen den Verpflichteten wegen Zuwiderhandelns gegen den Exekutionstitel eine Geldstrafe oder Haft nach § 355 EO zu verhängen, erst entscheidet, nachdem ein weiterer Antrag wegen neuerlichen Zuwiderhandelns eingebracht wurde, hat es trotz des mehrfachen Zuwiderhandelns grundsätzlich nur eine Strafverfügung zu erlassen, in der es nach § 355 Abs 1 EO eine Geldstrafe oder Haft zu verhängen hat (EvBl 1963/473, Neumann - Lichtblau[3], 1110). Das Wesen des Exekutionsvollzuges nach § 355 EO besteht nämlich darin, daß der Verpflichtete durch einen stufenweise zu verschärfenden Zwang zur Befolgung des Exekutionstitels verhalten wird (Mat I 585). Dies hat durch die Verhängung angemessener Strafen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen (§§ 355, 361 EO) zu geschehen, wobei es sich also nicht um Vergeltungsstrafen handelt, sondern um Beugestrafen, die der Verhinderung weiteren Zuwiderhandelns dienen sollen (3 Ob 400/59, EvBl 1960/27, SZ 28/51). Bei mehrfachem Zuwiderhandeln gegen die Exekutionsbewilligung ist daher nicht jedes einzelne titelwidrige Verhalten gesondert zu bestrafen. Mit der Verhängung einer Strafe beginnt im Verlauf des Vollzuges ein neuer Zeitabschnitt, eine neue "Stufe" des verschärften Zwanges (Mat I, 585), in dem die Verhängung einer Strafe für ein weiteres Zuwiderhandeln in einem früheren Zeitabschnitt nicht mehr zulässig ist, mag dieses weitere Zuwiderhandeln bei der den betreffenden Zeitabschnitt beendenden Verhängung der Strafe schon bekannt gewesen sein, wie hier, oder nicht. Die zeitlichen Abschnitte des Exekutionsvollzuges werden durch die Daten der Fassung der Vollzugsbeschlüsse (Verhängung der Strafen) bestimmt.

Die Untergerichte haben nach Ablauf des durch die Beschlußfassung am 30. 7. 1971 begrenzten ersten Zeitabschnitts des Vollzuges eine Geldstrafe von S 5000.- verhängt. Es war daher unzulässig, für das in denselben Zeitabschnitt fallende angebliche weitere Zuwiderhandeln am 21. 7. und 26. 7. 1971 später noch weitere Geldstrafen zu verhängen. Hierbei ist es unbeachtlich, daß das Erstgericht erst nach der Einvernehmung der Verpflichteten über die am 23. und 30. 7. 1971 eingebrachten Strafvollzugsanträge abgesondert entscheiden wollte. Es kann auch unerörtert bleiben, ob die mit Beschluß des Rekursgerichtes vom 13. 9. 1971 rechtskräftig verhängte Geldstrafe von S 5000.- auch unter Berücksichtigung des behaupteten Zuwiderhandelns am 21. und 26. 7. 1971 der Art und Höhe nach angemessen ist oder nicht.

Das Erstgericht hat demnach die Strafvollzugsanträge vom 22. und 29. 7. 1971 im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dieser Beschluß war daher auf Grund des berechtigten Revisionsrekurses der Verpflichteten wiederherzustellen. Das Kostenbegehren für die Äußerung der Verpflichteten zu den Strafvollzugsanträgen war allerdings abzuweisen, weil sie nur Einwendungen gegen den Titel und den Strafvollzugsbeschluß iS des § 36 EO enthält, die nicht Gegenstand der Einvernehmung nach § 358 EO sein dürfen (EvBl 1954/103, JBl 1954, 361; Neumann - Lichtblau[3], 1112) und der Schriftsatz daher zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung iS des § 41 ZPO nicht notwendig war.

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