OGH 3Ob690/82

OGH3Ob690/8223.2.1983

SZ 56/32

Normen

ABGB §1056
KO §7 Abs1
ABGB §1056
KO §7 Abs1

 

Spruch:

Die Festlegung des Zinssatzes kann vertraglich dem Darlehensgeber übertragen werden; der Darlehensnehmer ist jedoch an eine grob unbillige Festsetzung des Zinssatzes nicht gebunden

Nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer Prozeßpartei ist im dadurch unterbrochenen Rechtsstreit über in die Konkursmasse fallende Ansprüche nicht über die Revision zu entscheiden

OGH 23. 2. 1983, 3 Ob 690/82 (OLG Wien 4 R 127/82; HG Wien 25 Cg 544/81)

Text

Mit Kreditvertrag vom 28. 3. 1979 gewährte die klagende Bank der erstbeklagten Partei einen Kontokorrentkredit bis zur Höhe von 150 000 S, für den der Zweitbeklagte zur ungeteilten Hand die Mithaftung als Schuldner übernahm. Es war Rückzahlung des Kredites bis zum 31. 12. 1979 vereinbart. Da der Kredit nicht zurückbezahlt wurde, stellte die klagende Partei den Kredit mit Schreiben vom 19. 1. 1981 fällig. Per 20. 1. 1981 haftete auf dem Kreditkonto der klagenden Partei ein Betrag von 148 133 S aus. Dieser Betrag ergab sich aus der Höhe des in Anspruch genommenen Kredites und den im einzelnen vereinbarten Zinsen und sonstigen Nebengebühren. Den beiden Beklagten wurden vierteljährlich die Abrechnungen der klagenden Partei übermittelt und von den Beklagten nie beanständet.

Die klagende Partei begehrte den ausstehenden Kreditbetrag von 148 133 S samt 16.5% Zinsen seit 23. 1. 1981. Sie behauptete, nach den Bestimmungen des Kreditvertrages berechtigt zu sein, über Beschluß ihres Ausschusses die mit 14% vereinbarten Verzugszinsen auch erhöhen zu dürfen; in Anpassung an die erhöhte Bankrate und die allgemeinen Zinserhöhungen sei eine Erhöhung auf 16.5% beschlossen worden.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ua. ein, das zwischen den Streitteilen vereinbarte Recht der klagenden Partei, die Konditionen über Beschluß ihres Ausschusses zu ändern, sei sittenwidrig.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Beide Vorinstanzen waren der Auffassung, die von den Beklagten beanständete Vertragsklausel sei nicht sittenwidrig, falls sich wie hier die Erhöhung der Verzugszinsen dem Rahmen der Erhöhung der Bankrate anpasse. Das Berufungsgericht wies darauf hin, daß es gemäß § 1056 ABGB zulässig sei, die Bestimmung des Leistungsgegenstandes auch einem der Vertragspartner zu überlassen.

Der Oberste Gerichtshof sprach aus, daß über die Revision der erstbeklagten Partei infolge der Konkurseröffnung nicht entschieden werde, gab aber der Revision der zweitbeklagten Partei nicht Folge und bestätigte das angefochtene Urteil insoweit als Teilurteil.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach Vorlage der Akten an das Revisionsgericht wurde mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 11. 1. 1983 zu S 9/83 des Handelsgerichtes Wien über das Vermögen der erstbeklagten Partei der Konkurs eröffnet. Zum Masseverwalter wurde Dr. Friedrich A, Rechtsanwalt in Wien, bestellt. Da der gegen die erstbeklagte Partei erhobene Anspruch das zur Konkursmasse gehörige Vermögen betrifft, ist damit hinsichtlich der erstbeklagten Partei gemäß § 7 Abs. 1 KO die Unterbrechung des Verfahrens eingetreten. Während der Unterbrechung des Verfahrens ist über die Revision nicht zu entscheiden, da die Bestimmung des § 163 Abs. 3 ZPO nur anwendbar ist, wenn eine mündliche Verhandlung schon vor Eintritt der Unterbrechung geschlossen wurde und nur mehr auf Grund dieser Verhandlung die Entscheidung zu erlassen ist. Über die Revision der erstbeklagten Partei ist damit derzeit nicht zu entscheiden, weshalb die Akten diesbezüglich unerledigt dem Erstgericht zurückzustellen sind (EvBl. 1979/115).

Die Revision der zweitbeklagten Partei befaßt sich zwar ausschließlich mit der Frage, ob die Vereinbarung über die Höhe der Zinsen, deren Festsetzung der klagenden Partei überlassen war, sittenwidrig sei, leitet aber daraus die Nichtigkeit des gesamten Kreditvertrages und die Unbegrundetheit des gesamten Klagsanspruches ab. Der Beschwerdegegenstand beschränkt sich damit nicht etwa auf Nebengebühren und damit auf einen den Wert einer Bagatellsache an Geld oder Geldeswert nicht übersteigenden Streitgegenstand oder Teil des Streitgegenstandes iS des § 502 Abs. 2 Z 3 ZPO. Die Revision des Zweitbeklagten ist also zulässig.

Die Revision lehnt die Rechtsansicht der Vorinstanzen über eine Anwendbarkeit des § 1056 ABGB ab. Diese Bestimmung sei nur auf den Kauf anwendbar, keinesfalls komme aber eine Anwendung dieser Bestimmung auf Darlehensgeschäfte in Betracht, da immerhin zur Zeit der Schaffung dieser Gesetzesbestimmung die früheren §§ 993 ff. ABGB über gesetzliche Beschränkungen des vertragsmäßigen Zinsfußes in Kraft gewesen seien. § 1056 ABGB passe auch deshalb nicht auf diesen Fall, weil die Bestimmung der Zinsen nicht einem Dritten, etwa der Oesterreichischen Nationalbank durch Festsetzung der jeweiligen Bankrate, sondern dem Kreditgeber selbst überlassen werde. Wenn man aber von der Gültigkeit der strittigen Klausel ausgehe, dann liege der Fall vor, daß die klagende Partei ohne entsprechende Gründe behauptet und bewiesen zu haben, einen ganz bestimmten Zinssatz willkürlich festgesetzt habe, was unwirksam sei. Eine Nachholung dieses versäumten Vorbringens durch eine Berufung auf dem Berufungsgericht bekannte Umstände sei nicht statthaft. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Position der klagenden Partei als Großbank bewirke die Ungültigkeit der Zinsenvereinbarung auch die Nichtigkeit des gesamten Kreditvertrages.

Es entspricht herrschender Auffassung, daß die Festlegung der Gegenleistung für eine Leistung nicht nur beim Kauf, sondern bei jedem Rechtsgeschäft iS des § 1056 ABGB nicht nur einer dritten bestimmten Person, sondern auch einer der Parteien übertragen werden kann. Eine solche Preisbestimmung durch eine Partei unterliegt jedoch richterlicher Kontrolle insofern, als eine Partei an eine grob unbillige Preisfestsetzung der anderen Vertragspartei nicht gebunden ist (Mayer - Maly in Klang[2] IV/2, 257 ff.; Koziol - Welser[5] I 180; JBl. 1980, 151; HS 9474/13; vgl. auch Arb. 9797 bezüglich der Festsetzung der Provision eines Tabakverlegers durch die Austria-Tabakwerke AG gemäß § 14 Abs. 4 TabMG oder 1 Ob 748, 749/77 bezüglich der Festsetzung des Mietzinses durch den Vermieter). Daß der klagenden Partei hinsichtlich der Höhe der Verzugszinsen ein Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt war, ist also nicht grundsätzlich sittenwidrig (vgl. dazu ausführlich Ulmer - Brandner - Hensen, AGB Komm.[4] Anhang §§ 9 bis 11, Rdz. 163 und 470).

Die aufgehobenen Bestimmungen der §§ 993 ff. ABGB enthielten wohl bestimmte Höchstgrenzen für Vertragszinsen, sagten aber über die Möglichkeit einer Bestimmung der Darlehenszinsen durch einen Darlehensgeber innerhalb der zulässigen Höchstgrenzen nichts aus. Da derzeit solche Höchstgrenzen nicht bestehen, kann die klagende Partei auch die von ihr begehrten Verzugszinsen verlangen, falls deren Bestimmung durch sie nicht mißbräuchlich erfolgt wäre.

Daß die Verzugszinsen von der klagenden Partei in Mißachtung der bestehenden Markt- und Kostenverhältnisse zu hoch bemessen worden wären, haben die beklagten Parteien in erster Instanz nicht eingewendet, weshalb die klagende Partei auch nicht genötigt war, hierzu besondere Prozeßbehauptungen aufzustellen. Im übrigen bedürfen offenkundige Tatsachen gemäß § 269 ZPO nicht nur keines Beweises, sondern allgemein bekannte Tatsachen sind vom Gericht einer Entscheidung auch dann zugrunde zu legen, wenn sie von keiner Partei vorgebracht wurden (RZ 1972, 52).

Da die beanstandete Verzugszinsenklausel somit nicht ungültig ist, ist nicht auf die Frage einzugehen, ob die Unwirksamkeit dieser Klausel die Unwirksamkeit des gesamten Kreditvertrages nach sich ziehen würde.

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