Spruch:
Maßregeln, auf die der Gläubiger nach dem zwischen den Parteien bestehenden Pachtverhältnis auch bei siegreicher Durchführung des Prozesses kein Recht hätte, darf er auch nicht einstweilen durchführen. Die Maßnahmen zur Erreichung des Zweckes einer einstweiligen Verfügung müssen sich im Rahmen des Antrages halten.
Entscheidung vom 22. Dezember 1954, 3 Ob 642/54.
I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Die klagende Partei hat mit der beklagten Partei einen Handelsvertretungsvertrag abgeschlossen, womit sie den Beklagten für ganz Österreich, ausgenommen Groß-Wien, mit der Alleinvertretung "für ihre sämtlichen Artikel an Kunstblumen" betraute. Nach Inhalt des Vertrages ist es dem Beklagten nicht gestattet, Kunstblumen jeglicher Art mitzuführen oder mit solchen Handel zu treiben, d. h. keine andere Firma in Kunstblumen zu vertreten.
Die klagende Partei behauptet eine Übertretung des vereinbarten Konkurrenzverbotes durch den Beklagten, worin angeblich zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG. gelegen sei, und beantragt, ihn schuldig zu erkennen: 1. den Handel mit Kunstblumen auf eigene Rechnung zu unterlassen, 2. den Gebrauch von Auftragsbüchern, die nicht von der klagenden Partei beigestellt werden, zu unterlassen und 3. den Vertrieb selbst erzeugter Kunstblumen zu unterlassen. Zur Vorbereitung eines Schadenersatzbegehrens wird außerdem ein Begehren auf Rechnungslegung über die für eigene Rechnung vom Beklagten verkauften Kunstblumen und über die daraus erzielten Gewinne und auf Eidesleistung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der gelegten Rechnung gestellt. Schließlich wird von der klagenden Partei unter Hinweis auf § 24 UWG. zur Sicherung ihres Anspruches wider den Beklagten auf Unterlassung des Handels mit Kunstblumen auf eigene Rechnung die gerichtliche Verwahrung der in der Gewahrsame des Beklagten in seiner Wohnung, in seinem Geschäftslokal, in seinem Kraftfahrzeug, in seinen Kleidern und bei einer von ihm beschäftigten Heimarbeiterin befindlichen Kunstblumen, die nicht von der klagenden Partei stammen, der Stanz- und Prägeeisen zur Erzeugung von Kunstblumen, der Auftragsbücher, Rechnungsformulare, Prospekte, Vormerkungen, Aufzeichnungen, Korrespondenzen und der Schriftstücke, die den Geschäftsverkehr mit Kunden und Lieferanten von Kunstblumen betreffen, welche nicht von der klagenden Partei stammen, begehrt.
Das Erstgericht erließ ohne vorherige Vernehmung des Beklagten die beantragte einstweilige Verfügung.
Infolge Rekurses der beklagten Partei wies das Rekursgericht die beantragte einstweilige Verfügung ab.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die einstweilige Verfügung ist, wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, eine Sicherungsmaßregel, welche die Exekution im voraus sichern soll gegen die Gefahr, daß die Exekution sonst vereitelt oder erschwert werden würde. Es soll durch vorläufige Maßnahmen verhindert werden, daß der Verpflichtete durch Verfügungen welcher Art immer den bevorstehenden Ausspruch des Richters seines praktischen Erfolges beraubt. Die einstweilige Verfügung hat nicht den Zweck, Erfüllung zu erzwingen oder etwaige Vertragsverletzungen zu verhindern, ihr Zweck ist nur, die Vereitlung der Durchsetzung des Anspruches zu verhindern oder die gefährdete Partei gegen eine Veränderung des gegenwärtigen Zustandes zu schützen, die für sie mit einem drohenden und unwiederbringlichen Schaden verbunden wäre.
Aus dem Wesen und Zweck der einstweiligen Verfügung folgt, daß die Provisorialmaßnahme immer im Rahmen des Hauptanspruches bleiben muß. Maßregeln, auf die der Gläubiger nach dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis auch bei siegreicher Durchführung des Prozesses kein Recht hätte, darf er auch nicht einstweilen durchführen. Es mag dahingestellt bleiben, ob in dem Verstoß gegen das vereinbarte Konkurrenzverbot nach den Umständen des vorliegenden Falles zugleich auch eine Sittenwidrigkeit im Sinne des UWG. gelegen ist. Jedenfalls gelten die obigen allgemeinen Grundsätze auch für Anträge nach § 24 UWG., in welcher Bestimmung bloß die Zulässigkeit von einstweiligen Verfügungen auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 381 EO. (Gefährdung des Anspruches) ausgesprochen ist, wodurch aber im Wesen der einstweiligen Verfügung nichts geändert wurde.
Im gegebenen Fall ist der Urteilsanspruch des Klägers darauf gerichtet, daß dem Beklagten der Handel mit Kunstblumen auf eigene Rechnung untersagt werde. Das Rekursgericht hat zutreffend ausgeführt, daß ein diesem Begehren stattgebendes Urteil dem Kläger bloß die Möglichkeit gäbe, es auf dem in § 355 EO. vorgezeichneten Weg vollstrecken zu lassen. Die klagende Partei könnte zur Durchsetzung des ersiegten Anspruches nicht die Verwahrung von Fahrnissen des Beklagten anordnen lassen, die sie jetzt einstweilen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Prozesses durchführen möchte. Eine solche Maßregel überschreitet die Grenzen, die sich aus der Natur der einstweiligen Verfügung ergeben. Es kann auch nicht gesagt werden, daß das beantragte Sicherungsmittel der gerichtlichen Verwahrung gleichsam als Minus in dem Unterlassungsanspruch enthalten wäre. Das Rekursgericht hat darum die begehrte einstweilige Verfügung mit Recht für unzulässig erachtet.
Die Meinung des Revisionsrekurses, es hätte an Stelle der beantragten einstweiligen Verfügung jedenfalls eine solche in Form eines "Zweitverbotes" erlassen werden müssen, ist verfehlt.
Wenn es auch richtig ist, daß die Wahl der Maßnahmen zur Erreichung des Zweckes der einstweiligen Verfügung dem freien Ermessen des Gerichtes überlassen ist, so müssen sich diese Maßnahmen doch immer im Rahmen des Antrages halten (§ 389 Z. 1 EO.). Nur innerhalb dieses Rahmens kann das Gericht frei wählen und ist nicht an die angeregte Maßnahme gebunden. Eine Maßnahme, die aber nicht auf der Linie des Antrages liegt und die der Gläubiger offenbar nicht haben will, darf das Gericht nicht bewilligen. Insoweit gilt § 405 ZPO. auch bei Erlassung von einstweiligen Verfügungen (vgl. 3 Ob 694/53 und 3 Ob 462/54).
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