OGH 3Ob628/54

OGH3Ob628/5422.9.1954

SZ 27/237

Normen

ZPO §134 Z1
ZPO §134 Z1

 

Spruch:

Zum Begriff "nicht wiedergutzumachender Schade" im Sinne des § 134 Z. 1 ZPO.

Zulässigkeit des Rekurses gegen den Erstreckungsbeschluß "auf unbestimmte Zeit".

Entscheidung vom 22. September 1954, 3 Ob 628/54.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht sprach zunächst die Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsklage 20 Cg 294/52 des Landesgerichtes für ZRS. Wien aus. Über Rekurs der Klägerin hob das Rekursgericht diesen Beschluß auf und trug dem Erstgerichte die Fortsetzung des Verfahrens auf.

Das Prozeßgericht beraumte nun mit Beschluß vom 9. März 1954 die Tagsatzung zur Streitverhandlung für den 1. Juli 1954 an, erstreckte aber diese Tagsatzung vor ihrer Abhaltung von Amts wegen mit Beschluß vom 30. Juni 1954 gemäß § 134 Z. 4 ZPO. auf unbestimmte Zeit, nachdem am gleichen Tage die Vertreter der erst- bis sechstbeklagten Partei dem Gericht die Einbringung eines Antrages auf Einleitung des Entmündigungsverfahrens gegen die Klägerin bei der Staatsanwaltschaft Wien in Aussicht gestellt hatten.

Das Rekursgericht hob auch diesen Beschluß des Prozeßgerichtes auf und trug dem letzteren die Fortsetzung des Verfahrens auf.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst war die Frage zu prüfen, ob der Klägerin überhaupt gemäß § 141 ZPO. ein Rechtsmittel gegen den Erstreckungsbeschluß zusteht, da die Erstreckung nicht auf mehr als vier Wochen, sondern auf unbestimmte Zeit verfügt wurde. Diese Frage ist zu bejahen, da die Erstreckung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Mitteilung der Vertreter der Erst- bis Sechstbeklagten, sie würden einen Antrag auf Einleitung eines Entmündigungsverfahrens gegen die Klägerin bei der Staatsanwaltschaft einbringen, ausgesprochen wurde, der Erstreckungsbeschluß daher seiner Wirkung nach einem Unterbrechungsbeschluß (Unterbrechung bis zur Entscheidung über den Entmündigungsantrag) gleichkommt. In einem solchen Fall ist aber ein Rekurs gegen den Erstreckungsbeschluß zulässig (SZ. III/63, ZBl. 1937, Nr. 281 und 387).

In der Sache selbst ist der Revisionsrekurs nicht begrundet. Es ist dem Rekursgericht beizupflichten, daß keiner der im § 134 ZPO. erschöpfend aufgezählten Erstreckungsgrunde vorliegt. Wenn der Revisionsrekurs darzutun versucht, daß die Fortsetzung der Verhandlung für eine der Parteien die Gefahr eines nicht wieder gutzumachenden Schadens bringen würde, so übersieht er, daß einerseits die Erstreckung nicht aus dem Gründe des § 134 Z. 1 ZPO., sondern aus dem der Z. 4 ausgesprochen wurde, der jedenfalls nicht vorliegt, und daß anderseits unter dem Begriff "nicht wieder gutzumachender Schade" im Sinne des § 134 Z. 1 ZPO. nicht die durch die Fortsetzung des Verfahrens auflaufenden Prozeßkosten, sondern Schäden zu verstehen sind, die einer Partei dadurch entstehen, daß die Tagsatzung an dem bestimmten Tag stattfindet, sei es, weil die Partei an diesem Tag nicht zur Tagsatzung erscheinen kann und hiedurch ein erheblicher Nachteil für diese Partei entstehen würde, oder weil die Abhaltung der Tagsatzung gerade an dem festgesetzten Termin für die Partei aus anderen Gründen mit nicht wiedergutzumachenden Nachteilen verbunden wäre. Der Antrag auf Einleitung eines Entmündigungsverfahrens gegen eine der Prozeßparteien stellt aber keinen der im § 134 ZPO. erschöpfend aufgezählten Erstreckungsgrunde dar, weshalb dem vollkommen unbegrundeten Revisionsrekurs der Erfolg versagt bleiben mußte.

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