Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben. Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei hat der beklagten Partei ein Geschäftslokal um einen monatlichen Mietzins von 4.000 S zuzüglich 400 S Umsatzsteuer, fällig am Ersten eines jeden Monats bei Einräumung eines zehntägigen Respiros, untervermietet.
Zur Auflösbarkeit des Bestandverhältnisses enthält der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vertrag folgende Regelungen:
"V. Kündigung:
Das Untermietverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Der Untervermieter verzichtet auf die Dauer von zehn Jahren auf eine Kündigung. Darüberhinaus kann der Untervermieter das Untermietverhältnis jeweils zum Quartal bei Einhaltung einer dreimonatigen KÜndiugungsfrist nur aus folgenden Gründen gerichtlich aufkündigen (§ 33 MRG).
1. Wenn durch die Fortsetzung der Untermiete wichtige Interessen des Untervermieters verletzt werden würden.
- 2. Bei Eigenbedarf des Untervermieters (§ 30 Abs. 2 Z 12 MRG).
- 3. Wenn der Untermieter trotz eingeschriebener Mahnung und Setzung einer Nachfrist von vier Wochen mit mehr als zwei Monatsmieten im Rückstand ist.
VI. Aufhebung des Vertrages:
Überdies kann die vorzeitige Aufhebung des Vertrages von beiden Vertragsparteien unabhängig voneinander erklärt werden, wenn über das Vermögen ein Konkurs- oder Ausgleichsverfahren eröffnet oder der Antrag auf Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wird." Punkt VII des Vertrages regelt für Umbauten:
"Der Untermieter ist berechtigt, die Bestandsräumlichkeiten für seinen Zweck umzubauen und abzuändern. Der Untermieter nimmt zur Kenntnis, daß der vordere Teil des Hauses unter Denkmalschutz steht. Sämtliche Investitionen und bauliche Umgestaltungen, ...., gehen auf Kosten des Untermieters ...." Punkt IX des Vertrages regelt für Untervermietung:
"Der Hauptmietvertrag des Untervermieters .... wurde nicht mit
diesen sondern mit der Firma B*** .... abgeschlossen. Die Firma B***
(= klagende Partei) ist durch Firmenumwandlung in die Hauptmietrechte eingetreten und versichert, ebenfalls Inhaber der Hauptmietrechte zu sein ...." Punkt X des Vertrages enthält die Bedingung:
"Dieser Vertrag ist aufschiebend bedingt durch die Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung durch den Magistrat der Stadt Wiener Neustadt gemäß § 74 ff GewO für die Errichtung eines Gastgewerbebetriebes im Obergeschoß. Um diese Betriebsanlagengenehmigung wird vor Übergabe des Objektes vom Untermieter eingereicht." Mit einer am 29.6.1989 eingelangten Klage begehrte die klagende Partei die Zahlung des Mietzinsrückstandes für die Monate Mai und Juni 1989 in Höhe von zusammen 8.800 S, erklärte in der Klage die Aufhebung des Mietvertrages wegen des trotz Mahnung aufgelaufenen Mietzinsrückstandes und begehrte die Räumung des Bestandgegenstandes.
In der Tagsatzung vom 21.9.1989 machte die klagende Partei auch den Mietzinsrückstand für die Monate Juli bis September 1989 geltend, sodaß insgesamt 22.000 S begehrt wurden.
Die beklagte Partei anerkannte den Mietzinsrückstand, worüber ein Teilanerkenntnisurteil erging, und bezahlte sogleich den anerkannten Betrag.
In der Tagsatzung vom 7.12.1989 behauptete die klagende Partei, daß inzwischen der Mietzins für die Monate Oktober bis Dezember 1989 in Höhe von zusammen 13.200 S offen sei, und begehrte unter Aufrechterhaltung des Räumungsbegehrens diesen Betrag. Das Räumungsbegehren stützte die klagende Partei im Verlaufe des Prozesses neben dem Mietzinsrückstand auch auf nachteiligen Gebrauch. Die beklagte Partei habe ohne die erforderlichen behördlichen Bewilligungen eigenmächtige Veränderungen am Mietgegenstand vorgenommen (Errichtung eines Lüftungsschachtes, Anbringung neuer Fenster) und benütze die Dachterrasse als Lagerraum. Die "übrigen Miteigentümer" hätten dies beanständet und der klagenden Partei mit einer Ausschlußklage gedroht. Die klagende Partei habe die beklagte Partei erfolglos aufgefordert, die Mißstände zu beheben. Schließlich stützte sich die klagende Partei auch noch darauf, daß die beklagte Partei entgegen Punkt X des Mietvertrages keine Betriebsgenehmigung habe.
Die beklagte Partei wendete zum Mietzinsrückstand ein, daß sie am Zahlungsverzug kein grobes Verschulden treffe, weil dieser nur infolge einer vorübergehenden gewerbebehördlichen Maßnahme und wegen zu hoher Investitionen entstanden sei. Das Räumungsbegehren sei auch wegen Punkt V des Mietvertrages unberechtigt, weil keine Nachfrist gesetzt worden sei. Der klagenden Partei fehle die aktive Klagslegitimation, weil sie nicht Hauptmieterin sei. Ein nachteiliger Gebrauch liege nicht vor. Auf die fehlende Betriebsgenehmigung könne sich die klagende Partei nicht berufen, weil sie durch ihr ausgedehntes Mietzinsbegehren auf die hier im Vertrag vorgesehene Bedingung verzichtet habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren voll statt.
Es war der Ansicht, daß Punkt V des Mietvertrages nur die Kündigung regle und nicht die Aufhebung gemäß § 1118 ABGB betreffe. Der Mietzinsrückstand stehe fest. Ob die beklagte Partei am Zahlungsrückstand ein grobes Verschulden treffe, müsse nicht geprüft werden, weil sie den offenen Betrag nicht vor Schluß der Verhandlung entrichtet habe. Zur aktiven Klagslegitimation verwies das Erstgericht auf Punkt IX des Mietvertrages.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes nur im Zahlungsbegehren, änderte es jedoch im übrigen dahin ab, daß das Räumungsbegehren abgewiesen wurde. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Das Berufungsgericht bejahte gleich dem Erstgericht die aktive Klagslegitimation, war jedoch der Auffassung, daß die Streitteile durch Punkt V des Mietvertrages auf die Möglichkeit einer Aufhebung des Mietvertrages gemäß § 1118 zweiter Fall ABGB verzichtet hätten. § 1118 ABGB enthalte nachgiebiges Recht. Die Vereinbarung bestimmter Modalitäten für eine Kündigung wegen Mietzinsrückstandes bedeute aber, daß nur mehr unter Einhaltung dieser Modalitäten gekündigt werden könne. Die Geltendmachung des nachteiligen Gebrauches sei hingegen nicht ausgeschlossen worden. Das Vorbringen der klagenden Partei reiche hier aber nicht aus, um einen solchen nachteiligen Gebrauch, nämlich eine Substanzgefährdung oder die Beeinträchtigung sonstiger wichtiger Interessen des Bestandgebers zu erkennen. Die Möglichkeit einer Substanzschädigung werde überhaupt nicht behauptet. Es werde auch keine grundlegende Umgestaltung des Bestandgegenstandes geltend gemacht. Das Fehlen einer gewerbebehörlichen Genehmigung könne keinen Bestandgeberinteressen zuwiderlaufen. Die Berufung auf die übrigen Miteigentümer besage nicht, daß die von ihnen vielleicht angedrohte Teilungsklage berechtigt sei. Auf die Geltendmachung der im Punkt X des Mietvertrages enthaltene Nichterfüllung einer Bedingung habe die klagende Partei durch ihr bisheriges Festhalten am Mietvertrag konkludent verzichtet.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen die Abweisung des Räumungsbegehrens ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig, weil die Annahme des Ausschlusses einer Klage nach § 1118 zweiter Fall ABGB der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht entspricht; sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.
Die Bestimmungen des § 1118 ABGB sind zwar - außer im Schutzbereich des MRG zulasten des Mieters - dispositives Recht (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 7 zu § 1118; MietSlg 27.209, 35.216); ein Verzicht des Eigentümers auf das Recht der sofortigen Vertragsauflösung nach § 1118 ABGB kann aber nur angenommen werden, wenn er sich aus den zwischen den Vertragsparteien abgeschlossenen Vereinbarungen ausdrücklich oder iSd strengen Voraussetzungen nach § 863 ABGB konkludent ergibt. Selbst eine vereinbarte Unkündbarkeit schließt das Aufhebungsbegehren nach § 1118 ABGB nicht aus (MietSlg 23.181). Auch wenn die Kündigungsmöglichkeit zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, aber für einen bestimmten Fall beschränkt wird, kann trotzdem die Aufhebung des Vertrages nach § 1118 ABGB verlangt werden (MietSlg 3.728). Nur wenn die Parteienabsicht dahin ginge, das Bestandverhältnis im Fall eines Mietzinsrückstandes ausschließlich durch Aufkündigung zur Auflösung zu bringen, wenn also die Parteien für diesen Fall statt des § 1118 ABGB nur die Möglichkeit der Kündigung unter den im Vertrag geregelten Modalitäten vereinbart hätten, würde damit die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 1118 ABGB für diesen Fall ausgeschlossen (MietSlg 29.180).
Dieser Grundsatz wird in der Entscheidung des Berufungsgerichtes
(ähnlich die Entscheidung des LGZ Wien in MietSlg 39.162) insofern
teilweise verkannt, als aus der Vereinbarung gewisser Modalitäten,
unter denen eine Kündigung wegen Mietzinsrückstandes begehrt werden
kann, noch nicht der gänzliche Ausschluß des Rechtes auf
Geltendmachung des Aufhebungsgrundes nach § 1118 zweiter Fall ABGB
folgt. Der von der zweiten Instanz geprägte Rechtssatz, wegen der
vereinbarten Modalitäten für eine Kündigung wegen
Mietzinsrückstandes könne nur mehr gekündigt, nicht aber die
Vertragsaufhebung begehrt werden, ist somit nicht zutreffend.
Unrichtig ist allerdings auch der Standpunkt des Erstgerichtes, daß sich die vereinbarten Modalitäten nur auf die Kündigung bezögen und bei einem Aufhebungsbegehren überhaupt ohne Belang wären:
Wenn in einem Mietvertrag vorgesehen ist, daß erst ein Mietzinsrückstand von mehr als zwei Monatsmieten und dies überdies erst nach eingeschriebener Mahnung und Setzung einer Nachfrist von vier Wochen zur Kündigung berechtige, dann ist dies nach der Übung des redlichen Verkehrs (§ 863 Abs. 2 ABGB) objektiv so zu verstehen, daß vor dem Eintritt eines solchen, über § 1118 ABGB hinaus qualifizierten Mietzinsrückstandes weder das Kündigungsrecht noch das Aufhebungsrecht zustehen sollte. Andernfalls wäre die Vertragsbestimmung ohne jede wirkliche Bedeutung.
Ein solcher, der Vereinbarung entsprechender qualifizierter Mietzinsrückstand lag aber hier bei Schluß der Verhandlung erster Instanz nie vor. Als die Klage erhoben wurde, waren erst zwei Monatsmieten rückständig. Mit der eine Mahnung ersetzenden Klage (MietSlg 34.264) wurden daher noch nicht "mehr als zwei Monatsmieten" eingemahnt.
Als die erste Klagsausdehnung erfolgte, wurden erstmals fünf Monatsmieten geltend gemacht und damit eingemahnt. Jetzt erfolgte aber die sofortige Zahlung, sodaß das Erfordernis der Nichteinhaltung einer Nachfrist trotz Mahnung nicht erfüllt war. Mit der zweiten Klagsausdehnung wurden zwar mehr als zwei, nämlich drei Monatsmieten eingemahnt; da die Verhandlung aber am selben Tag geschlossen wurde, kam es wiederum nicht mehr zur wenigstens tatsächlichen Einräumung einer vierwöchigen Nachfrist, ohne daß geprüft werden müßte, ob eine solche tatsächliche Gewährung der Nachfrist überhaupt ausreichend wäre.
Im Ergebnis hat damit das Berufungsgericht zutreffend das auf den Mietzinsrückstand gestützte Räumungsbegehren abgewiesen. Auch das auf § 1118 erster Fall ABGB gestützte Räumungsbegehren hat das Berufungsgericht zutreffend als unberechtigt erkannt. Ein erheblich nachteiliger Gebrauch im Sinne der Gesetzesstelle liegt zwar nicht nur vor, wenn durch eine wiederholte längerwährende vertragswidrige Benützung des Mietgegenstandes oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstandes erfolgte oder auch nur drohte (MietSlg 34.412); sondern er kann auch dann gegeben sein, wenn durch das Verhalten des Mieters wichtige wirtschaftliche oder sonstige Interessen des Vermieters verletzt werden (MietSlg 31.353).
Mit Recht geht das Berufungsgericht aber davon aus, daß durch die von der klagenden Partei behaupteten Baumaßnahmen solche Interessen noch nicht beeinträchtigt werden. Auf eine fehlende Zustimmung kann sich die klagende Partei nicht berufen, weil die beklagte Partei gemäß Punkt VII des Mietvertrages berechtigt ist, die Bestandräumlichkeiten für ihre Zwecke umzubauen und abzuändern. Inwiefern hier ein Eingriff in die Rechte der "übrigen Miteigentümer" gegeben sein könnte, wurde von der klagenden Partei nie konkret dargestellt. Nach dem Inhalt des dazu vorgelegten Beanstandungsschreibens der Hausverwaltung wird von der klagenden Partei nur verlangt, es möge auf die beklagte Partei eingewirkt werden, daß künftighin keine konsenslosen Bauarbeiten durchgeführt würden. Auf solche neuen Baumaßnahmen hat sich aber die klagende Partei nie gestützt, und aus den bisher vorgenommenen Arbeiten drohen offenbar noch keine besonderen Nachteile. Es ist daher derzeit noch nicht die Gefahr gegeben, daß der klagenden Partei aus dem Verhalten der beklagten Partei ernste Probleme entstehen, denen zumutbarerweise nicht mit einem gewÄhnlichen Abhilfeverlangen, sondern nur mit einer Aufhebung des Mietvertrages begegnet werden kann.
Die wegen Nichterfüllung einer Bedingung (Punkt X des Mietvertrages) eingetretene Unwirksamkeit des Vertrages wird von der klagenden Partei im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht, sodaß es genügt, hier auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Soweit die klagende Partei in ihrer Revision den Versuch unternimmt, auch in der gewerberechtlich nicht gedeckten Führung des von der beklagten Partei in den Bestandräumlichkeiten betriebenen Unternehmens einen erheblich nachteiligen Gebrauch zu erblicken, ist darauf zu verweisen, daß hier keine Nachteile für die klagende Partei zu erwarten sind. Anders wäre dies nur, wenn die klagende Partei der beklagten Partei ein lebendes Unternehmen verpachtet hätte, dessen Ruf geschädigt werden könnte. So aber kann es der klagenden Partei gleichgültig sein, ob die beklagte Partei für ihren Betrieb die erforderlichen behördlichen Genehmigungen hat. Da die obsiegende beklagte Partei keine Revisionsbeantwortung erstattet hat, gründet sich der Kostenausspruch auf §§ 40 und 50 ZPO.
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