OGH 3Ob595/54

OGH3Ob595/5424.11.1954

SZ 27/299

Normen

ABGB §888
ABGB §891
ABGB §1165
ABGB §888
ABGB §891
ABGB §1165

 

Spruch:

Wenn mehrere Personen jemanden einen Auftrag zur Erbringung von Leistungen auf Grund eines einheitlichen Vertrages erteilen, so haften sie alle zur ungeteilten Hand aus diesem Vertrage für die daraus sich ergebenden Verpflichtungen.

Eine Solidarhaftung tritt auch dann ein, wenn eine solche in der Parteiabsicht oder nach der Verkehrssitte begrundet ist.

Entscheidung vom 24. November 1954, 3 Ob 595/54.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger begehrte die Verurteilung beider Beklagten zur ungeteilten Hand zur Bezahlung eines Betrages von 45.420 S samt 5% Zinsen seit 1. Juli 1949 als aushaftenden Werklohn für über Auftrag beider Beklagten geleistete Wiederaufbauarbeiten an dem der Zweitbeklagten gehörigen Hause in Wien X. Das Klagebegehren wurde im Zuge des Rechtsstreites zuerst auf 65.881.03 S erweitert und dann wieder auf den ursprünglichen Betrag eingeschränkt.

Das Prozeßgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich eines Betrages von 65.881.03 S gegen die Zweitbeklagte statt und wies das Mehrbegehren und das Klagebegehren gegen den Erstbeklagten ab. Das Berufungsgericht hob das Urteil gegen den Erstbeklagten auf, trug dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung gegen den Erstbeklagten auf und bestätigte das Urteil hinsichtlich der Zweitbeklagten mit der Abänderung, daß dem Kläger 5% Zinsen vom zugesprochenen Betrag vom 1. Juli 1949 zuerkannt werden. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Zweitbeklagten Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen hinsichtlich der Zweitbeklagten auf und verwies die Rechtssache im Umfange der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurück.

Nun verurteilte das Prozeßgericht beide Beklagten zur ungeteilten Hand zur Bezahlung eines Betrages von 34.711.83 S samt 5% Zinsen seit 1. Juli 1949 an den Kläger wobei es die Gegenforderung der Beklagten als mit dem Betrage von 684.17 S zu Recht bestehend erkannte.

Es stellte fest, daß der Erstbeklagte, der wegen seines im wiederaufzubauenden Hause gelegenen Kaffehausbetriebes ein besonderes Interesse an dem Wiederaufbau hatte, als Besteller im eigenen Namen und namens der Zweitbeklagten auftrat und dem Kläger den Auftrag zur Erbringung der gegenständlichen Leistungen erteilte, daß die Arbeiten auf Grund eines Kostenvoranschlages durchgeführt wurden, der auf einem Höchstbetrag von 190.650 S lautete, daß andere Vereinbarungen nicht getroffen wurden und daß die vom Kläger in Rechnung gestellten Arbeiten den im Kostenvoranschlag enthaltenen Ansätzen entsprechen und auch tatsächlich geleistet wurden, daß der Kostenvoranschlag über den Betrag von 67.200 S, in welchem verschiedene vom Kläger erbrachte Leistungen nicht vorgesehen waren, nur zum Zwecke der Vorlage an die Baubehörde verfaßt wurde und lediglich einen Auszug aus dem Kostenvoranschlag über 190.650 S darstellt, schließlich daß die Rechnung bereits am 1. Juli 1949 gelegt wurde und daß daher von diesem Tag als dem Tage der Fälligkeit an Zinsen zuzusprechen seien. Hinsichtlich der von den Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen für vom Kläger weggebrachtes Baumaterial stellte das Prozeßgericht fest, daß der Wert dieses Baumaterials 684.17 S beträgt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes in der Hauptsache und änderte es lediglich im Kostenausspruch und hinsichtlich der Höhe der Verzugszinsen dahin ab, daß solche nur in der Höhe von 4% zugesprochen werden, da kein beiderseitiges Handelsgeschäft vorliegt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Soweit die Revision eine Nichtigkeit des Geschäftes darin erblicken will, daß der Kläger über den Betrag von 67.200 S hinaus Arbeiten verrichtet habe, ohne eine baubehördliche Genehmigung für diese Arbeiten zu besitzen, so übersieht sie, daß Nichtigkeit der Vereinbarung von den Beklagten in erster Instanz gar nicht eingewendet wurde, die Vereinbarung als solche auch nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstößt und der Mangel der baubehördlichen Genehmigung nicht die Nichtigkeit des Werkvertrages über die Bauführung zur Folge haben kann zumal die Beschaffung der baubehördlichen Genehmigung Sache des Bauherrn und nicht des Bauführers ist, sofern nicht das Gegenteil vereinbart wurde, was die Beklagten nicht einmal behauptet haben.

Was endlich die von den Untergerichten angenommene Solidarhaftung anlangt, so entsteht zwar nach dem Wortlaut des § 891 ABGB. diese nur dadurch, daß sich einer für alle und alle für einen ausdrücklich verbinden, doch versteht der Sprachgebrauch des Gesetzes unter dem Wort "ausdrücklich" nicht expressis verbis, sondern "deutlich, erkennbar, offenbar, klar". Wenn daher mehrere Personen jemandem einen Auftrag zur Erbringung von Leistungen auf Grund eines einheitlichen Vertrages erteilen, so verlangt Treu und Glauben des redlichen Geschäftsverkehrs, daß sie alle zur ungeteilten Hand aus diesem Vertrage für die daraus sich ergebenden Verpflichtungen aufkommen. Eine Solidarhaftung tritt auch ohne besondere Vereinbarung oder gesetzliche Anordnung immer dann ein, wenn eine solche Haftung in der Parteiabsicht oder nach der Verkehrssitte begrundet ist (ZBl. 1931 Nr. 195, 1932 Nr. 41, RZ. 1933 S. 228, 1934 S. 33, 2 Ob 726/51 u. a. m.). Es war daher, da nach den Feststellungen der Untergerichte der Bauauftrag von beiden Beklagten ausgegangen ist, der Ausspruch der Solidarverpflichtung beider Besteller zur Bezahlung der Kosten des Wiederaufbaues gerechtfertigt.

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