OGH 3Ob587/52

OGH3Ob587/525.11.1952

SZ 25/294

Normen

ABGB §863
ABGB §1063
AO §10
ABGB §863
ABGB §1063
AO §10

 

Spruch:

Eine stillschweigende Vereinbarung des Eigentumsvorbehaltes an der gelieferten Ware ist anzunehmen, wenn bei längerer Geschäftsverbindung Fakturen und Lieferscheine immer wieder einen diesbezüglichen Vermerk enthalten und der Käufer dies stillschweigend hinnimmt.

Der Eigentumsvorbehalt an zur Weiterveräußerung bestimmten Sachen bis zu ihrer Weiterveräußerung ist rechtlich möglich.

Entscheidung vom 5. November 1952, 3 Ob 587/52.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende Partei hat der beklagten Partei Stoffe gegen Eigentumsvorbehalt verkauft und geliefert. Die beklagte Partei hat das Ausgleichsverfahren angemeldet. Deshalb verlangt die klagende Partei in Ausübung ihres Eigentumsvorbehaltes die Herausgabe der noch nicht bezahlten Waren und, soweit sie nicht mehr vorhanden sind, ihre Bezahlung.

Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab, da ein Eigentumsvorbehalt weder ausdrücklich noch stillschweigend vereinbart worden sei.

Das Berufungsgericht erkannte mit Teilurteil im Sinne des Herausgabebegehrens, hob aber hinsichtlich des Zahlungsanspruches und im Kostenpunkte das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung zur Fortsetzung der Verhandlung und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Beklagte seit dem Jahre 1950 mit der klagenden Partei in Geschäftsverbindung steht und bis zu dem klagsgegenständlichen Geschäft schon vorher mit ihr fünf oder sechs gleichartige Geschäfte getätigt hat. Die Ware wurde stets mit den gleichen Liefer- und Gegenscheinen (konform dem Liefer- und Gegenschein für das gegenständliche Geschäft vom 7. November 1951) geliefert. Der Lieferschein sowie der Gegenschein enthält unter anderem den deutlich lesbaren, gedruckten Vermerk: "Die Ware bleibt bis zur endgültigen Bezahlung unser alleiniges Eigentum". Dieser Vermerk befindet sich auch auf den Fakturen. Dem Beklagten war im Zeitpunkt der gegenständlichen Geschäftsabwicklung bekannt, daß sich auf den für ihn bestimmten Geschäftspapieren der klagenden Partei die Klauseln über den Eigentumsvorbehalt befinden.

Entgegen der Meinung des Erstgerichtes war das Berufungsgericht der Ansicht, daß schon infolge der unbeanstandeten Annahme des Lieferscheines der Klägerin und ihrer Fakturen, auf denen sich nach obigen Feststellungen jedesmal die bezogene Eigentumsvorbehaltsklausel befunden hat, seitens des Beklagten während der länger dauernden Geschäftsverbindung der Parteien der Eigentumsvorbehalt als zwischen den Parteien stillschweigend (§ 863 ABGB.) vereinbart anzunehmen sei. Der Hinweis des Erstgerichtes auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24. Oktober 1951, 2 Ob 685/51, EvBl. 1951 Nr. 485, greife nach Ansicht des Berufungsgerichtes deshalb nicht durch, weil in dieser Entscheidung nur ausgesprochen wurde, daß Vertragsbestimmungen in eine Faktura nicht gehören und deshalb in der Regel die Unterlassung des Widerspruches gegen in eine Rechnung aufgenommene Vertragsbestimmungen nicht als stillschweigende Zustimmung nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten angesehen werden könne. Im gegenständlichen Fall sei der Eigentumsvorbehalt nicht nur in den Fakturen, sondern auch in den Lieferscheinen ausgedrückt worden, und zwar konstant während der länger dauernden Geschäftsverbindung der Parteien. Auch die sonstigen vom Beklagten gegen die Annahme eines wirksamen Eigentumsvorbehaltes geäußerten Bedenken hielt das Berufungsgericht für nicht begrundet. Es treffe keineswegs zu, daß der Beklagte die Ware infolge des Eigentumsvorbehaltes nicht hätte bestimmungsgemäß verwenden können. Der Eigentumsvorbehalt an den von der Klägerin an den Beklagten gelieferten und zur Weiterveräußerung in seinem Betrieb bestimmten Waren sei nur bis zum Zeitpunkt dieser Weiterveräußerung als wirksam anzusehen (SZ. XVIII/92).

Das Revisionsgericht stimmt der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes in allen Punkten zu.

Es ist nicht richtig, daß diese Rechtsansicht mit der Lehre und neueren Rechtsprechung in Widerspruch stunde, wie die Revision vermeint. Auf die Entscheidung 2 Ob 685/51 kann sich die Revision deshalb mit Erfolg nicht berufen, weil diese einen anderen Sachverhalt zur Grundlage hat. Es wird dort lediglich die Rechtsansicht geäußert, daß durch einen bloßen Fakturenvermerk der Empfänger der Faktura nicht ohne weiteres verpflichtet werden kann. Im vorliegenden Fall standen aber die Parteien durch längere Zeit in Geschäftsverbindung; sie haben mehrere gleichartige Geschäfte miteinander abgewickelt und es enthielten nicht nur die Fakturen, sondern auch die Lieferscheine jedesmal den deutlich sichtbaren Vermerk über den Eigentumsvorbehalt. Bei dieser Sachlage verstößt es keineswegs gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, wenn die klagende Partei es unterließ, den Beklagten auf diese Vermerke noch ausdrücklich aufmerksam zu machen. Es muß vielmehr vom Beklagten, der die Klauseln über den Eigentumsvorbehalt gelesen und gekannt hat, verlangt werden, daß er sie beanstandete, wenn er mit ihnen nicht einverstanden war. Hat aber der Beklagte sie stillschweigend hingenommen, obwohl er nach den Regeln des redlichen Verkehrs zu einem Widerspruch dagegen verpflichtet war, dann hat er sie gebilligt und es sind diese Klauseln Vertragsinhalt geworden (§ 863 ABGB.).

In ihren weiteren Ausführungen vertritt die Revision die Auffassung, daß ein Eigentumsvorbehalt an verkauften und zur Weiterveräußerung bestimmten Waren rechtlich nicht möglich sei. Die Revision ist jedoch nicht in der Lage, stichhältige Gründe für ihren Standpunkt vorzubringen und dadurch die gegenteilige Meinung des Berufungsgerichtes zu entkräften. Das Revisionsgericht sieht sich nicht veranlaßt, von der in der Entscheidung SZ. XVIII/92 ausführlich begrundeten Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes abzugehen, daß bei einem Borgkauf (§ 1063 ABGB.) ein Eigentumsvorbehalt auch an zur Weiterveräußerung bestimmten Sachen bis zu ihrer Weiterveräußerung zulässig ist. Nur ein über diesen Zeitpunkt hinaus bedungener Eigentumsvorbehalt könnte keine Rechtswirkungen äußern. Ein solcher Art vereinbarter Eigentumsvorbehalt wird aber weder behauptet, noch wird hierauf der Herausgabeanspruch der klagenden Partei gestützt. Diese hat vielmehr in richtiger Beurteilung der Sach- und Rechtslage ihren Herausgabeanspruch auf jene Waren eingeschränkt, die sich noch unveräußert in der Gewahrsame des Beklagten befinden. Der in Ansehung dieser von der beklagten Partei noch nicht bezahlten Waren gegenwärtig noch wirkende Eigentumsvorbehalt gibt aber, wie bereits das Berufungsgericht treffend ausgeführt hat, der klagenden Partei in dem nunmehr von der beklagten Partei eingeleiteten Ausgleichsverfahren ein Aussonderungsrecht (vgl. Bartsch - Pollak, § 10 AO., Anm. 40, und SZ. XVIII/144).

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