Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.623,04 (darin S 603,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der beklagte V*** stellt für sportliche Aktivitäten im Winter eine auf einer Privatstraße der Bundesforste in Grundlsee-Gößl präparierte Naturrodelbahn zur Verfügung, die allgemein frei zugänglich ist und von jedermann unentgeltlich benützt werden kann. Diese Rodelbahn wird abends beleuchtet. Die Leuchten sind in Abständen von etwa 70 Metern in 5 Meter Höhe an Bäumen befestigt. Die letzte dieser Leuchten ist etwa 1,5 Meter nördlich des im Winter offenstehenden Schrankens der Forststraße angebracht. An einem Baum 7,5 Meter vor dem Schranken war eine Tafel mit der Aufschrift "Ende der Rodelbahn" befestigt. Die Forststraße war nur bis in den Bereich von etwa 22 Metern vor dem offenen Schranken als Rodelbahn präpariert. Die Forststraße ist etwa 5 Meter breit und fiel mit rund 10 % Gefälle ab. Etwa 5 Meter südlich des Schrankens zweigt der Zufahrtsweg zum nahegelegenen Gasthaus ab, wo bei Bedarf Rodelschlitten gegen ein Entgelt von S 15,- für die Stunde vermietet werden. An der Forststraße südlich des Schrankens bildet eine 80 Meter lange und rund 5,5 Meter breite Ausbuchtung einen Parkplatz.
Am 4.Jänner 1987 kam der 1965 geborene Kläger mit einer Gruppe Jugendlicher aus der Bundesrepublik, die in der Jugendherberge in Bad Aussee einen Winterurlaub verbrachten, und vier Betreuern zu der Rodelbahn des beklagten V***. Der Kläger und einige andere Teilnehmer besorgten sich bei der Wirtin des etwa 60 Meter von der Rodelbahn entfernt gelegenen Gasthauses Schlitten, wofür S 600,- kassiert wurden. Die Einnahmen aus der Vermietung der Rodeln führt der Wirt an den beklagten V*** ab.
An diesem Abend stellte ein Besucher, der in dem Gasthaus an einem Kartenspielturnier teilnahm, seinen Personenkraftwagen Renault 14 etwa 13 Meter südlich des Schrankens unbeleuchtet zum Parken so ab, daß das Fahrzeug mit dem rechten Heck am weitesten in die Forststraße reichte.
Bei einer Fahrt des Klägers mit dem gemieteten Einzelschlitten stieß er mit dem Bauch auf dem Gerät liegend gegen die rechte hintere Ecke des abgestellten Personenkraftwagens und zog sich Verletzungen im Gesicht, den Verlust zweier Zähne und Prellungen zu. Der Kläger erhob Klage gegen den beklagten V*** und begehrte die Zahlung eines Schmerzengeldes von S 40.000,- und die Feststellung der Haftung für alle ihm künftig aus dem Rodelunfall entstehenden Schäden. Er habe die Rodelbahn gegen Entgelt benützt. Die beklagte Partei hafte aus dem Benützungsvertrag, weil sie das Abstellen des Personenkraftwagens im Auslaufbereich der Bahn nicht verhindert habe. Es treffe die beklagte Partei auch eine allgemeine Verkehrssicherungspflicht. Sie habe dafür zu sorgen gehabt, daß die Benützung der Rodelbahn ohne Gefährdung der Sportler erfolgen könne, und sich im Auslauf kein Hindernis befinde.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Rodelbahn sei für jedermann frei zugänglich und unentgeltlich benützbar gewesen. Der Unfall habe sich eine Strecke nach dem durch eine Hinweistafel bezeichneten Ende der Rodelbahn auf dem öffentlichen Parkplatz ereignet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 50.000,- übersteigt und daß die ordentliche Revision zulässig sei.
Beide Instanzen gingen im wesentlichen von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus und meinten, es sei kein Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen, weil das Entgelt allein für die Zurverfügungstellung der Schlitten, nicht aber für die Benützung der Bahn geleistet wurde und die Rodelbahn von jedermann mit eigenen Schlitten unentgeltlich benützt, mit einem in dem Gasthaus gemieteten Schlitten aber auch anderswo gefahren werden konnte. Daran ändere der Umstand nichts, daß der Wirt die Einnahmen aus der Schlittenvermietung dem beklagten V*** zur Verfügung stelle. Es komme nur eine Haftung nach § 1319 a ABGB in Betracht, weil die beklagte Partei den Weg (die Rodelbahn) für die allgemeine Benützung eröffnet und damit die Benützung als Rodelbahn ermöglicht habe. Diese Haftung sei aber auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit beschränkt, an der es mangle. Das Ende der präparierten Bahn sei für jeden Benützer unschwer erkennbar gewesen und das Gefälle von (nur) 10 % habe zwar das Weiterfahren über den präparierten und durch die bei der ungünstigen Beleuchtung nicht deutlich sichtbare Aufschrift als Rodelbahn abgeschlossenen Teil der Forststraße ermöglicht, doch seien keine übertriebenen Anforderungen an die Sicherungspflicht des Rodelbahnhalters zu stellen. In der Unterlassung einer Absicherung eines Geländes nach dem Schranken oder der Vorverlegung des Endes der Rodelbahn mit deutlicher Kennzeichnung liege noch kein grober Sorgfaltsverstoß.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Sein Versuch, eine vertragliche Haftung des beklagten V*** aus der Anmietung von Rodeln bei dem Wirt des nahegelegenen Gasthauses abzuleiten, scheitert daran, daß nach den Tatsachenfeststellungen die Rodelbahn der Allgemeinheit gratis und daher im Interesse des Fremdenverkehres unentgeltlich zur Benützung angeboten wurde, während ein Entgelt nur von Personen zu entrichten war, die über keine eigene Rodel verfügten und daher die Vermietung dieses Geräts durch den Wirt in Anspruch nehmen mußten. Das Mietentgelt kann, auch wenn es letztlich der beklagten Partei zukam, nicht als Gegenleistung für die freie Nutzung der Rodelbahn angesehen werden. Der Fall, daß einzelne Personen einer Gruppe mit "Freikarten" auf Liftanlagen befördert werden, wenn die übrigen Mitglieder der Gruppe das Entgelt für die Beförderung entrichten, ist mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht vergleichbar, weil kein Benützer der Rodelbahn dafür ein Entgelt zu leisten hatte. Dem Berufungsgericht ist aber auch insoweit kein Rechtsirrtum vorwerfbar, als es die Voraussetzungen der Haftung nach § 1319 a ABGB vermißte. Für den Ersatz des Schadens, der durch den mangelhaften Zustand eines Weges verursacht wurde, haftet der für den ordnungsgemäßen Zustand des Weges als Halter Verantwortliche nur, soweit er oder einer seiner Leute den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat. Diese in der Interessensneutralität des Wegehalters begründete Haftungseinschränkung ist nicht unsachlich und mit der Verfassung in Einklang (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 13 zu § 1319 a ABGB) und führt zur Haftungsfreiheit, wenn nicht ein objektiv schwerer Verstoß gegen die nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt vorliegt, der auch subjektiv schwer anzulasten ist (Reischauer aaO Rz 16; Koziol,
Haftpflichtrecht2 II 202 und I, 131; ZVR 1986/11; ZVR 1986/106 uva). Der Oberste Gerichtshof hat zu 4 Ob 592/80 am 1.Dezember 1981 einen mangelhaften Zustand des Weges, der für das Befahren mit Rodeln freigegeben war, darin erblickt, daß im Verlauf der kurvenreichen Rodelabfahrt ein Brückengeländer fehlte, und gemeint, daß der Benützer einer solchen Rodelbahn damit rechnen kann, daß atypische Gefahrenquellen fehlen, oder, soweit vorhanden, ausreichend gekennzeichnet oder durch Absicherungen entschärft werden. Die Haftungsvorschrift des § 1319 a ABGB ist auf Rodelbahnen anwendbar. Im Fall der unentgeltlichen Benützung greift nur die Wegehalterhaftung nach dieser Gesetzesstelle ein und nicht eine auch bei leichter Fahrlässigkeit gegebene Haftung aus einem Vertrag. Auch bei der Ausübung des Rodelsportes wird vorausgesetzt, daß der Rodler auf Sicht fährt, also bei Auftreten eines Hindernisses, etwa eines gestürzten anderen Sportlers, anhalten oder ausweichen kann. Es konnten daher die Leute des beklagten V*** darauf
vertrauen, daß Benützer der unentgeltlich zum Rodelfahren freigegebenen Forststraße ihre Abfahrt jedenfalls am Ende der Rodelbahn, die durch die abendliche Beleuchtung gekennzeichnet war, beenden und nicht, wenn dies auch wegen des gleichmäßigen Gefälles im Straßenverlauf möglich war, über das wenn auch wenig deutlich bezeichnete Ende der Rodelbahn hinaus in einen Bereich weiterfahren, in dem durch das Fehlen ausreichender Beleuchtung Hindernisse nicht oder schlecht wahrgenommen werden konnten. Es ist den Vorinstanzen beizupflichten, daß in der Unterlassung einer weiteren Absicherung vor den nach dem Ende der Rodelstrecke anschließenden Kraftfahrzeugabstellplätzen, die offenbar den Besuchern des Gasthauses wie Rodelsportlern zur Verfügung standen, noch keine so schwere Sorgfaltswidrigkeit liegt, daß sie einem ordentlichen Menschen in dieser Situation keinesfalls unterlaufen wäre. Ein Anspruch auf Ersatz der dem Kläger durch das Auffahren auf den geparkten Personenkraftwagen entstandenen Schäden gegen die beklagte Partei besteht daher nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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