Normen
Mietengesetz §1 Abs3 Z1
Mietengesetz §1 Abs3 Z1
Spruch:
Die faktische Umwandlung vorhandener, wenn auch schlecht ausgestatteter Geschäftsräume in nunmehr gut adaptierten Wohnraum, mag sie auch neben der erforderlichen baubehördlichen Bewilligung aufwendige Adaptierungsarbeiten erfordert haben, kann nicht als "Neuschaffung von Räumen" im Sinne der insoweit wörtlich mit § 1 Abs. 2 Z. 1 MG a. F. übereinstimmenden Bestimmung des § 1 Abs. 3 Z. 1 MG i. d. F. MRÄG angesehen werden
OGH 1. Juni 1976, 3 Ob 570, 571/76 (LGZ Graz 3 R 407, 408/75; BGZ Graz 6 C 122, 129/75)
Text
Die Klägerin kundigte dem Beklagten die mit Mietvertrag vom 1. Oktober 1970 auf unbestimmte Zeit vermietete, aus zwei Zimmern, Küche und Nebenräumen bestehende Wohnung im Hofgebäude des ihr gehörenden Hauses G,Alte P-Straße Nr. 90, ohne Anführung eines wichtigen Kündigungsgrundes auf; sie behauptete hiezu, daß die aufgekundigte Wohnung auf Grund der Baubewilligung vom 15. Dezember 1969 - also nach dem 31. Dezember 1967 - ohne Zuhilfenahme öffentlicher Förderungsmittel durch Ausbau bzw. Umbau einer ehemaligen Waschküche und Holzlage neu geschaffen worden sei.
Der Beklagte beantragte Aufhebung der Aufkündigung. Er brachte im wesentlichen vor, daß die aufgekundigten Räumlichkeiten schon früher - vor dem 1 Jänner 1968 - vermietet gewesen und daran nur überdies von einem Vormieter finanzierte Adaptierungsarbeiten vorgenommen worden seien.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf.
Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes besteht das Hofgebäude des der Klägerin gehörenden Hauses G, Alte P-Straße 90, aus der aufgekundigten Wohnung mit einer zirka 10 m2 großen Küche, einem 15 m2 großen Schlafzimmer, einem 17 m2 großen Wohnzimmer, Bad und WC. Das Hofgebäude war ursprünglich eine von den Mietparteien benützte Waschküche (vorhanden war noch ein weiterer Raum). Vor dem Einzug einer Mieterin namens Maria C im April 1962 hatte die Klägerin aus eigenen Mitteln die Außenwand des Hofgebäudes um etwa
1.5 m zum Hauptgebäude hin versetzen und den Boden renovieren lassen. Seither sind die Außenwände "wie heute vorhanden", die äußere Dimension des Gebäudes hat sich somit seither nicht geändert. Innen bestand damals lediglich eine gemauerte Trennwand zwischen dem heutigen Schafzimmer und der heutigen Küche; die Trennwände zwischen der heutigen Küche und dem Wohnzimmer bzw. Badezimmer (damals mit dem WC ein Raum) errichtete Maria C bloß mit Holz-, Pappe-, bzw. Holzfaserplatten. Von dieser Mieterin wurde das heutige Wohnzimmer als Schlafzimmer, das heutige Schafzimmer als Küche, die heutige Küche als Vorraum und das heutige WC als Abstellraum verwendet. Damals war in dem als Küche verwendeten Raum nur ein Wasserauslaß vorhanden; die Klägerin ließ dort - schon damals - ein Waschbecken anbringen und den Betonboden mit Gummifliesen belegen. Lichtanschlüsse waren teils vorhanden, teils wurden sie von den Mietern eingeleitet. Das Dach war ein flaches, mit Teer gestrichenes Betondach.
Nach dem Auszug der Mieterin Maria C im September 1963 betrieb eine Frau namens W im genannten Hofgebäude einen Hundesalon (während dieser Zeit wurden keine wesentlichen zusätzlichen Adaptierungen vorgenommen). Nach Räumung des Hofgebäudes durch die Mieterin W suchte die Klägerin im Jahr 1969 um die Genehmigung der Benützung des Hofgebäudes als Wohnung an. Die Baubehörde erteilte ihr verschiedene Auflagen, betreffend die Wärme- und Schallisolierung der Fußböden sowie der Außenwände und verlangte neben Berechnung der Ausmaße hierüber auch die Vorlage von Detailplänen über die Boden-, Wand- und Deckenkonstruktion (nach dem Akteninhalt erging der diesbezügliche Baubewilligungsbescheid am 15. Dezember 1969).
Manfred L, der sich damals der Klägerin als Mieter angeboten hatte vereinbarte mit der Klägerin, daß sie sich die Kosten für die Erfüllung der Auflagen der Baubehörde teilen. Entsprechend dieser Vereinbarung nahm Manfred L auf seine Kosten folgende Arbeiten vor:
Die bloß provisorischen Trennwände wurden herausgerissen und durch Ziegelmauern mit Türstöcken ersetzt; die Fußböden wurden entsprechend den baupolizeilichen Anordnungen verbessert, insbesondere durch eine Lösch- bzw. Schlackeschicht; das Hofgebäude wurde durch einen quer durch die Küche zum Hauptgebäude verlaufenden Kanalstrang an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen; der Kamin wurde in das (nunmehrige) Schlafzimmer versetzt und es wurde vom Wohnraum dorthin eine Poterie gezogen; ferner wurden zwei weitere Wasserleitungsanschlüsse installiert, die Stromleitungen verstärkt, Lichtanschlüsse erweitert und die neu aufgezogenen Wände frisch verputzt, ausgemalt und Fenster- und Türstöcke gestrichen.
Auf Kosten der Klägerin wurde an der Rückseite des Hofgebäude eine Giebelmauer aufgezogen, wodurch das (gleichzeitig neu hergerichtete) Dach die nötige Schräge erhielt.
Anschließend bezog Manfred L, den die durch ihn durchgeführten Arbeiten 40 000 S kosteten, am 15. September 1969 das nunmehr an den Beklagten vermietete Objekt. Die Klägerin ersuchte am 7. Juni 1970 um Benützungsbewilligung für dieses Objekt, die Benützungsbewilligung wurde jedoch erst am 16. April 1975 erteilt.
Bei diesem Sachverhalt vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß die aufgekundigten Räume zwar umfangreich adaptiert, aber nicht "neu geschaffen" worden seien und daher zufolge § 1 Abs. 3 Z. 1 MG eine Aufkündigung nur bei Geltendmachung eines wichtigen Kündigungsgrundes wirksam erfolgen könne. Das Berufungsgericht bestätigt in der Hauptsache die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 50 000 S übersteigt.
Es pflichtete der Ansicht des Erstgerichtes mit ergänzenden Ausführungen zum Begriff der Neuschaffung von Räumen bei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Zur Frage, ob hier das Berufungsgericht nach § 500 Abs. 2 oder 3 ZPO vorzugehen hatte und dementsprechend die Vorschriften des § 502 Abs. 3 oder 4 ZPO anzuwenden sind, ist das diesbezügliche Vorbringen in der Aufkündigung maßgebend, wonach auf das aufgekundigte Bestandverhältnis die Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes nicht Anwendung zu finden hätten (vgl. Fasching, Komm. IV, S. 235; MietSlg. 4836, 21.815 = Bd. XXI Nr. 27, 22.630, 23.665). Darauf, ob sich die Behauptungen der Kündigung schließlich als zutreffend erweisen, kommt es nicht an, da durch die Entscheidung des Berufungsgerichtes über diese Frage der Sachentscheidung nicht vorgegriffen werden darf (vgl. MietSlg. 15.634).
In rechtlicher Hinsicht ist nicht entscheidungswesentlich, ob die gegenständlichen Arbeiten nach dem Sprachgebrauch als "Umbau" anzusehen sind, zumal § 1 Abs. 3 Z. 1 MG darauf abstellt, ob dadurch Räume neu geschaffen wurden. Die von der Revision zum Begriff der "Neuschaffung" zitierte Rechtsprechung, wonach es insoweit auf die Erteilung der Benützungsbewilligung ankommt (die zitierte Entscheidung MietSlg. 19.671 stellt übrigens auf das Kriterium der "faktischen Bewohnbarkeit" ab) betrafen Fälle der Neuerrichtung von Bauten. Bei einem lange vor dem maßgebenden Stichtag errichteten, zur Benützung übergebenen und faktisch benützten Raum kommt es hingegen nicht darauf an, wann die baubehördliche Benützungsbewilligung erteilt wurde (vgl. SZ 44/77, MietSlg. 26.168 u. a.). Mit Rücksicht auf die Feststellung, daß die nach Meinung der Revision im Jahre 1969 "neu geschaffenen" Räume vom Vormieter L am 15. September 1969 - also nach dem 31. Dezember 1967 - bezogen wurde, steht diese Frage hier nicht im Vordergrund, entscheidend ist vielmehr, ob die gegenständlichen, früher sicher schlecht adaptierten, in den Jahren 1963 bis 1968 und damit auch am maßgebenden Stichtag des 31. Dezember 1967 als Hundesalon verwendeten Räume seither "neu geschaffen" wurden.
Hiezu war festzuhalten, daß nach den getroffenen Feststellungen die Außenwände des Hofgebäudes seit dem Jahr 1963 nicht verändert wurden, ferner die aufgekundigten Räume am Stichtag als Hundesalon, somit als "Geschäftsräume" im Sinn des § 1 Abs. 1 MG verwendet wurden. Die somit hier faktisch nach dem Stichtag vorgenommene Umwandlung vorhandener, wenn auch schlecht ausgestatteter Geschäftsräume in nunmehr gut adaptierten Wohnraum, mag sie auch neben der erforderlichen baubehördlichen Bewilligung aufwendige Adaptierungsarbeiten erfordert haben, kann nun nach der zutreffenden Auffassung der Vorinstanzen nicht als "Neuschaffung von Räumen" im Sinn der insoweit wörtlich mit § 1 Abs. 2 Z. 1 MG übereinstimmenden Bestimmung des § 1 Abs. 3 Z. 1 MG angesehen werden (ebenso insbesondere SZ 11/118 und JBl. 1954, 438, betreffend die Umwandlung eines Stalles bzw. einer Waschküche in Wohnraum, vgl. auch MietSlg
6339, 6340, 26167 u. a.). Die rechtliche Beurteilung der Sache durch die Vorinstanzen ist daher einwandfrei.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)